Um Seriosität bemüht

In Italien steht mit der ultrarechten Giorgia Meloni erstmals eine Frau an der Spitze einer Regierung / Störfaktor Berlusconi.  

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Giorgia Meloni ist nun im Amt.  | Foto: ANDREAS SOLARO (AFP)
Giorgia Meloni ist nun im Amt. Foto: ANDREAS SOLARO (AFP)
. Im ersten Stock des Palazzo Chigi wartete Mario Draghi. Langsamen Schrittes stieg Giorgia Meloni den roten Teppich hinauf, an dessen Ende ihr Vorgänger die neue Ministerpräsidentin Italiens per Handschlag empfing. "Eine emotional bewegende Angelegenheit", kommentierte Meloni ihren Empfang am Amtssitz der Regierungschefs in Rom. Am Samstag waren Meloni und ihr Kabinett, die 68. Regierung der Nachkriegszeit, vereidigt worden. Am Sonntag fanden im Palazzo Chigi die Amtsübergabe und die erste Sitzung des Ministerrats statt. Draghi wurde mit Applaus von seinen Mitarbeitern verabschiedet. Am Dienstag finden die Vertrauensabstimmungen in beiden Kammern des Parlaments statt. Dort hat die Rechts-Koalition aus Melonis Fratelli d’Italia, Lega und Silvio Berlusconis Forza Italia die absolute Mehrheit.

Die Regierung Meloni nimmt die Arbeit unter besonders schwierigen Bedingungen auf: Energiekrise, Inflation, Ukraine-Krieg. Prioritäten sind nun der Kampf gegen die hohen Energiepreise sowie die Ausarbeitung und Verabschiedung des Haushaltsgesetzes für 2023. Premierministerin Meloni will seit dem Wahlsieg ein Bild besonderer Seriosität und Beflissenheit vermitteln. Erkennbar versuchte Meloni die internationale Skepsis angesichts der ultrarechten Ausrichtung ihrer Partei zu zerstreuen. Ihre Kommunikation seit dem Wahlsieg war knapp, ausgelassen gefeiert wurde nicht, öffentliche Auftritte gab es kaum. Die erste Ministerpräsidentin Italiens, vor Kurzem noch für ihre aggressiven Auftritte bekannt, scheint schon jetzt eine gewisse Metamorphose hinter sich zu haben.

Die Besetzung des Kabinetts macht verschiedene Stoßrichtungen der neuen Regierung deutlich. Zu beobachten ist zum einen die Bemühung um Kontinuität mit der Vorgängerregierung von Mario Draghi, die vor allem in der Besetzung des Wirtschafts- und des Außenressorts zu erkennen ist. An beiden Personalien hatte Staatspräsident Sergio Mattarella als Garant der internationalen Verträge Italiens ein besonders Interesse. Der neue Wirtschafts- und Finanzminister Giancarlo Giorgetti ist Vizechef der rechtspopulistischen Lega, aber auch ein von Ex-Premier Draghi geschätzter Finanzfachmann und dessen früherer Minister für wirtschaftliche Entwicklung. Giorgetti gilt innerhalb der Lega als Mann der Institutionen und als kooperativ mit der EU. Der Austritt der Lega aus der Regierung Draghi ging auf das Konto von Parteichef Matteo Salvini, Giorgettis parteiinternen Widersacher.

Kontinuität in der Verankerung Italiens als Alliierter des Westens und der Nato verspricht Antonio Tajani (Forza Italia) als Außenminister. Der frühere Vorsitzende des Europaparlaments drückte als erste Amtshandlung seinem ukrainischen Amtskollegen Italiens Solidarität aus. Das Telefonat war auch eine Reaktion auf Parteichef Silvio Berlusconi, der unlängst mit seiner wiederbelebten Freundschaft zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin geprahlt und damit Zweifel an Italiens Ukraine-Politik genährt hatte. Kontinuität verspricht der neue Minister für Umwelt und Energiesicherheit Gilberto Pichetto Fratin (Forza Italia). Er kündigte an, Draghis Energiepolitik weiterzuführen.

Die auf den ersten Blick drastischste Personalentscheidung Melonis ist die Nominierung von Eugenia Roccella (Fratelli d’Italia) als Ministerin für Familie und Geburten. Die frühere Frauenrechtsaktivistin ist seit Jahren eine der führenden Figuren der sogenannten Pro-Life-Bewegung in Italien und eine militante Abtreibungsgegnerin. Die 68-Jährige lehnt die "Pille danach", rasche Scheidungen sowie die Sterbehilfe ab und spricht sich gegen Rechte für sexuelle Minderheiten aus. Auf diesem gesellschaftspolitischen Gebiet könnte sich Italien unter Meloni stark verändern.

Signale in Richtung einer nationalistischen Politik sendet Meloni mit der Umbenennung einiger Ministerien. Das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung heißt nun Ministerium für Unternehmen und Made in Italy; das Landwirtschaftsministerium wird zum Ministerium für Nahrungsmittelsouveränität.

Wie viel Veränderung Meloni gelingt, hängt von der Dauer ihrer Regierungszeit und dem Kalkül ihrer beiden Koalitionspartner ab. Lega-Chef Salvini versprach zwar "fünf gemeinsame Jahre", hat aber die beiden jüngsten Regierungen mit Beteiligung der Lega platzen lassen. Immer weniger berechenbar ist auch Forza-Italia-Chef Berlusconi. Seinen schleichenden Machtverlust hat der viermalige Ex-Premier sichtbar nicht verwunden. Schon vor der Vereidigung torpedierte er Melonis Seriositäts-Offensive mit seinem Lob für Putin.
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