Familie

Sollen Eltern ihren Kindern beim Lernen helfen – und wie?

In vielen Familien übernehmen Eltern die Rolle von Hilfslehrern. Dabei kommt es oft zum Streit – weil es beim Lernen zu Hause auf ganz andere Dinge ankommt als in der Schule.  

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Beim Lernen mit den Kindern sollten El... Beziehung zu ihnen im Blick behalten.  | Foto: Jens Schierenbeck (dpa)
Beim Lernen mit den Kindern sollten Eltern immer auch die Beziehung zu ihnen im Blick behalten. Foto: Jens Schierenbeck (dpa) 

Feierabend? Wochenende? Viele Eltern von Schulkindern schütteln da nur müde den Kopf. Kaum haben sie ihre Arbeit erledigt, wartet zu Hause ihr zweiter Job als Hilfslehrer auf sie. Vokabeln abfragen, Geschichtszahlen pauken, Französisch-Grammatik erklären, gemeinsam an Mathe-Aufgaben verzweifeln – schlechte Laune, Wutanfälle, Streit und Tränen inklusive. Muss das wirklich sein? Können Kinder nicht einfach allein lernen?

Die richtige Zeit, den richtigen Ort wählen – gemeinsam mit dem Kind

"Bis ein Kind genügend selbstregulative Kompetenzen vor allem mit Blick auf das eigenständige und eigenmotivierte Lernen entwickelt hat, braucht es viele Jahre eine Umwelt, welche diese anregt. Eltern kommen deshalb nicht umhin, ihre Kinder beim Lernen zu unterstützen", sagt Nicole Fritzler. Die Psychologin forscht an der Uni Bielefeld zur heimischen und schulischen Lernunterstützung, bietet Online-Trainings an und teilt ihre alltagsnahen Tipps auch über ihren Instragram-Account. Sie sagt aber auch: Keinesfalls sollte man zur Co-Lehrkraft werden. "Eltern bleiben immer Eltern, die das Wohl ihrer Kinder und die Beziehung zu diesen im Blick haben." Für Fritzler bedeutet das auch beim gemeinsamen Lernen: Eltern haben eine gute Zeit mit ihrem Kind und berücksichtigen dessen Bedürfnisse.

Dazu gehört zunächst einmal herauszufinden, wann ein Kind am besten lernen kann. "Manche wollen direkt nach der Schule alles erledigen. Andere brauchen eine Pause, vielleicht Bewegung und können sich vor oder auch nach dem Abendessen besser motivieren", sagt Fabian Grolimund, Leiter der Akademie für Lerncoaching in Zürich. Er rät Eltern mit dem richtigen Zeitpunkt zu experimentieren – und das Kind dabei auch mitentscheiden lassen.

Eine erfolgreiche Strategie: freies Abrufen

Das gilt auch bei der Wahl des Arbeitsplatzes. "Viele Eltern haben ja die Vorstellung: gelernt wird im eigenen Zimmer, am Schreibtisch, mit möglichst viel Ruhe", sagt Fabian Grolimund. Vielen Kindern falle es aber leichter, gemütlich auf dem Sofa, bei einem gemeinsamen Waldspaziergang oder am Küchentisch zu lernen, mit Topfgeklapper oder Musik im Hintergrund. "Das Wichtigste ist, dass man eine entspannte Stimmung hat, in der man sich wohlfühlt", so Grolimund, der gemeinsam mit Stefanie Rietzler das Buch "Clever lernen" geschrieben hat.

Fabian Grolimund lässt seine Kinder gern Texte für die Schule selbstständig lesen – und geht dann mit ihnen spazieren. "Dabei erzählen sie mir, was sie so alles behalten haben." Dieses so genannte freie Abrufen sei eine sehr erfolgreiche Lernstrategie, weil man Dinge aus dem Gedächtnis hervorkramen müsse. Er sieht die Aufgabe von Eltern vor allem darin, den Kindern Hilfe zur Selbsthilfe zu geben, ihnen also eher zu zeigen, wie man lernt, statt sich mit inhaltlichen Details aufzuhalten. Dabei helfen auch Fragen wie: Was traust du dir alleine zu? Womit möchtest du anfangen? Wie würdest du vorgehen? Was verstehst du noch nicht? "Solche Dinge würde ich immer im Vorfeld klären und das Kind dann mal machen lassen", sagt Fabian Grolimund.

Die Eltern sollten sich filmen, wenn sie mit ihren Kindern lernen

Selbst wenn Eltern sich in einem Thema gut auskennen, steht ihnen häufig die emotionale Beziehung zu ihrem Kind im Weg, um etwas gut erklären zu können. "Ich empfehle Eltern gern, sich mal dabei zu filmen, wenn sie mit ihrem Kind für die Schule üben", sagt Fabian Grolimund. Zu sehen sei dabei nicht selten: eine gerunzelte Stirn, genervtes Kritisieren ("Das ist doch nicht so schwer!") oder gestresstes Korrigieren ("Du musst das so machen!"). Kinder speichern dabei schnell ab: Wenn ich mit meinen Eltern lerne, dann wird es unangenehm, also blockieren sie, woraufhin die Eltern den Druck erhöhen – und die Laune auf beiden Seiten in den Keller geht.

Spätestens dann ist es an der Zeit, eine Pause einzulegen, einen Schritt vom Lernen weg zu machen – und daran zu denken: Eine gute Beziehung ist wichtiger als eine gute Note. Worauf Grolimund sich gar nicht erst einlassen würde, sind Diskussionen rund um Sinnfragen wie: "Wer braucht so etwas überhaupt?" Der Grund: Meist würden Eltern hier dagegen arbeiten. "Eigentlich hoffen Kinder aber doch auf das Verständnis der Eltern", findet Grolimund. Weshalb er möglichst konstruktiv mit solchen Situationen umgehen würde. Etwa mit Sätzen wie: "Ich weiß, du hast zwar keine Lust, aber was würde dir helfen, trotzdem anzufangen?" "Ich sehe, es ist viel. Wie können wir es gemeinsam gut einteilen, damit du trotzdem noch Zeit für dich hast?"

Und manchmal reicht es auch, das Kind mal so richtig motzen zu lassen: über all die dummen Fächer, vielen Hausaufgaben und blöden Lehrer. "Dabei einfach nur zuhören und nicht widersprechen, dann dauert so eine Motz-Zeit meist auch nicht lang", sagt Fabian Grolimund.

Herzglas für schwierige Lernmomente

Nicole Fritzler empfiehlt, für angespannte Lernmomente in der Familie ein so genanntes Herzglas einzurichten. "Wann immer Eltern im Alltag etwas beobachten, was das Kind gut geschafft hat oder sie schöne gemeinsame Momente erleben, schreiben sie es auf einen Zettel und tun diesen in das Glas", so Fritzler. Wenn es beim gemeinsamen Lernen dann mal zu angespannten Momenten oder Konflikten komme, werde bewusst "Pause für die Beziehung" eingelegt und zwei, drei Zettel aus dem Glas gezogen. "Das Kind hört und spürt dann, dass es durchaus Dinge gibt, die es gut kann, dass die Eltern diese Sachen wahrnehmen und ihm zutrauen, auch diese Herausforderung zu meistern." Zusätzlich hole es alle wieder zurück ins Hier und Jetzt und mache deutlich: "Die Lernsituation gerade ist für uns beide so sehr mit Anspannung verbunden, dass wir unsere Beziehung fast aus den Augen verlieren – und das ist es mir nicht wert."


mar
Schlagworte: Fabian Grolimund, Nicole Fritzler, Stefanie Rietzler
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