"Um gut leben zu können, braucht es wenig"

ZISCHUP-INTERVIEW mit Dennis Fritsch von den Vereinten Nationen darüber, dass der Klimawandel mancherorts schon täglich an die Tür klopft.  

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Dennis Fritsch Foto: privat

Die Klimakrise war in aller Munde – und dann kam Corona. Milena Krumm, Schülerin der Klasse 9a des Marie-Curie-Gymnasiums in Kirchzarten, wollte wissen, was jetzt mit dem Klima ist. Dazu befragte sie Dennis Fritsch, der im Umweltprogramm der Vereinten Nationen arbeitet.

Zischup: Herr Fritsch, wie haben Sie beruflich mit dem Klimawandel zu tun?
Fritsch: Ich arbeite im Umweltprogramm der Vereinten Nationen, dem UN Environment Programme. Speziell mein Team arbeitet viel mit Organisationen wie Investoren, Banken und Versicherern zusammen, welche generell ihr Geld anlegen und in Firmen investieren und damit auch einen großen Einfluss auf diese Firmen haben. Bei der UN arbeiten wir zusammen mit diesen Investoren, um mit deren Einfluss den Klimawandel und andere Umweltprobleme zum Besseren zu drehen. Der Schwerpunkt meiner Arbeitsgruppe liegt bei den Ozeanen – und wie der negative Einfluss von Investitionen auf die Ozeane verringert werden kann oder sogar wie Meeresschutzgebiete nachhaltig finanziert werden können.


Zischup: Beschäftigt Sie der Klimawandel auch in Ihrer Freizeit?
Fritsch: Ja, ganz klar. Von Haus aus bin ich Biologe, und das Thema Nachhaltigkeit und Klima bewegt und begleitet mich schon ewig. Ich versuche, so weit wie möglich nachhaltig zu leben. Beispielsweise vermeide ich Plastik und wo es möglich ist, auch das Fliegen. Überwiegend bewege ich mich fort mit Bus und Bahn und hier in Freiburg natürlich mit dem Fahrrad.

Zischup: Nehmen Sie auch an Demonstrationen wie "Fridays for Future" teil?
Fritsch: Ja. Die vergangenen sieben Jahre lebte ich in London. Hier gibt es eine Bewegung, ähnlich FFF. Sie heißt "Extinction Rebellion". Da habe ich bei ein paar Aktionen, die ich unterstützen wollte, teilgenommen. Das fand ich richtig gut!
Zischup: Die Corona-Pandemie ist zurzeit Gesprächsthema Nummer 1. Ist der Klimawandel nicht mehr so präsent bei den Menschen?
Fritsch: Das ist eine gute Frage. Aber ich denke, bei den Menschen, die wirklich damit arbeiten, bleibt das Thema nach wie vor an erster Stelle. Betrachtet man die täglichen Nachrichten für die allgemeine Bevölkerung, ist da nun überwiegend Corona das Topthema. Ich glaube, die Nachrichten sind hier schon noch dran, jedoch ist der Klimawandel für viele ein schwieriges Thema. Besonders in Deutschland, weil man nicht täglich davon Notiz nimmt. Es ist noch nicht so extrem wie in Afrika, auf karibischen Inseln oder in Südostasien, wo der Klimawandel wirklich tagtäglich an die Tür der Menschen klopft. Das Hochhalten der Aufmerksamkeit der Menschen ist nicht leicht, deswegen muss ich sagen, macht FFF das richtig gut, die lassen auch nicht nach. Das finde ich super und auf jeden Fall notwendig.

Zischup: Finden Sie, dass Corona im Moment einfach wichtiger ist?
Fritsch: Ich verstehe schon, dass der Fokus auf der Corona-Pandemie liegt. Aber natürlich darf der Klimawandel und der Verlust der Biodiversität nicht vergessen werden. Der Mensch greift in so viele natürliche Habitate ein. Genaugenommen ist der Mensch dafür verantwortlich, dass es überhaupt die Corona-Pandemie gibt. Greta Thunberg sagte ebenfalls sehr oft, die Klimakrise ist genauso eine Krise wie die Corona-Krise. Aber sie wird leider nicht wie eine behandelt. Wir sehen jetzt während Corona, was passieren kann, wenn man schnell genug handelt und wenn Politiker schnell eine Richtung vorgeben. Das hat ja verhältnismäßig gut funktioniert. Und wenn man genau so die Klimakrise behandeln würde, dann sähe das auch anders aus.

Zischup: Durch die Corona-Pandemie wurde einiges lahmgelegt und ausgebremst. Ergaben sich dadurch positive Auswirkungen auf den Klimawandel?
Fritsch: Ja, zum einen merken viele Menschen, dass sie ohne Fliegen doch überleben können und auch ohne täglich neue Klamotten zu kaufen. Dass man viel weniger benötigt, um gut leben zu können, und dass viele Menschen merken, wie wertvoll es ist, hinaus in die Natur gehen zu können. Diese Freizeitbetätigung hat einen neuen Wert erhalten. Das ist auf jeden Fall eine wichtige Lehre aus dieser Sache. Das einzige Problem, was ich momentan wahrnehme: Viele Menschen nutzen momentan lieber ihr Auto als die öffentlichen Verkehrsmittel. Im eigenen Auto ist das Ansteckungsrisiko einfach nicht da.

Zischup: Ich habe gelesen, dass die CO2-Emissionen seit der Pandemie um vier bis sieben Prozent gesunken sind. Worauf würden Sie das zurückführen?
Fritsch: Das ist ja die wichtige Frage! Was nahezu komplett aufgehört hat, war der Tourismus mit Flügen und weiten Autofahrten. Betrachtet man ehrlich diese vier bis sieben Prozent, ist die CO2-Einsparung gar nicht so hoch, im Vergleich zu all dem, was geschlossen werden musste und nicht mehr stattfand. Man muss sich in diesem Zusammenhang fragen, wo werden die meisten Emissionen produziert? Beispielsweise bei der Herstellung von Nahrungsmitteln wie der Viehzucht. Ebenfalls die Emissionen der Industrie sind weiter gestiegen. Sie produziert viel mehr Emissionen als ein einfacher Haushalt. Natürlich heißt das nicht, dass ein einzelner Haushalt nichts erreichen kann. Das bedeutet auch, dass wir mit FFF die Politik mehr drängen müssen, dass Regelungen und Gesetze für die Industrie verabschiedet werden, und zwar schnell.

Zischup: Wenn die Krise vorüber ist, wird das Reisen wieder möglich sein. Glauben Sie, dass die Emissionen dann wieder steigen werden?
Fritsch: Das ist eine schwierige Frage. Ich sage: Nein, die Emissionen steigen nicht wieder an! Das meine ich in der Hoffnung, dass viele Menschen verstehen, dass sie ihre Art und Weise zu leben ändern können. Ehrlicherweise denke ich jedoch, dass zumindest für ein paar Monate oder Jahre nach Ende der Corona-Krise die Emissionen steigen werden, weil viele Staaten global ihre Wirtschaft ankurbeln wollen. Nur die EU hat momentan einen relativ guten Plan, das Thema nachhaltig anzugehen. Die meisten anderen Staaten sind hier nicht so gut aufgestellt. Ich vermute hier eine Rückkehr in das "Business as usual". Das ist in Bezug auf die Emissionen eine Gefahr.

Zischup: Wird sich Ihr persönlicher ökologischer Fußabdruck nach der Pandemie verkleinern? Was wollen Sie persönlich ändern oder beibehalten?
Fritsch: Ich arbeite fast zu 100 Prozent im Homeoffice. Ich muss nur manchmal nach Genf ins Büro. Normalerweise sind alle Meetings online. Ich hoffe, dass diese Flexibilität bleibt. Bezogen auf das Fliegen wird die Pandemie helfen, auch wenn es sich schlecht anhört. Und wenn ein Auto benötigt wird, könnte man sich nachhaltigere Optionen anschauen. Wir mussten uns dieses Jahr ein neues Auto anschaffen und haben uns für ein Elektroauto entschieden. Das hat wunderbar funktioniert.
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