Sehnsucht nach früher

Eine Schule wechselt sich nicht wie ein Pulli / Alleine neu anzufangen, ist alles andere als einfach.  

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Jamina im Kreise ihrer neuen Klasse   | Foto: privat
Jamina im Kreise ihrer neuen Klasse Foto: privat

Jamina Zaara, heute Schülerin der Klasse 9b des Martin-Schongauer-Gymnasiums in Breisach, ist noch keine 16 Jahre alt, als sie von Rheinland-Pfalz ins Elsass zieht. In ihrer neuen französischen Klasse fühlt sie sich überhaupt nicht wohl, also wechselt sie nach Breisach ans Martin-Schongauer-Gymnasium. Doch auch dort fällt ihr der Einstieg schwer. Ein Text über einen beschwerlichen Neuanfang.

Als knapp 16-Jährige musste ich die Entscheidung treffen, bei meinen Großeltern in Kaiserslautern zu bleiben, ohne Eltern und Geschwister, oder zusammen mit meiner Familie ins Elsass umzuziehen. Zunächst als Fremdlinge in einem anderen Land mussten wir uns nicht nur mit der Sprache auseinandersetzen, erschwerend kamen die französische Bürokratie und der andere Umgang in Bezug auf Einschulung hinzu.

Verschiedene Tests musste ich über mich ergehen lassen, mehrere Gespräche mit Lehrern führen, um dann freiwillig aufgrund meines zu niedrigen Sprachniveaus die Klasse zu wiederholen. Nach kurzer Zeit stellte ich fest, dass ich nicht nur schulisch, sondern auch persönlich fehl am Platz war. Ich weinte nur noch und hatte nur noch den Wunsch, auf meine vorherige oder wenigstens auf eine deutsche Schule gehen zu können. Meine Mutter bemühte sich, die entsprechenden Informationen zu bekommen. Aufgrund eines Gesetzes gab es die Möglichkeit, dass Grenzgänger auch in Deutschland zur Schule gehen dürfen. Das war mein Einstieg ins Gymnasium. Der Direktor der Schule war überzeugt von mir und reichte mir freundlich die Hand, was mir Kraft und Antrieb gab. Aber nichts liegt mir übler im Magen, als neu in eine Klasse zu kommen.

Am Tag der Vorstellung versuchte ich mich so natürlich und authentisch wie möglich zu geben, auch wenn es schwerfiel. Alle Aufregung war jedoch umsonst, da ich in der ersten Stunde in die neunte Klasse kam, während eine Arbeit geschrieben wurde, und mir völlig unkompliziert ein Platz zugewiesen wurde. "Das ist die neue Mitschülerin", war alles, was erstmals von mir preisgegeben wurde. Erste Reaktionen waren Blicke der Neugier, sonstige Äußerungen oder Anzeichen der Offenheit hielten sich in Grenzen. Einige brachten mir Höflichkeit entgegen, andere hielten sich weiter bedeckt im Hintergrund. Ich hätte mit mehr Offenheit gerechnet.

Von da an versuchte ich mich in die Klassengemeinschaft einzufügen, welcher es an Herzlichkeit und Offenheit fehlte. So jedenfalls war mein Eindruck. Übliche Verhaltensweisen wie Abschreibenlassen und Herumalbern waren meinen neuen Mitschülern fremd. Heimweh und Sehnsucht nach der Pfalz waren daher vorprogrammiert – oder besser: Dadurch wurde sie um ein Vielfaches verstärkt. Je mehr ich versuchte, ihnen mein altes Schulleben nahe zu bringen, desto mehr verlor ich die Lust daran, Teil dieser Klassengemeinschaft zu sein. Ich dachte, ich wäre in einer anderen Welt angelangt. Eine kühle, sterile Welt, emotionslos, ellenbogendenkend und ohne jegliches Gespür für Empathie, so empfand ich die Atmosphäre in diesen Tagen. Als meine Klassenlehrerin das Gespräch mit mir suchte, erkannte sie meine Not. Gemeinsam versuchten wir, die Klasse aufzuklären und gleichzeitig die Klassengemeinschaft zu verbessern.

Ich finde, es hat überraschenderweise funktioniert. Von da an ging es bergauf für mich. Tag für Tag wurde es besser, ich näherte mich nun auf positive Art an und umgekehrt. So langsam bekomme ich immer mehr Sicherheit und den Mut, mich zu überwinden, um mein altes Leben hinter mir zu lassen. Unstimmigkeiten kann man nie zu 100 Prozent verhindern, doch einen Kompromiss finden fast immer. Man lernt voneinander und das Leben steht immer für Neues offen. Gut Ding braucht Weile.

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