Türkei

Weitere deutsche Journalistin in Haft

Nach Deniz Yücel ist nun eine weitere deutsche Journalistin in türkischer Haft. Mesale Tolu wurde Ende April unter dem Vorwurf "Terrorpropaganda" festgenommen. Deutsche Behörden haben keinen Kontakt.  

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BERLIN/ISTANBUL (AFP/epd). Nach dem Fall Deniz Yücel belastet die Inhaftierung einer weiteren deutschen Journalistin in der Türkei das Verhältnis zwischen Berlin und Ankara. "Dieser Fall macht uns Sorgen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Das Auswärtige Amt kritisierte, dass die deutschen Behörden von der türkischen Regierung nicht über den Fall informiert worden seien.

Medienberichten zufolge handelt es sich bei der inhaftierten Deutschen um die Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu, die für die linksgerichtete Nachrichtenagentur Etha gearbeitet haben soll. Die 33-Jährige wurde Ende April unter dem Vorwurf der "Terrorpropaganda" festgenommen. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes hat sie die deutsche, aber wohl nicht mehr die türkische Staatsangehörigkeit. Damit steht Tolu die Betreuung durch das deutsche Konsulat zu.

Tolu sei am 30. April in Polizeigewahrsam und am vergangenen Samstag in Untersuchungshaft genommen worden, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amts, Martin Schäfer. Über beides sei die Bundesregierung nicht informiert worden. "Das ist bedauerlich." Man habe davon aus anderen Quellen erfahren. Seit wann das Auswärtige Amt von der Verhaftung Tolus weiß, sagte Schäfer nicht.

Nach seinen Worten hatte die deutsche Seite bislang auch noch keinen persönlichen Kontakt zu der Journalistin, die in einem Gefängnis bei Istanbul einsitze. Die Bundesregierung dringe darauf, Zugang zu Tolu zu erhalten, sagte der Außenamtssprecher. Auch Seibert forderte die Türkei auf, eine konsularische Betreuung zu ermöglichen – "und zwar bald". Tolus zweijähriges Kind befinde sich bei der Familie in der Türkei. Laut Etha befindet sich Tolu derzeit in einem Frauengefängnis in einer Zelle mit zwei weiteren Inhaftierten. Vorübergehend sei sie aus Protest in Hungerstreik getreten. Derzeit stünden nur ihre Anwälte in Kontakt zu Tolu.

Grünen-Chef Cem Özdemir forderte die sofortige Freilassung der Journalistin. Die gegen Tolu erhobenen Vorwürfe seien "absurd", sagte Özdemir dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Bundesregierung müsse daher "mit Nachdruck auf ihrer Freilassung bestehen". Die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen forderte Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) auf, den türkischen Botschafter einzubestellen und gegen den "neuerlichen willkürlichen Angriff auf deutsche Pressevertreter" zu protestieren. Die gegen Tolu erhobenen Vorwürfe seien wie im Fall Yücel "konstruiert". Der Fall des "Welt"-Korrespondenten Yücel belastet seit Anfang des Jahres das Verhältnis zur Türkei. Der Journalist, der neben der deutschen die türkische Staatsangehörigkeit hat, sitzt seit Februar in der Türkei wegen angeblicher Terrorunterstützung in Haft.

Seit dem Putschversuch im Juli wurden in der Türkei mehr als hundert Journalisten inhaftiert. Am Freitag nahm die Polizei den Online-Chef von Cumhuriyet, Oguz Güven, fest. Wie die Nachrichtenagentur Anadolu berichtet, wurde Güven wegen eines Berichts über den Unfalltod eines Staatsanwalts festgenommen, der an den Ermittlungen zu dem Putschversuch beteiligt gewesen war. Cumhuriyet ist die älteste Zeitung der Türkei und zählt zu den Kritikern von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Ende Oktober wurden 19 Journalisten und Mitarbeiter der Zeitung festgenommen, unter ihnen Chefredakteur Murat Sabuncu, Kolumnist Kadri Gürsel, Karikaturist Musa Kart und Investigativjournalist Ahmet Sik. Im April wurde Anklage gegen sie erhoben. Der frühere Chefredakteur von Cumhuriyet, Can Dündar, lebt heute in Deutschland im Exil. Laut Anadolu wurden am Freitag auch 57 frühere Mitarbeiter der Istanbuler Börse festgenommen. Den Verdächtigen wird vorgeworfen, in den vereitelten Putsch verwickelt gewesen zu sein.

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