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Vom Kühlschrank zum Wal-Skelett

  • Patrick Schirmer Sastre

  • Mo, 13. August 2018
    Panorama

Rund um Mallorca sind täglich Müllfischer mit 14 Booten unterwegs und holen tonnenweise Unrat aus dem Meer.

PALMA DE MALLORCA. Auf Tour mit einem mallorquinischen Müllfischer: Damit die Urlauber auf der Insel ungestört von Abfall im Meer planschen können, sind täglich mehr als ein Dutzend Boote an den Küsten unterwegs. Die Männer fischen allerlei Kuriositäten aus dem Wasser.

Vorsichtig fährt Joan Adrover seinen acht Meter langen Kutter bis an den Felsen einer menschenleeren Bucht an Mallorcas Ostküste heran. Er nimmt einen Kescher in die Hand und steigt ins Wasser. Mit einer geschickten Bewegung fischt der braun gebrannte Spanier einen Plastikkanister zwischen den Felsen heraus. Dann klettert er wieder auf das mit Gas betriebene Boot und fährt zurück aufs offene Meer.

Der 54-Jährige ist Müllfischer. Von Anfang Mai bis Ende September fahren jeden Tag 14 Boote auf das Meer rund um die Baleareninsel, um das Wasser an Stränden und Buchten von Abfall zu befreien. Allein in den ersten zwei Monaten dieser Sommersaison haben Adrover und seine Kollegen über sieben Tonnen Unrat aus dem Wasser geholt, wie das örtliche Umweltministerium zuletzt mitteilte. Im Vergleich zu 2017 ist das fast ein bescheidener Wert: Allein im Juli vergangenen Jahres wurden vor Mallorca neun Tonnen Müll gefischt.

Rund 40 Prozent davon ist Plastik, Holz macht 35 Prozent aus. Aber die Müllfischer bekommen auch andere Aufgaben zugeteilt, wenn das aus aktuellem Anlass nötig ist. So etwa im Mai, als Exemplare der giftigen Portugiesischen Galeere vor Mallorca gesichtet wurden – und sie damit beauftragt wurden, die Quallen aus dem Wasser zu holen. Adrover macht den Job schon seit 14 Jahren. "Hauptsächlich geht es darum, den Urlaubern sauberes Wasser zu bieten", sagt der Bootsführer. Rund 25 Kilometer ist sein Küstenabschnitt zwischen Cala Romantica und Costa dels Pins im Osten der Insel lang. Dabei kommen auch mal echte Kuriositäten an die Oberfläche.

"Das Makaberste war sicherlich ein Menschenbein, das knapp unter dem Knie abgehackt war und noch in einem Schuh steckte." Das war vor zwei Jahren. Adrover informierte umgehend die Polizei. Auch ein Motorrad, Teile des Skeletts eines Pottwals oder ein aus Kroatien stammender Kühlschrank waren unter den abstruseren Fundstücken. Anders als man zunächst denken mag, sind es nicht die Urlauber auf der gerade bei Deutschen und Briten beliebten Insel, die den Müll ins Meer spülen. "Der Großteil der Abfälle kommt aus Nordafrika", sagt der Meeressäuberer. Am schlimmsten sei es, wenn zwei, drei Tage lang der Xaloc, der Südostwind, wehe. "Dann kommt der ganze Müll aus Algerien", erzählt der Mann, während er eine kleine weiße Tüte aus dem Wasser fischt. "Hier kann man die Schrift nicht mehr lesen, weil sie schon länger im Wasser ist – aber das ist eine algerische Milchtüte."

Doch nicht nur auf dem Wasser, auch an Land wird Mallorca auf Vordermann gebracht. Seit März putzen 40 bislang langzeitarbeitslose Menschen die Küste im Auftrag der Balearenregierung. Über 23 Tonnen Abfall sind bis Mitte Juni zusammengekommen. Stolze 450 000 Euro hat die Regionalexekutive aus Mitteln der Touristensteuer dafür bereitgestellt.

Für die balearische Tourismusministerin Bel Busquets ist das Projekt ein Beispiel, wie dank der Abgabe der ökologische Fußabdruck des Tourismus verbessert werden kann. "Mit diesem Projekt schützen wir die Umwelt und können unseren Besuchern saubere Strände bieten", sagte sie bei einer ersten Auswertung der Initiative im Juni. Die größte Veränderung in der Müllpolitik könnte aber mit dem neuen Abfallgesetz eintreten, das im Herbst verabschiedet werden soll.
Darin wird festgelegt, dass bis 2020 unter anderem Kaffeekapseln, Plastiktüten oder Einweggeschirr biologisch abbaubar sein müssen. Um zehn Prozent will die Regierung so das Müllaufkommen in den kommenden zwei Jahren senken.

Einige Hotels kommen dem Gesetz schon zuvor. Die mallorquinische Melia-Gruppe etwa will nicht nur auf der Insel, sondern weltweit auf Einwegplastik verzichten. "Stattdessen bieten wir Wasserspender und Gläser oder Karaffen an. Die Strohhalme sind aus Pappe, werden aber nur auf ausdrücklichen Wunsch des Gastes herausgegeben", sagte eine Sprecherin des Unternehmens.

Adrover fährt derweil weiter die Küste ab. Fast immer allein, nur das Handy verbindet ihn mit dem Festland. Der Müllfischer liebt seine Arbeit, und das ist kein Wunder: "Ich hab hier meine Ruhe, und meine Kinder sind stolz, weil Papa das Meer sauber macht."

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mo, 13. August 2018: PDF-Version herunterladen

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