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Abschied

Tschüss, Telefonzelle!

Jannik Jürgens
  • dpa &

  • So, 03. Februar 2019, 20:16 Uhr
    Panorama

     

In den 1970er Jahren gab es noch rund 160.000 Häuschen, heute nur noch ein Zehntel. Dass die öffentlichen Fernsprecher verschwinden, kritisieren unter anderem Seniorenverbände.

Postgelb oder magentafarben? Ein Friedhof für ausrangierte Telefonzellen. Foto: dpa
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Was für einige das Ende eines geliebten Stücks Alltagskultur ist, ist für die Telekom eine Frage der Wirtschaftlichkeit: Die Telefonhäuschen in Deutschland und damit auch in Südbaden verschwinden. Geringe Nutzerzahlen machen sie oft zu einem Zuschussgeschäft. Inzwischen gibt es laut Telekom nur noch 17 000 öffentliche Telefonstationen. Tausende ausrangierte Zellen warten auf ihre Verschrottung.

"Wird nicht telefoniert, wird das Telefon abgebaut. Alles ande re wäre eine Verschwendung von Ressourcen." Markus Jodl, Telekom
Nach Zahlen der Bundesnetzagentur hat die Telekom zuletzt pro Jahr zwischen 2000 und 5000 Telefonzellen abgebaut. Im Jahr 1992 gab es in Deutschland noch rund 120 000 öffentliche Telefone, in den 1970er und 1980er Jahren sollen es sogar rund 160 000 gewesen sein. Für Telekom-Sprecher Markus Jodl liegt die Zukunft der Telefonzellen in der Hand der Nutzer: "Wird nicht telefoniert, wird das Telefon abgebaut. Alles andere wäre eine Verschwendung von Ressourcen."

Die Telekom hat den Auftrag zur Grundversorgung. Doch sie darf Telefonzellen abbauen, wenn der Monatsumsatz weniger als 50 Euro beträgt, die betroffene Kommune zustimmt und die Bundesnetzagentur informiert wird. In St. Blasien baute die Telekom im Jahr 2017 zwei Telefonzellen ab, in Menzenschwand kündigte sie den Abbau ebenfalls an, doch das Häuschen steht momentan noch.

Etliche Gemeinden nehmen den drohenden Verlust ihrer Telefonzelle keineswegs widerspruchslos hin. Schließlich gehört der magentafarbene Kasten schon lange dazu. Die Telekom bietet dann oft "Basistelefone" an: einfache Telefonstelen, die mit Kreditkarte oder einer Calling-Card bedient werden. Münzen funktionieren dann allerdings nicht mehr. Und: Auch die Basistelefone können abgebaut werden. Das versucht die Gemeinde Münstertal aktuell zu vermeiden. In einem Funkloch am Spielweg steht dort ein Basistelefon – trotzdem sei der Umsatz laut Hauptamtsleiter Christoph Blattmann meist bei Null. Sobald die neue Funkantenne steht, will die Gemeinde der Telekom aber erlauben, abzubauen.

Für manche Seniorenverbände sind die Telefonhäuschen ein "zentrales Thema"

Einer, der sich nicht mit dem "Telefonhäuschen-Kahlschlag" der Telekom abfinden will, ist der 79-jährige Klaus-Dieter Meyer. Seit 19 Jahren kämpft der frühere Vorsitzende des Seniorenbeirats der Region Hannover für den Erhalt des guten alten Telefonhäuschens – speziell in seiner Heimat Laatzen. "Ich bin der Auffassung, dass Telefonzellen weiterhin in angemessener Form vorgehalten werden müssen." Vor allem ältere Menschen seien auf Telefonzellen angewiesen. Mit Handys seien viele überfordert.

Die Ausdünnung des Netzes ist auch für das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) ein "zentrales Thema", betont ihr geschäftsführender Vorsitzender Helmut Kneppe. Die Organisation, wisse, wie wichtig das Telefon für Ältere sei. Zwar sei auch ihm klar, dass man "nicht mehr flächendeckend Telefonzellen wird vorhalten" können. "Der komplette Abbau wäre aber nicht zielführend."

Zu altersgerechten städtischen Lebensräumen gehörten nun mal Anlaufpunkte für Ältere, wo sie in Notfällen um Hilfe bitten könnten. Wo die Telefonzelle künftig aus dem Stadtraum verschwinde, müsse es andere Anlaufpunkt für Senioren geben, wo sie telefonieren könnten. "Das könnten beispielsweise Cafés, Sparkassenfilialen oder Treffpunkte mit öffentlichen Telefonen sein", schlägt er vor.

Die Kulturhistorikerin Lioba Nägele vom Museum für Kommunikation in Frankfurt beobachtet aber auch eine Verklärung der Telefonzelle. Vor allem für heute 50- und 60-Jährige steckten die gelben Häuschen voller Erinnerungen – an die heimlichen Telefonate mit der Angebeteten aus Schülertagen. Doch Nägele gibt zu bedenken, dass an den gelben Zellen früher nicht alles Gold war: "Man vergisst leicht, wie viel über die Telefonzellen früher gemeckert wurde. Oft roch es ausgesprochen unangenehm. Und im Telefonbuch war immer die Seite herausgerissen, die man dringend brauchte." Wer gar nicht loslassen kann: Die magentafarbenen Häuschen kann man bei der Telekom kaufen. Preis: 600 Euro.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mo, 04. Februar 2019: PDF-Version herunterladen

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