Kolumne "Unter Uns"

Vom Versuch, alleine Abendessen zu gehen – und wie er grandios scheiterte

Alleine essen gehen? Kann ja nicht so schwer sein. Dachte ich jedenfalls. Bis ich mit zwei Portionen Essen am Restauranttisch sitze.  

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Ein Restaurantbesuch ganz alleine: Was...ann auch ganz schön in die Hose gehen.  | Foto: djvstock (stock.adobe.com)
Ein Restaurantbesuch ganz alleine: Was als bereichernde Erfahrung angepriesen wird, kann auch ganz schön in die Hose gehen. Foto: djvstock (stock.adobe.com) 

Es soll ja Menschen geben, die sich liebend gerne selbst ausführen. Auch ich wollte zu denen gehören, die sich selbstbewusst ohne Begleitung ins Restaurant setzen, ohne sich unwohl zu fühlen. Denn wer alleine essen geht, der hat sein Leben im Griff. Google bestätigt: "Solo Dining" liegt im Trend und soll sehr bereichernd sein.

Also probiere ich das auch. Was soll auch schiefgehen – außer, dass mir langweilig werden könnte? Da fällt mir ein, dass ich als gelangweiltes Kind im Restaurant mal so sehr mit dem Stuhl gekippelt habe, dass ich nach vorne gefallen bin, mit dem Kinn auf den Tellerrand, sodass meine Pommes mit Ketchup spektakulär über meinen Kopf hinweg geschleudert wurden und den Kellner trafen. Okay, DAS könnte passieren. Aber dann lasse ich das Stuhlkippeln diesmal einfach weg.

Fröhlich gehe ich ins gut besuchte Restaurant, man bestellt an der Theke und zahlt vorab, ich wähle auf der eng bedruckten Karte Gemüsecurry und Dal-Reis. Den Absatz zwischen beiden Begriffen, der mir hätte signalisieren können, dass es sich womöglich nicht nur um ein einzelnes Gericht handelt, ignoriere ich und suche mir einen Tisch aus.

Wurde sie sitzengelassen – oder ist sie verrückt?

Nach einigen Minuten, in denen ich mich mit dem Verschieben der Serviette beschäftige, kommt die Kellnerin zu mir. In ihren Händen: zwei Teller – einmal Gemüsecurry, einmal Dal-Reis. Ich starre sie perplex an. Deshalb war es so teuer, schießt es mir in den Kopf. Die Kellnerin stellt eine Portion vor mir ab, die andere mir gegenüber vor den leeren Stuhl, als würde dort gleich noch jemand Platz nehmen. Aus meinem Mund kommt: "Danke". Und so sitze ich da, ein paar Gäste werfen mir verwirrte Blicke zu. Die Situation lässt nur zwei Interpretationsarten zu: Entweder, mein Date hat mich sitzenlassen, oder ich bin verrückt und habe eine unsichtbare Begleitung vor mir sitzen, quasi wie bei Dinner for One.

Kurz überlege ich, welche Option besser wäre. Für die Dinner-for-One-Variante könnte ich die Kellnerin ja fragen, ob sie mir beim Vorbeigehen immer nett zuprostet. "Skoll!", könnte sie ausrufen, ich würde "Same procedure as every year" nuscheln, anschließend würde sie über einen unsichtbaren Tiger-Teppich stolpern und alle im Restaurant würden sich fragen, ob sie bei "Verstehen Sie Spaß?" gelandet sind. Das würde mir gefallen.

Die schlechteste Ausrede aller Zeiten

Dann sehe ich die Lösung vor mir: Ich sage einfach, dass ich sehr hungrig bin und deshalb zwei Gerichte brauche. Wenn ich schnell esse, bin ich weniger schnell satt. Also los. Ich schaufle Linsen und Curry in mich hinein. Bis ich zwischen Karotten und Tofu das grüne Übel entdecke: Brokkoli. Mein Endgegner. Sorgfältig schiebe ich das Zeug an den Tellerrand, mühe mich weiter ab an der zweiten Portion. Doch ich muss feststellen: Es passt nichts mehr in mich rein. Entweder, ich esse weiter und übergebe mich anschließend, oder ich verschwinde unauffällig.

Die Kellnerin nimmt mir die Entscheidung ab. Ihr mitleidiger Blick sagt: Es ist hart, beim Date versetzt zu werden. "Soll ich das für dich einpacken?", fragt sie vorsichtig. Ich werde rot, grinse gequält und sage: "Gerne, ich hab aus Versehen zwei Gerichte bestellt". Ich merke, das klingt wie die schlechteste Ausrede, die es je gab. Zwei Gerichte bestellt? Na klar. Die Kellnerin lächelt und sagt nichts dazu. Nach schrecklich langen fünf Minuten bringt sie mir eine Box mit Brokkoli-Reis-Resten, die ich niemals essen werde.

"Die positive Erfahrung wird deinen Mut belohnen", heißt es in einem der vielen Artikel, die von Solo Dining schwärmen. Hach, wie hämisch. Das nächste Mal wird es dann doch wieder eine Pizza zum Mitnehmen.

Schlagworte: schaufle Linsen

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