Aserbaidschan-Affäre
Urteil in Korruptionsprozess: Bewährungsstrafe für CSU-Mann
Um Entscheidungen im Europarat zu beeinflussen, soll Aserbaidschan Abgeordnete bestochen haben. Ein CSU-Mann hat die Weiterleitung von Geld eingeräumt. Nun gibt es ein Urteil in dem Fall.
dpa
Mi, 30. Jul 2025, 13:57 Uhr
Politik Inland
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Quelle: Deutsche Presse-Agentur (dpa).
Die BZ-Redaktion hat diese Meldung nicht redaktionell bearbeitet.
München (dpa) - Im Korruptionsprozess rund um den Kauf von Abgeordneten-Stimmen durch Aserbaidschan ist der frühere CSU-Bundestagsabgeordnete Eduard Lintner zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Das Münchner Oberlandesgericht folgte der Argumentation der Generalstaatsanwaltschaft, dass sich der heute 80-Jährige der Bestechung von Mandatsträgern schuldig gemacht hat. Die Verteidigung hatte vergeblich auf Freispruch plädiert. Lintner deutete nach dem Urteil an, Revision dagegen einzulegen. "Wir überlegen uns das schon ernsthaft", sagte er.
Aserbaidschan soll sich laut Anklage jahrelang – und das erfolgreich – bemüht haben, Entscheidungen in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE) mit Hilfe von Geldzahlungen zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Und zwar teils auch mit Hilfe Lintners, der 33 Jahre lang im Bundestag saß, zeitweise Parlamentarischer Staatssekretär und bis 2010 PACE-Mitglied war.
Gericht: Lintner handelte aus Eigeninteresse
Denn nach Überzeugung des Gerichts spielte Lintner eine maßgebliche Rolle, als Aserbaidschan sich die Stimmen einer inzwischen verstorbenen CDU-Bundestagsabgeordneten kaufte. Lintner habe dabei "wesentliche objektive Beiträge geleistet", sagte der Vorsitzende Richter Jochen Bösl. Er habe eine Hauptrolle gespielt und an der Vereinbarung auch ein Eigeninteresse verfolgt: "Er hat ein wirtschaftliches Interesse an der Aufrechterhaltung seiner Geschäftsbeziehung zu den Aserbaidschanern gehabt." Lintner selbst soll für - jedoch nicht strafbare - Lobbyarbeit zuvor Millionensummen bekommen haben.
Tatsächlich hatte Lintner am Ende die Weiterleitung von aserbaidschanischen Geldzahlungen an die CDU-Frau eingeräumt. Diese sollte dafür Entscheidungen im Sinne Aserbaidschans beeinflussen, nachdem Lintner selbst nicht mehr Mitglied des Europarats war. Erste Zahlungen aus Aserbaidschan an die CDU-Politikerin flossen auch über eine Firma Lintners, ein Beratervertrag sollte dies verschleiern. "Das war ein Fall des klassischen Stimmenkaufs", sagte Bösl.
Lintner verteidigte sich nach dem Urteil, wie schon im Verfahren, erneut mit den Worten: "Meiner Meinung nach habe ich Lobbyismus praktiziert, wie er alltäglich in den Parlamenten stattfindet." Der Sachverhalt sei ja unstreitig, "nur die rechtliche Bewertung, da gehen halt die Meinungen auseinander". Mit Blick auf die CDU-Politikerin sagte er: "Wir haben sie ja nicht gezwungen zu irgendwas, sondern sie hat nach ihrer Überzeugung entschieden."
Das Gericht geht in seinem Urteil jedenfalls davon aus, dass Lintner bei der entscheidenden Vereinbarung zwischen der CDU-Politikerin und der aserbaidschanischen Seite im Herbst 2014 in einem Hotel in Straßburg dabei war. Bei dem Treffen seien die Geldzahlungen vereinbart worden – und die Vereinbarung habe zeitlich unbegrenzt, also "bis auf Weiteres" gelten sollen, sagte der Vorsitzende Richter Bösl. Tatsächlich ist schon das Anbieten oder Versprechen eines "ungerechtfertigten Vorteils" strafbar.
"Abgeordnete hat sich kaufen lassen"
Dies ist deshalb entscheidend, weil das Gericht die Vorwürfe gegen Lintner damit nicht als verjährt ansieht. Zum einen, weil die Vereinbarung immer weiter gegolten habe. Und das, obwohl nur die ersten Geldzahlungen an die CDU-Frau über Lintners Firma flossen – anschließend wurde auf Barzahlung umgestellt. Zum anderen geht das Gericht eben vom entscheidenden Treffen im September aus. Die Verteidigung hatte dagegen argumentiert, die ursprüngliche Vereinbarung sei schon Anfang 2014 getroffen worden, und damit vor einer Verschärfung des Abgeordnetenbestechungs-Paragrafen im Strafgesetzbuch.
Der Vorsitzende Richter fasste zusammen, der CDU-Politikerin sei Geld dafür geboten worden, dass sie ihr Abstimmungsverhalten an den Interessen der Geldgeber ausrichtet und sich für das Land einsetzt, sowohl in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats als auch im Bundestag. Hier habe sich tatsächlich eine Abgeordnete "kaufen lassen", sagte Bösl. "Die hat Geld dafür gekriegt, dass sie im Sinne Aserbaidschans abstimmt."
Das Gericht entschied in seinem Urteil zudem, dass bei den Erben der CDU-Politikerin gut 111.000 Euro eingezogen werden sollen - die Summe, die sie mindestens erhalten haben soll. Lintner selbst erhielt neben der Bewährungsstrafe eine Geldauflage von 10.000 Euro.
Lintner sah normalen Lobbyismus
Lintner hatte am Ende des Prozesses bekräftigt, er sei sich keiner Straftat bewusst gewesen, es habe sich um normalen Lobbyismus gehandelt.
Bösl sagte dazu, normaler Lobbyismus sei möglicherweise das, was Lintner schon früher für Aserbaidschan getan habe. Tatsächlich lagen frühere Geldzahlungen Aserbaidschans an Lintner in Millionenhöhe für umfangreiche Lobbyarbeit nach Worten Bösls nicht im strafbaren Bereich.
Die stellvertretende Vorsitzende der Organisation Transparency Deutschland, Margarete Bause, begrüßte das Urteil: "Dass einer der Beteiligten der Aserbaidschan-Affäre nun zur Rechenschaft gezogen wurde, ist ein wichtiges Zeichen zum Schutz unserer demokratischen Institutionen und gegen strategische Korruption", sagte sie. Denn die Käuflichkeit von Mandatsträgern durch autokratische Staaten bedrohe das demokratische System.
Verfahren gegen weiteren Ex-Abgeordneten abgetrennt
Neben Lintner waren in dem Prozess zunächst auch der Ex-CDU-Bundestagsabgeordnete Axel Fischer aus dem Wahlkreis Karlsruhe-Land und zwei weitere Beschuldigte angeklagt. Fischer, dem Bestechlichkeit vorgeworfen wird, hat die Vorwürfe bestritten – wie Lintner anfangs auch. Es gilt die Unschuldsvermutung. Nach einer Erkrankung Fischers und einer längeren Unterbrechung wurde das Verfahren gegen ihn abgetrennt – dieses muss später ganz neu starten. Das Verfahren gegen die zwei weiteren Mitbeschuldigten wurde gegen Zahlung von Geldauflagen vorläufig eingestellt.
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