Schwere Unfälle

Warum ist Waldarbeit so gefährlich?

Nicht nur nach einem Sturm sind Forstwirte großen Gefahren ausgesetzt. Erst kürzlich verletzte sich in Triberg ein Waldarbeiter tödlich. Bundesweit gibt es im Land die meisten Unfälle.  

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„Das ist wie bei Mikado“ Foto: Thomas Kunz
Immer wieder verletzen sich Arbeiter im Wald schwer oder tödlich, wie kürzlich erst in Triberg. Von den 948 Forstwirten in Baden-Württemberg waren es nach den jüngsten Untersuchungen von 2015 knapp 17 Prozent – insgesamt 158 Unfälle. Warum ist Waldarbeit so gefährlich?

Rot und gelb leuchtet die Schutzausrüstung der Waldarbeiter durch die Bäume. "Achtung", schreit jemand, es knackst und ächzt oben in den Ästen – dann stürzt der tonnenschwere Baumstamm quer über den Waldweg. Zwei der vier Forstwirte beginnen, die Äste mit Motorsägen abzutrennen. Was hier in Freiburg-Günterstal unter ganz normale Bestandspflege des Waldes fällt, ist eine der gefährlichsten Tätigkeiten in der Arbeitswelt.

Anfang des Jahres fegte der Sturm Burglind übers Land und hinterließ in den Wäldern der Region Chaos. Damit wurde es dort für die Arbeiter erst recht gefährlich: "Viele Äste stehen dann unter Spannung, was von unten schwer einsehbar ist. Das ist wie bei Mikado", sagt Klaus-Peter Echle (53), Leiter des Forstreviers Freiburg-Günterstal. Was er meint: Die Bäume haben sich mit ihrer Krone oder einzelnen Ästen durch den Sturm ineinander verhakt. Wenn man dann mit der Säge vorgeht, kann einer dieser Äste plötzlich mit großer Wucht losschnellen und einen der Arbeiter treffen.

Die meisten Unfälle passieren am Freitagnachmittag

Äste unter Spannung oder stürzende Bäume – das gibt es nicht nur nach einem Sturm. Selbst bei der normalen Holzernte oder der Pflege des Waldbestands droht Gefahr. "Die häufigste Unfallursache ist das Stürzen und Stolpern – aufgrund der Unwägbarkeiten des Waldbodens", sagt Marc Wiens von der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau.

Erst recht ist derjenige, der die Motorsäge bedient, gefährdet, wie Frieder Hepperle (38), stellvertretender Leiter des Forstamts Freiburg, weiß: "Die offensichtlichste Unfallquelle ist die Motorsäge", sagte er. Beim Entasten – also dem Abschneiden der Äste vom Stamm – könne ein Waldarbeiter leicht mit dem Gerät abrutschen. Häufige Folge: ein Schnitt ins Bein. Obwohl fast jeder zweite Unfall beim Fällen von Bäumen oder der Aufarbeitung von Holz passiert, gibt es jede Menge Möglichkeiten, sich anderweitig zu verletzen: "Wenn man im Wald zu Fuß unterwegs ist, am Abhang und bei Nässe, rutscht man schnell aus, rutscht weg oder verdreht sich den Fuß", erklärt Hepperle.

Die Waldarbeiter seien zwar sehr gut geschult und routiniert – "aber genau in der Routine liegt die Gefahr", so Echle. "Die meisten Unfälle passieren am Freitagnachmittag, wenn die Konzentration nachlässt." Seine Kollegen wissen selbst um die Gefahren. "Man hat immer im Hinterkopf, wie extrem das ausgehen kann", sagt Johannes Schneider (50), einer der Forstwirte in Günterstal. In seinem Team habe es schon häufiger kleine Unfälle gegeben, einmal gar habe sich ein Kollege an der Wirbelsäule schwer verletzt. Konkreter wird der Waldarbeiter nicht – das Thema ist nicht ganz einfach. "Man braucht für diese Arbeit viel Humor", meint Echle. Das merkt man der Arbeitsgruppe in Günterstal an. Sie nehmen die Sicherheit sehr ernst – können aber trotzdem zwischendurch Witze machen. "Nur so kommt man mit der Belastung klar", sagt Echle.

3,5 Millionen Euro jährlich für Unfallprävention

Der baden-württembergische Wald scheint besonders gefährlich: In den vergangenen Jahren war das Land immer wieder Spitzenreiter in der bundesweiten Unfallstatistik der Waldarbeiter. Hepperle macht dafür die schwierige Topographie verantwortlich – denn in Bundesländern ohne Berge wie Brandenburg könne man in alle Forste mit Maschinen hineinfahren. "Aber in der Vergangenheit ist dem Thema Sicherheit auch nicht genug Aufmerksamkeit gewidmet worden", meint Hepperle. Inzwischen investiere man 3,5 Millionen Euro jährlich in Unfallprävention. "Es hat ein Umdenken gegeben, auch politisch."

Nun müssen die Forstwirte immer mindestens zu dritt im Einsatz sein. Auch die Schutzausrüstung ist verbessert worden, alle tragen Stiefel mit Stahlkappen und Helme mit Funkgerät. "Über den Helmfunk sind wir ständig im Kontakt, wer wo was macht", sagt Forstwirt Schneider. Aber das hilft nicht gegen Waldbesucher, die die Absperrung von Forstwegen ignorieren. "Jedes Parkschild in Freiburg wird ernster genommen", ärgert sich Echle.

Auch an diesem Morgen fahren zwei Mountainbiker, immerhin langsam und vorsichtig, an dem roten Warnschild vorbei. Die Forstarbeiter unterbrechen sofort ihre Arbeit und warten, bis die beiden in sicherer Entfernung sind. "Damit gefährden die Besucher sich selbst und die Arbeiter: Wenn man bei der Arbeit einen Wanderer verletzt, ist das der moralische Supergau. Das erzeugt enormen psychischen Druck", sagt Hepperle vom Forstamt Freiburg. Danach gehen alle wieder an ihre Arbeit.
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