Account/Login

"Drei Tage in einem Lkw versteckt"

  • Fr, 17. Mai 2013
    Schülertexte

ZISCHUP-INTERVIEW mit Mahdi Mohseni: Der Schüler flüchtete ohne seine Familie aus dem Iran nach Deutschland.

Mahdi Mohseni ist 2011 als 15-Jähriger allein ohne seine Familie aus dem Iran nach Deutschland geflohen. Zischup-Reporterin Dorentina Marina, Schülerin der Klasse 8b an der Hebelschule Freiburg, sprach mit ihm über seine Flucht.

Zischup: Wann bist du los gegangen?
Mahdi Mohseni: Am 12.06.1390
Zischup: Das kann doch nicht sein.
Mahdi: Doch, der Iran und Afghanistan haben einen anderen Kalender.
Zischup: Aha, okay. Wie war es an diesem Tag?
Mahdi: Einen Tag vorher machte ich mit einem Schmuggler einen Treffpunkt aus. Dann kam er Montag früh mit seinem Auto, klingelte an meiner Tür und sagte: "Los geht’s, nach Azadi." Dort erwartete uns ein Freund des Schmugglers mit einem privaten Taxi.
Zischup: Wohin seid ihr dann gefahren?
Mahdi: Der Taxifahrer sagte zu mir: "Wir warten noch auf fünf Personen." Nach einer Stunde kamen die anderen und wir fuhren los nach Orumiye, eine Stadt an der Grenze der Türkei.
Zischup: Wie habt ihr alle in ein Auto reingepasst?
Mahdi: Wir waren vier Personen hinten und drei Personen vorne. Natürlich war es sehr eng. Wir konnten uns nicht bewegen. Es war sehr heiß und wir schwitzten.
Wir mussten mehr als zehn Stunden Auto fahren.
Zischup: Wie war es in Orumiye?
Mahdi: Wir hatten dort ein Zimmer von dem Schmuggler. In diesem Zimmer mussten circa 40 Personen ohne Decken und ohne Kopfkissen schlafen. Es gab nur eine Toilette in diesem Zimmer und die war sehr dreckig und hat sehr gestunken, obwohl der Schmuggler zu mir gesagt hatte, dass alles dort perfekt wäre.
Zischup: Was hast du dann gemacht?
Mahdi: Ich habe den Schmuggler angerufen und gesagt: "He, du hast gesagt, hier wäre alles gut. Was soll das? Warum hast du mich angelogen?" Da sagte der Schmuggler: "Alles wird gut, ich hab mit meinen Kollegen geredet." Nach einer Weile kam ein Schmuggler und brachte mich und die anderen Flüchtlinge in ein anderes Haus. Dort hatten wir mehr Platz und die Möglichkeit, uns zu pflegen. Am nächsten Tag kam ein Schmuggler zu uns und sagte: "Wir müssen weitergehen."
Zischup: Wohin seid ihr gegangen?
Mahdi: Auf der Ladefläche eines Autos mussten wir eine lange Strecke zurücklegen. Dabei mussten wir stehen und hatten immer Angst rauszufallen, da das Auto sehr schnell fuhr. Nach der langen Autofahrt mussten wir circa sieben Stunden zu Fuß die Grenze zwischen dem Iran und der Türkei passieren.
Zischup: Und wie ging es in der Türkei weiter?
Mahdi: Morgens früh sind wir in der Türkei angekommen. Bei einem kleinen Dorf haben wir Pause gemacht und unsere Autos gewechselt, eine Weile später sind wir weiter gefahren zu einer Stadt namens Van. Aber dann hatten wir ein großes Problem.

Zischup: Was für ein Problem?
Mahdi: Der Schmuggler sagte: "Die Polizei ist hinter uns." Da sind wir eine andere Straße gefahren, zu einem Gebirge, wir sind ausgestiegen und der Schmuggler sagte: "Ihr kennt mich nicht, rennt sofort über den kleinen Berg." Dann ist der Schmuggler davongerannt. Nach einer Minute sahen wir die Polizei und jeder ist irgendwohin gerannt. Die Polizei hat geschossen. Ich hatte Angst und blieb kurz stehen, die Polizei hat wieder geschossen, da habe ich mich auf den Boden gelegt. Die Polizei nahm uns alle fest.

"Die Polizei hat geschossen, da habe ich mich auf den

Boden gelegt."

Mahdi Mohseni
Zischup: Was ist dann mit euch passiert?
Mahdi: Wir waren 20 Tage im Gefängnis. Am 21. Tag kam ein Erdbeben. Wir hatten Glück, dass keiner verletzt wurde. Wegen des Erdbebens ließ uns die Polizei frei.
Zischup: Wohin bist du nach dem Erdbeben gegangen?
Mahdi: Ich rief einen anderen Schmuggler an und machte mit ihm ein Treffen im Bahnhof Van aus. Von dort fuhr ich mit ihm nach Istanbul. Das dauert mehr als 24 Stunden. Ich schlief zwei Nächte bei ihm. In der dritten Nacht sind wir um 22.30 Uhr an die griechische Grenze gefahren. Wir stiegen irgendwo aus und liefen ungefähr eineinhalb Stunden zu Fuß. Nach einer Weile sahen wir einen Fluss, da sagte der Schmuggler: "Das ist die Grenze zwischen der Türkei und Griechenland." Ich hatte Angst, weil ich nicht schwimmen konnte. Der Fluss war sehr tief und floss schnell. Wir sind in ein kleines Boot gestiegen. Ich war ungefähr vier Tage in Athen, der Hauptstadt von Griechenland, und drei Tage in der Hafenstadt Patras. Ich habe mit einem Schmuggler ausgemacht, dass ich versteckt in einem Lkw nach Italien fahre. Am Abend versteckte er mich in einem Lkw und sagte: "Beweg dich nicht und bleib sehr ruhig." Dann ging er. Ich war drei Tage und drei Nächte im LKW, ich hatte nur zwei Kekse und einen Liter Wasser, und ich konnte nicht auf die Toilette gehen. Deswegen hatte der Schmuggler gesagt: "Nicht so viel essen und trinken."
Zischup: Wo in Italien kamst du an?
Mahdi: Ein Hafen namens Brindisi. Ich kaufte mir ein Zugticket nach Rom. Nach acht Stunden kam ich in Rom an und kaufte ein Ticket nach Paris. Etwa zehn Stunden wartete ich im Bahnhof, um 21 Uhr bin ich in den Zug nach Paris gestiegen.
Zischup: Wie war es im Zug?
Mahdi: Zwischen 21 und 9 Uhr morgens kamen zweimal Kontrolleure und haben mich gefragt: "Hast du einen Pass oder nicht?" Ich habe gesagt: "Nein, ich habe keinen Pass." Dann bekam ich eine Geldstrafe von 50 Euro, die musste ich sofort bezahlen und dann konnte ich weiter bis Paris fahren. Zwei Nächte hab ich auf der Straße beim Bahnhof Gare de l’Est geschlafen. Am dritten Tag kaufte ich mir vier Tickets, eins für Paris bis Besançon, das zweite von Besançon bis Mulhouse, das dritte von Mulhouse bis Basel und das letzte von Basel bis Hamburg. Ich hatte gar kein Problem bis Bad Krozingen zu fahren, aber in Bad Krozingen hat mich die deutsche Polizei festgenommen.
Zischup: Und was passierte dann?
Mahdi: Sie nahmen mich aufs Polizeirevier.
Zischup: Und wo lebst du jetzt?
Mahdi: Jetzt wohne ich im Jugendwerk in der Nähe von Breisach.
Zischup: Wir fühlst du dich hier?
Mahdi: Ich fühle mich in Deutschland sehr gut und ich bin stolz drauf, dass ich es bis hierher geschafft habe.

ZUR PERSON: MAHDI MOHSENI

Mahdi ist bereits mit drei Jahren mit seiner Familie von Afghanistan in den Iran geflohen. Dort lebten (bzw. leben) sie ohne gültigen Pass. Mittlerweile war Mahdi 15 Jahre alt und musste schon hart arbeiten. Auf seinem Arbeitsweg gab es immer wieder Kontrollen und er sollte seinen nicht vorhandenen Pass zeigen. So wurde er immer wieder von der Polizei festgenommen und hatte ständig Angst, wieder erwischt zu werden. Außerdem ging es seinem Rücken immer schlechter, da er körperlich hart arbeiten musste. So konnte er nicht mehr für seinen Lebensunterhalt aufkommen. Seine Familie hatte das Problem nicht in dem Maße, da seine Eltern schon in einem Alter waren, in denen die Polizei nicht mehr so oft kontrollierte, und seine Geschwister noch jung genug waren und nicht kontrolliert wurden. Daher beschloss die Familie, dass Mahdi versuchen sollte, nach Europa zu fliehen. Für alle wäre es finanziell nicht gegangen, da die Schlepper viel Geld verlangten. Er war damals 15 Jahre alt.

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 17. Mai 2013: PDF-Version herunterladen

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare


Weitere Artikel