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Poppen & Ortmann

Vier Kostproben aus dem neuen Buch zeigen die Vielfalt der BZ-Geschichte

Wulf Rüskamp
  • Thomas Schnabel &

  • Mi, 14. Dezember 2022, 13:36 Uhr
    Wir über uns

Ein tragisches Opfer der Gleichschaltung 1933, eine technische Weltneuheit 1910, kreative Problemlösung im Mangel der Nachkriegsjahre und der Wert der Pressefreiheit: Vier Beispiele aus der BZ-Geschichte.

175 Jahre auf 300 Seiten: Ein Buch beleuchtet die Vergangenheit der Verlegerfamilie Poppen und Ortmann. Foto: PO&BZ
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1. Ein Tragisches Schicksal

Gaston Heymann war Opfer der Gleichschaltung durch die Nationalsozialisten. Die Freiburger Zeitung würdigte ihren jüdischen Autor. Wenige Jahre später brachte er sich um.

Ein besonders tragisches Opfer der Gleichschaltung der Freiburger Zeitung seit Januar 1933 war Gaston Heymann, der unter dem Pseudonym Helland zahlreiche Leitartikel verfasst hatte und von dem sich die Zeitung zu trennen hatte. Am 26. März 1933 schrieb er seinen letzten Beitrag mit dem Titel "Präventivkrieg?". Die Schriftleitung teilte im Vorspann ihren Lesern mit, Helland verlasse Berlin und sehe sich außerstande, weiter einer schriftstellerischen Tätigkeit nachzugehen.

Daran schloss sich eine außergewöhnliche Würdigung an: "Seine Betrachtungen über innen- und außenpolitische Fragen zeichneten sich stets aus durch Ehrlichkeit der Ueberzeugung, Gründlichkeit und Vielseitigkeit des Wissens, Objektivität der Einstellung, Großlinigkeit, durch Eigenart des Stils und Unbestechlichkeit des Urteils – Eigenschaften, die umso höher zu werten sind, als sie nicht gerade Allgemeingut der deutschen Presse sind."

Heymann war Sohn reicher, in Paris wohnender deutscher Eltern. "Er hatte bei Kriegsausbruch [1914] die Wahl gehabt, sich zu den Franzosen zu bekennen oder als Deutscher behandelt zu werden. Er wählte das letztere. Dafür nahmen ihm die Franzosen das elterliche Vermögen weg und steckten ihn in die Kerker von Constantine in Marokko. Als völlig mittelloser zu 40 Prozent Kriegsbeschädigter kam er nach Freiburg, wo er mit der Freiburger Zeitung in ein Mitarbeiterverhältnis trat, das anhielt, auch als der Leidende endlich in Berlin eine bescheidene Existenz fand", hieß es im Text der Freiburger Zeitung.

Heymanns Leben endete auf tragische Weise. Nach einem missglückten Überfall auf eine Bank in Basel, bei dem ein Mitarbeiter schwer verletzt worden war, brachte er sich am 18. November 1935 um. Der Bericht der Neuen Basler Zeitung darüber gab auch Auskunft über den Lebenslauf Heymanns. So habe Heymann 1929 "ein bekanntes und gefeiertes Mitglied des Freiburger Stadttheaters, Claire Wilke", geheiratet.

Als die Nationalsozialisten ans Ruder kamen, verließ Heymann 1933 seine Heimat, lebte eine Zeitlang im Kanton Baselstadt und in Neu-Allschwil (Baselland), danach in Straßburg. Dort, so die Zeitung seinerzeit, habe er "sich wiederholt mit dem Gedanken, Selbstmord zu begehen, getragen und diesen auch geäußert".

2. Die Weltneuheit zu Ostern 1910

Poppen & Ortmann hat immer wieder Technikgeschichte geschrieben: Beispielsweise mit dem Rotationstiefdruck.

In der Entwicklung ihrer Drucktechnik war die Firma H. M. Poppen & Sohn nach dem Eintritt des neuen Teilhabers Max Ortmann im Jahr 1893 sehr aktiv geworden. Eine besondere Rolle spielte dabei der Rotationstiefdruck, eine Erfindung des Naturwissenschaftlers Eduard Mertens aus Berlin. 1908/09 wurde das Mertens’sche Laboratorium nach Freiburg verlegt, und es kam bald schon zur ersten Zusammenarbeit mit Ortmann. Im Jahr darauf versuchte man gemeinsam, eine (im Zeitungsdruck damals übliche) Hochdruck- und eine Tiefdruck-Rotationsmaschine zusammenzukoppeln – mit großem Erfolg: Am 1. April 1910 erschien weltweit erstmalig eine Zeitung mit Seiten im Tiefdruck – die Osterausgabe der Freiburger Zeitung.

Dabei wurden Text und Tiefdruck-Illustrationen in einem einzigen Druckverfahren hergestellt, und zwar in der Kombination von Hoch- und Tiefdruck. "Der Text war im üblichen Rotationsdruck hergestellt, während die Abbildungen im Rotationstiefdruckverfahren eingefügt worden waren. Die Rotationsmaschine lief mit bis zu 10.000 Walzenumdrehungen pro Stunde, wobei das übliche Zeitungspapier Verwendung fand", heißt es dazu in einer Kurzbiographie Mertens’.

Nach der Freiburger Zeitung führten kurz darauf die Frankfurter Zeitung und das Hamburger Fremdenblatt diese neue Technik in Deutschland ein, die eine deutlich höhere Bildqualität ermöglichte. Dazu kamen bald Zeitungen aus Frankreich, Großbritannien, Russland und den USA.

In der Gedenkfeier zum 25. Geschäftsjubiläum von Eduard Poppen, an der auch Eduard Mertens teilnahm, wurde besonders "auf die hervorragende Erfindung des Rotations-Kupfer-Tiefdruckverfahrens" hingewiesen, "da die Erfindung zuerst im Hause der Freiburger Zeitung angewendet worden sei, die dann der Sammelpunkt von Fachmännern der ganzen zivilisierten Welt wurde."

3. Kreativ durch die Mangelzeit

In der Druckerei fehlten nach 1945 sogar Glühbirnen. Badens Staatspräsident Leo Wohleb half bei der Beschaffung.

Die Arbeitsbedingungen waren hart. Immerhin brachte der Auftrag für das Amtsblatt der französischen Militärregierung Poppen & Ortmann 1945 in einer Zeit, in der Mangel an allem herrschte, in eine vorteilhafte Position. Denn nun konnte die Firma mit dem Hinweis, die pünktliche Herstellung des wöchentlich erscheinenden Amtsblattes sei gefährdet, immer wieder die Badische Staatskanzlei einschalten, wenn es um Hilfsmittel für den Druckereibetrieb ging wie etwa Schmieröle, Heizmaterial oder technische Ausrüstung.

So wies Poppen & Ortmann am 2. April 1947 per Brief auf eine "neue Schwierigkeit" hin, nämlich "das Fehlen elektrischer Birnen". Es habe kaum noch "jede dritte Lampe in den Arbeitsräumen eine Birne"; deren Zustand litte zudem darunter, dass sie je nach Arbeitsanfall immer wieder an anderer Stelle eingeschraubt werden müssten.

Es drohten Verzögerungen in der Produktion des Amtsblattes. Das alarmierte die Staatskanzlei: Gerade weil in dieser Zeit darin die Namen aller von der politischen Säuberung Betroffenen veröffentlicht wurden, worauf die Militärregierung ihr Augenmerk richtete, durfte es keine Verspätungen geben. Darum forderte die Staatskanzlei von dem für die Freigabe solcher Waren zuständigen Wirtschaftsministerium, Poppen & Ortmann je sechs Glühbirnen der Stärke 40, 60 und 100 Watt zur Verfügung zu stellen – als "allerdringlichster Bedarf". Geliefert wurden nur acht Leuchten. Im Juli hakte man deshalb nach: Die Frage der Beleuchtung sei noch dringlicher geworden, da alte Glühbirnen zunehmend ausfielen. Ende September 1947 mischte sich sogar Staatspräsident Leo Wohleb ein mit dem Hinweis ans Ministerium, an der Rotationsmaschine funktioniere nur noch eine einzige Glühbirne statt der erforderlichen zehn.

Ob er damit Erfolg hatte, ist den Akten nicht zu entnehmen. Aber im November 1948 forderte die Staatskanzlei erneut und diesmal gleich 30 Glühbirnen an, "damit der Druck der Gesetzblätter ohne Behinderung durchgeführt werden kann", erwarte die Militärregierung doch "pünktliches Erscheinen".

4. Innere Pressefreiheit

Die Verleger der Badischen Zeitung sicherten der Redaktion Unabhängigkeit zu. Später präzisierten Richtlinien die Haltung des Blattes.

Der Gesetzgeber verlangt von der Presse, zur Meinungsbildung und -vielfalt der demokratischen Öffentlichkeit beizutragen. Andererseits haben in privatwirtschaftlich geführten Verlagen die Inhaber ein Weisungsrecht, das seit 1952 mit dem Tendenzschutz auch für journalistische Inhalte gilt. In den 1960er-Jahren wurde dieses Spannungsverhältnis unter dem Titel Innere Pressefreiheit diskutiert.

Es gehört zu den Besonderheiten der Badischen Zeitung, dass daraus in den ersten Jahrzehnten keine großen Konflikte erwachsen sind: In der Gründergeneration war man sich über die Rolle der Presse in der neuen Demokratie einig. 1970 schrieben die Verleger in der Festschrift für den ehemaligen Chefredakteur Oskar Stark: "In letzter Zeit wird viel geschrieben über die Unabhängigkeit der Redakteure von außen und innen. Dieses Problem gibt es für die Badische Zeitung nicht, weil die Verleger in ihrem Gründungsvertrag der Redaktion ausdrücklich die Unabhängigkeit zugesichert haben."

In der nächsten Verlegergeneration war aber der Eindruck entstanden, dass die Redaktion die bisherige Leitlinie nicht mehr einhalte. In intensiven Diskussionen zwischen Verlag und Redaktion wurden daher Richtlinien für die "Grundhaltung der Badischen Zeitung" gefunden. Seit 1980 sind diese Bestandteil des Arbeitsvertrags für Redaktionsmitglieder.

Daraus zwei Sätze:
  • Die Badische Zeitung ist eine unabhängige, überparteiliche Tageszeitung mit christlicher Grundhaltung. Verleger und Redaktion bekennen sich zu der vom Grundgesetz geprägten freiheitlichen und demokratischen Ordnung.
  • Sie treten ein für die Erhaltung und den Ausbau des demokratischen Rechtsstaates, für Frieden und Verständigung zwischen den Völkern, für die Gedanken der Humanität und der Toleranz, für die Grundsätze der individuellen Freiheit und der sozialen Gerechtigkeit.

175 Jahre Poppen & Ortmann | 75 Jahre Badische Zeitung

Die beiden promovierten Historiker Prof. Dr. Thomas Schnabel und Dr. Wulf Rüskamp, Letzterer BZ-Redakteur im Ruhestand, blicken in diesem Jubiläumsbuch auf 175 Jahre Druck- und Mediengeschichte zurück. Fotos und historische Dokumente illustrieren den Weg des Familienunternehmens Poppen & Ortmann durch die Generationen und beleuchten gleichzeitig die bewegte Geschichte der Badischen Zeitung. Mit zum Teil bislang unveröffentlichten Bildern und Dokumenten werden Einblicke über den reinen Text hinaus gewährt.

175 Jahre Poppen & Ortmann | 75 Jahre Badische Zeitung
Prof. Dr. Thomas Schnabel und Dr. Wulf Rüskamp,
296 Seiten Inhalt, reich bebildert, Hardcover, fadengebunden, ca. 24,5 x 30,5 cm, 75 Euro, Der Verkaufserlös wird zugunsten der "Aktion Weihnachtswunsch" gespendet.

Im BZ.medien Shop ist das Buch exklusiv erhältlich unter http://mehr.bz/175jahre

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