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Abschiebungen in Südbaden

Vier Beispiele für abgelehnte Asylanträge aus der Region

  • Do, 02. Februar 2017, 10:19 Uhr
    Südwest

Sie kommen aus Gambia oder dem Kosovo – sind aber heimisch in Deutschland, haben hier Arbeit, kicken im Fußballverein, gehören dazu. Manchmal müssen sie trotzdem wieder gehen. Vier Fälle aus der Region zeigen, was ein abgelehnter Asylantrag bedeutet.

Vier Fälle aus der Region zeigen, was ein abgelehnter Asylantrag für die Existenzen dieser Menschen bedeutet. Foto: dpa
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Es sind Fälle, die viele Menschen bewegen und Flüchtlingshelfern Tränen der Verzweiflung in die Augen treiben: Immer wieder müssen Menschen ihre Koffer packen und Deutschland verlassen, weil ihre Asylanträge abgelehnt werden – und das, obwohl sie Musterbeispiele der Integration sind. Doch im Asylrecht geht es um Schutz vor Krieg und Verfolgung; die Grenzen sind eng gesteckt. Die Hintergründe und die Härten solcher Entscheidungen machen vier Beispiele aus Südbaden deutlich.

Der verlobte Fußballspieler vom Hochrhein
Am Hochrhein sorgt gerade der Fall eines jungen Gambiers für Gesprächsstoff und Solidaritätsbekundungen: Foday Sanneh lebt seit 2014 in Rheinfelden; nun droht ihm die Abschiebung. Das hat vor allem damit zu tun, wie der 20-Jährige seine Flucht begründet: Sanneh kann keine politische Verfolgung in Gambia nachweisen, sondern gibt wirtschaftliche Motive an. "Es gab viele Gründe, aber vor allem wollte ich meinen Eltern und meinen beiden kleinen Geschwistern helfen, indem ich ihnen Geld schicke." Dies ist in Deutschland kein Asylgrund. Nun ist es aber so, dass der junge Afrikaner im Kreis Lörrach bestens integriert ist.

Er lebt mit seiner – deutschen – Verlobten zusammen, spielt seit 2015 Fußball beim FV Degerfelden und macht eine Ausbildung zum Anlagen- und Maschinenführer. Sein Arbeitgeber, der Messtechnikhersteller Endress + Hauser, unterstützt seinen Härtefallantrag mit einem Empfehlungsschreiben. Der Grünen-Landtagsabgeordnete Josha Frey hat angekündigt, den Innenminister um Hilfe zu ersuchen, falls der Antrag abgewiesen wird.

St. Märgen: Traumatisierung ist kein Asylgrund
Die trüben Aussichten teilt die Familie Beqiri aus St. Märgen mit vielen Flüchtlingen aus dem Kosovo: Ihr Asylantrag wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnt. Die zentrale Begründung für diese Entscheidung lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Der Kosovo ist ein Herkunftsland, das die deutsche Politik als sicher einstuft. Auch die schwere Traumatisierung der Mutter, hervorgerufen durch Kriegserlebnisse, ist kein Grund für einen positiven Asylbescheid. Die Frau, so die deutschen Behörden, kann auch im Kosovo behandelt werden. Der Fall der Beqiris sorgte im vergangenen Spätsommer weit über die Region hinaus für Aufmerksamkeit.

Die Familie gilt als ein Musterbeispiel für das gelungene Hineinwachsen von Migranten in eine Dorfgemeinschaft: Der Vater hat Arbeit, die Mutter konnte sich durch psychotherapeutische Behandlung stabilisieren, die Kinder gehen zur Schule und sind im Vereinsleben aktiv. Seit August 2016 liegt das Schicksal der Familie in den Händen der Härtefallkommission.

Bauhelfer in Handschellen: Keine Heimat Kaiserstuhl?
Der 41-jährige Flüchtling Badinding Jaiteh hat alle Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integration: Der Gambier arbeitet hart und lernt schnell. Im Baubetrieb von Erwin Meier in Eichstetten steigt er im Januar 2016 auf Empfehlung als Praktikant ein. Die Kaiserstühler sind zufrieden und stellen ihn als Bauhelfer an. Am 19. Oktober holt ihn die Bundespolizei in seinem Zimmer ab und bringt ihn in Handschellen nach Frankfurt. Dort wird er in ein Flugzeug nach Mailand gesetzt. Der Grund: Jaitehs Aufenthaltserlaubnis ist abgelaufen. Er wird nach Italien abgeschoben, dem EU-Land, wo er 2008 erstmals als Flüchtling registriert wurde. Seine Arbeitgeber sind geschockt.

Wenig später gelangt Jaiteh erneut mit dem Zug nach Südbaden. Zum zweiten Mal stellt er einen Asylantrag. Seit dem 27. Januar 2017 darf er wieder bei den Meiers arbeiten. Vorausgegangen waren viele Behördengänge. Ob Jaiteh bleiben darf, ist ungewiss. Seine Chefin Beate Meier bürgt für ihn und sagt: "Auch aus Unternehmersicht muss es möglich sein, dass integrationswillige Flüchtlinge eine Chance bekommen und bleiben dürfen."

Siebenköpfige Familie muss von Freiburg zurück nach Serbien
Vor zwei Jahren sorgte eine Abschiebung aus Freiburg für großen Protest: Sadbera Ametovic und ihre sechs kleinen Kinder mussten nach zwei Jahren in Freiburg zurück nach Serbien. Sie sind Roma und hatten ohne individuelle politische Verfolgung keine Chance im Asylverfahren. Die Unterstützer rund um das Freiburger Jugendhilfswerk hatten auf den schlechten Gesundheitszustand der Ametovics hingewiesen und ein Bleiberecht aus humanitären Gründen gefordert.

Umso mehr, weil die psychisch labile Sadbera Ametovic auf Unterstützung bei der Erziehung angewiesen war – einen Wegfall schätzte das Jugendamt als Gefährdung des Kindeswohls ein. Zwei Jahre nach der Abschiebung leben die Ametovics immer noch im Roma-Lager Nis. Das Jugendhilfswerk hatte woanders ein Haus für sie gekauft, doch dort scheint die Mutter allein nicht zurechtzukommen.

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Ressort: Südwest

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