Deutschlands größter Freizeitpark ist 50 Jahre alt. Vor genau einem halben Jahrhundert, am 12. Juli 1975, öffnete der Europa-Park erstmals für Besucherinnen und Besucher die Tore. Das Vergnügungsareal in Rust war von Beginn an ein Familienbetrieb. Und ist es bis heute. Ein Blick zurück zeigt den Weg von damals bis in die Gegenwart und verdeutlicht, wo Stolpersteine lagen und es Überraschungen gab.
Überzeugungsarbeit


„Wenn wir gewusst hätten, was uns alles erwartet, hätten wir das Projekt wohl nie in Angriff genommen. Wir haben bei null angefangen und mussten erst einmal die Behörden überzeugen“, erzählt Parkinhaber Roland Mack. Der in Freiburg geborene Maschinenbauingenieur war damals 25 Jahre alt. Gemeinsam mit seinem Vater Franz gründete er nach US-amerikanischem Vorbild den Freizeitpark.
„Mein Vater hat das Haus der Familie bis unter die Dachziegel verschuldet, um den Park zu ermöglichen“, sagt Roland Mack. Der heute 75-Jährige stammt aus einer traditionsreichen Unternehmerfamilie aus Waldkirch, rund 40 Kilometer von Rust entfernt. Roland und sein Bruder Jürgen sind die siebte Generation. 1780, also vor 245 Jahren, wurde der Familienbetrieb gegründet. Er baute Zirkuswagen sowie Attraktionen für Schausteller und Jahrmärkte. Man entschied sich schließlich, einen eigenen Freizeitpark zu gründen. An den Erfolg glaubte damals, vor 50 Jahren, kaum jemand. „Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen“, erläutert Mack. „Am Anfang haben uns die meisten für verrückt erklärt. Wir galten als Exoten, ohne Aussicht auf Erfolg.“ Große Banken wollten keine Kredite geben, Ämter hatten Bedenken. „Über Rust schwebt der Pleitegeier“, musste Mack in der Zeitung lesen. Das Wort „Freizeitruine“ machte die Runde. Auch Personal fand sich kaum. „Keiner wollte in einem Unternehmen, das bald vielleicht nicht mehr da ist, einen Job anfangen.“
In Rust, dem kleinen Fischerdorf am Oberrhein, ging es aber dann im Juli 1975 los. Mitten im Ort, im Garten des 1442 erbauten Mittelalterschlosses Balthasar, eröffnete die badische Unternehmerfamilie Mack einen Vergnügungspark. Er war 16 Hektar groß, hatte 13 Attraktionen und 50 Mitarbeiter. Ein klassisches Tagesausflugsziel mit Minigolf, Streichelzoo, Wichtelbahn, Eisenbahn, Kinderkarussell und Raddampfer auf dem See. Immerhin 250.000 Besucher kamen im ersten Jahr. Sechs Mark pro Person kostete der Eintritt.
Park der Superlative
Die Entwicklung seither ist rasant. In 50 Jahren ist aus dem damals kleinen und nur regional bekannten Park ein weltweit beachtetes Freizeitareal der Superlative geworden - mit 130 Hektar Fläche, mehr als 100 Attraktionen, 17 europäischen Themenbereichen, jährlich mehr als sechs Millionen Besuchern und 5200 Mitarbeitern. Sechs Hotels gehören zum Park sowie seit Herbst 2019 mit Rulantica auch ein ganzjährig betriebener Wasserpark. Mit 5800 Betten in den Hotels sowie weiteren 1200 Übernachtungsmöglichkeiten auf einem parkeigenen Campingplatz sind die Macks die größten privaten Hotelbetreiber an einem Ort in Deutschland.
„Die ersten Skizzen entstanden auf einem Bierdeckel“, erzählt Mack. Mit einigen Bleistiftzeichnungen abends in der Kneipe bei einer Geschäftsreise zu Kunden in den USA wurde die Idee geboren, Fahrgeschäfte nicht mehr nur zu entwickeln und zu bauen, sondern auch selbst zu betreiben. „Gedacht war der Park als lebendiges Schaufenster, als Ausstellungsraum für unsere Produkte.“ Attraktionen sollten den Kunden nicht nur auf dem Papier, sondern im täglichen Betrieb und passenden Umfeld präsentiert werden.“
Von der Idee bis zur Eröffnung dauerte es zwei Jahre. Vor Rust nahmen die Macks andere Standorte am Oberrhein in den Blick, jedoch ohne Erfolg. Anfangs soll der Park in Breisach entstehen. Als die Vorbereitungen dort bereits weit fortgeschritten waren und schon zahlreiche Genehmigungen vorlagen, scheiterte das Projekt letztlich an einem Einspruch des Wasser- und Schifffahrtsamts, das eigene Pläne mit dem direkt am Rhein liegenden Gelände hatte.
Standortsuche
Die weitere Standortsuche lenkte das Interesse auf ein Gelände direkt an der Autobahn an den Rhein bei Neuenburg. Dort wurden die Pläne dann aber durch das Autobahnamt Stuttgart durchkreuzt. Die weitere Suche führte schließlich nach Rust.


Mit dem Konzept Vergnügungspark betraten die Macks Neuland. Freizeitparks gab es in Deutschland und Europa damals kaum, sagt Jürgen Gevers, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Freizeitparks und Freizeitunternehmen.„Das erklärt, wieso die Skepsis anfangs so groß war.“ Der rasche Erfolg löste dann aber auch andernorts einen Boom aus. Es entstanden europaweit Parks und Freizeiteinrichtungen. „Ohne die Familie Mack würde es die Freizeitparkbranche in der heutigen Form in Europa nicht geben“, sagt der Verbandsfunktionär.
Entwickelt hat sich der Park mitten in Rust, einem Dorf in strukturschwacher Region, das vor allem landwirtschaftlich geprägt war. „Die Expansion des Parks, auch mit Blick auf Flächen und Besucherzahlen, ist immer auch ein Spagat“, sagt der Ruster Bürgermeister Kai-Achim Klare (SPD). An Spitzentagen kommen bis zu 50.000 Besucher in den 5000 Einwohner zählenden Ort. Die meisten davon mit dem Auto, weil Rust mit öffentlichen Verkehrsmitteln schwer zu erreichen ist. Belastungen durch Lärm und Verkehr sind die Folge. Umweltschützer kritisieren vor allem den Flächenverbrauch, den Verkehr, den Wasserverbrauch vieler Attraktionen sowie die Kommerzialisierung. Diese Begleiterscheinungen beschäftigen Rust und die Umgebung seit der Parkgründung, schon in den 1970er und 80er-Jahren war die Verkehrsbelastung ein Thema.
Lob der Gemeinde
Es brauche oft Vermittlung zwischen den wirtschaftlichen Interessen und den Belangen der Bürger, sagt Klare. „Es kommt häufig vor, dass sonntags am Morgen mein Telefon klingelt und ein Bürger fragt, wieso es am Vorabend rund um den Park wieder so laut war. Weil es aber eine gute und enge Verbindung zum Park und den Verantwortlichen gibt, lässt sich das meist sehr schnell klären.“ Wichtig ist dem Bürgermeister: „Der Park ist ein unglaubliches Erfolgsmodell, weil er von Beginn an ein deutlich gemeinschaftlich getragenes Projekt war.“ Die gesamte Inhaberfamilie wohnt in dem Dorf, viele Mitarbeiter und Zulieferbetriebe kommen aus der Region, dadurch gebe es ein Miteinander. „Wir haben es mit einem mittelständischen und regional verankerten Familienbetrieb zu tun und nicht mit einem anonymen Großkonzern mit Adresse auf den Cayman-Inseln. Das schafft gegenseitiges Verständnis und Vertrauen.“ Ein Teil des Erfolges sei der Gemeinde zu verdanken. Sie kümmere sich darum, dass alles funktioniere - von Straßen und Wegen bis hin zur Kläranlage. Rückschläge gab es in 50 Jahren auch für den Europa-Park. Neun Monate Zwangsschließung während der Corona-Krise sowie zwei größere Brände sorgten für Unruhe und brachten das Unternehmen kurzzeitig ins Straucheln.
Einige der Attraktionen aus dem Eröffnungsjahr sowie das damals eröffnete Seerestaurant gibt es bis heute, wenn auch in verändertem Erscheinungsbild. Unverändert ist der Name. Weil es in Breisach einen See namens Europaweiher gibt, sollte auch der Park den Namen Europa tragen. Der Name blieb, auch wenn der Park nicht nach Breisach, sondern nach Rust kam und ist bis heute Programm.
Profitieren von einer Entscheidung im Gründungsjahr können bis heute die Einwohner von Rust. Ein Teil des Parkgeländes, das die Familie Mack damals kaufte, war der Park von Schloss Balthasar und gehörte der Gemeinde Rust. Der damalige Bürgermeister Erich Spoth wollte, dass die Ruster nicht auf den kostenlosen Besuch des Schlossparks verzichten müssen. Und so wurde im Grundbuch festgeschrieben, dass alle Ruster gratis in den Europa-Park können - ein Leben lang und so oft, wie sie möchten. Diese Regelung gilt heute, 50 Jahre später, noch immer.