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"Tinguelys Werke sprechen alle Sinne an"

  • Liam August, Balint Bajkai, Chiara Kandejtzki, Lara Richardon, Anna-Lena Sayer, Klasse 4b, Grundschule Salzert & Lörrach

  • Fr, 24. Juni 2016
    Zisch-Texte

ZISCH-INTERVIEW mit Roland Wetzel, dem Direktor des Museums Tinguely, über eine breit angelegte Ausstellungsreihe und spannende Erfahrungen.

Roland Wetzel umrahmt von den Zisch-Re... Kandejtzki und  Balint Bajkai (v.l.)   | Foto: Privat
Roland Wetzel umrahmt von den Zisch-Reportern Lara Richardon, Anna-Lena Sayer, Liam August, Chiara Kandejtzki und Balint Bajkai (v.l.) Foto: Privat

Während ihre Klassenkameraden mit Fimo werkelten, interviewten die Zisch-Reporter Liam August, Balint Bajkai, Chiara Kandejtzki, Lara Richardon und Anna-Lena Sayer den Direktor des Tinguely Museums, Roland Wetzel.

Zisch: Herr Wetzel, Sie sind seit 2009 der Direktor des Tinguely-Museums in Basel. Was würden Sie sagen, ist das Spannende an Ihrem Beruf?
Wetzel: Mein Beruf ist sehr vielseitig: Man hat mit Künstlern und mit Kunst zu tun, man muss, oder vielmehr darf, viel reisen, um Leute zu besuchen. Und dann hat man natürlich auch ein tolles Team mit engagierten Leuten. Das macht jeden Tag wieder aufs Neue Spaß.
Zisch: Das Museum wurde 1996 eröffnet und ist sehr beliebt. Was macht seine Beliebtheit aus?
Wetzel: Ja, das könnt ihr vielleicht noch besser beantworten als ich! Ich persönlich meine, das Tinguely-Museum ist ein Ort, an dem man sich wohlfühlen kann, wo man auch mal lachen darf, wo es nicht so still ist, wo man interessante Erfahrungen machen kann – auch im Dialog mit den Kunstwerken. Mit einer Maschine kann man beispielsweise selber eine Zeichnung anfertigen. Ich glaube, das alles zusammen ist das, was uns auszeichnet: dass es immer ein Erlebnis ist, zu uns ins Haus zu kommen.
Zisch: Gibt es weitere Tinguely-Museen?
Wetzel: Nein, leider nicht. Aber es gibt immer wieder Ausstellungen mit Werken von Jean Tinguely. Zurzeit ist eine große Retrospektive, also ein Werküberblick, in Düsseldorf zu sehen. Da ist zum Beispiel die Méta-Maxi-Maxi-Utopia von Tinguely aufgebaut, die wir hier momentan nur als Bild hängen haben. Aber auch noch weitere Werke sind da zu sehen. Große Tinguely-Ausstellungen außerhalb unseres Museum gibt es also immer wieder.
Zisch: Sie sind nicht nur der Direktor des Museums, sondern auch Kurator der Ausstellung "Prière de Toucher". Wer oder was hat Sie zu der Ausstellung inspiriert?
Wetzel: Wir haben uns überlegt, was Jean Tinguely besonders ausmacht und sind zu der Antwort gekommen, dass seine Werke eigentlich alle Sinne ansprechen. Viele haben zum Beispiel einen Klang, manchmal riechen sie auch oder sie bewegen sich. Und deshalb haben wir uns entschlossen, eine Ausstellungsreihe zu den fünf Sinnen zu machen. Den Geruchssinn, haben wir letztes Jahr vorgestellt. Da hat es hier im Museum ziemlich stark nach Nelke, Rauch oder auch nach Achselschweiß gerochen. Diese momentane Ausstellung ist die zweite Runde einer Ausstellungsserie, in der wir uns dem Tastsinn zuwenden. Dann fehlen noch der Geschmack, das Auge und das Ohr. Das sind die fünf menschlichen Sinne.
Zisch: Welcher dieser fünf menschlichen Sinne ist für Sie der Bedeutsamste?
Wetzel: Ich würde grundsätzlich sagen, dass alle Sinne wichtig sind, und man alle Sinne braucht. Ohne das Auge kann man zwar leben, dennoch ist es für uns natürlich wichtig, da es sehr viele Informationen aufnimmt. Leute wiederum, die keinen Geruchssinn haben, leiden oft sehr stark darunter, da Gerüche für unsere Gefühle sehr bestimmend sind. Es gibt keinen Sinn, der nicht wichtig ist. Aber der Tastsinn ist, denke ich, zum Leben unbedingt notwendig – und damit vielleicht der Bedeutsamste?
Zisch: Konnten Sie durch die Ausstellungsreihe etwas Neues über Ihre eigenen Sinne erfahren?
Wetzel: Absolut! Letztes Jahr bei der Geruchsausstellung zum Beispiel. Wir hatten eine Installation, einen großen, weißen Raum, in dem Achselschweiß auf die Wände appliziert wurde. Der Schweiß war synthetisch hergestellt, und das erste Mal, als ich in diesen Raum reinkam, hat es für mich einfach nur gestunken – furchtbar gestunken! Ich musste den Raum sofort wieder verlassen. Die Künstlerin, die dafür verantwortlich war, sagte dann zu mir, dass es eigentlich keine schlechten Gerüche gäbe, sondern nur Vorurteile. Man sollte daher versuchen, seine Vorurteile über angeblich schlechte Gerüche zu überwinden. Das habe ich dann probiert. Ich bin wieder und wieder in den Raum gegangen, und am Schluss konnte ich den Geruch tatsächlich anders wahrnehmen. Bei jedem Schweißgeruch konnte ich dann sagen, aus was für Elementen er zusammengesetzt ist: Ob er eine Grasnote enthält oder etwas anderes. Das war schon eine tolle Erfahrung, durch die ich gelernt habe, besser zu riechen.
Zisch: Welcher Teil der Ausstellung kommt bei Kindern am besten an? Welcher bei Erwachsenen?
Wetzel: Sehr beliebt ist der Ballonraum. Der macht allen Spaß – erstaunlicherweise nicht nur Kindern, sondern auch Erwachsenen. Als ich zu Beginn der Ausstellung mit den Journalisten durch die Ausstellung ging, habe ich die kaum mehr aus diesem Ballonraum rausbekommen. Das hat mich auch etwas überrascht.
Zisch: Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen dieser Ausstellungsreihe und den Werken Jean Tinguelys?
Wetzel: Die Gemeinsamkeiten wären zum Beispiel der gerade angesprochene Ballonraum, der nämlich von Tinguely 1962 für eine Ausstellung in Amsterdam erstmals eingerichtet wurde. Wir schauen immer, dass es da diese Beziehungen gibt. Es gab auch mal eine Zeichnungsmaschine, die er 1959 in Paris vorgeführt hat. Die war mit einem Benzinmotor betrieben und hat gestunken. Tinguely wollte, dass sie besser riecht, und hat deshalb Maiglöckchenduft in den Benzintank dazu gemischt.
Zisch: Welchen Sinn werden wir nächstes Jahr hier erforschen können?
Wetzel: Nächstes Jahr gibt es keinen Sinn. Nächstes Jahr bauen wir im Museum ein bisschen um und haben ein paar kleinere Ausstellungen. Das nächste Projekt aber wird der Geschmackssinn sein. Das ist zwar noch nicht so genau definiert, wird aber vermutlich eine etwas andere Form der Präsentation haben. Wir wollen zum Beispiel die Esskultur an verschiedenen Orten auf dieser Welt mit einbeziehen und andere Essgewohnheiten vorstellen. Das wird aber wahrscheinlich erst 2018 der Fall sein.

Ressort: Zisch-Texte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 24. Juni 2016: PDF-Version herunterladen

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