Wenn Alltagsdinge ins Erzählen kommen

260 Ausstellungsstücke dokumentieren im Augustinermuseum, wie in Freiburg der Nationalsozialismus von vielen Menschen erlebt wurde.  

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Freiburg zu Zeiten Adolf Hitlers: Kreisparteitag der NSDAP im Juli 1939   | Foto: Egon Fehrenbach
Freiburg zu Zeiten Adolf Hitlers: Kreisparteitag der NSDAP im Juli 1939 Foto: Egon Fehrenbach

Die neue Sonderausstellung "Nationalsozialismus in Freiburg" im Augustinermuseum gibt sehr persönliche Einblicke von der Weimarer Republik bis zum Ende des Nationalsozialismus. Noch bevor die Ausstellung Ende November 2016 eröffnet wurde, trafen sich die beiden Schülerinnen Maren Delorme und Lilli Hentschel, beide Klasse 9d des Freiburger Rotteck-Gymnasiums, mit dem Kurator Robert Neisen und Angelika Zinsmaier aus der Abteilung Kommunikation und Vermittlung. Beide haben die Ausstellung mitorganisiert.

In dieser Größenordnung hat es bisher in Freiburg zu dieser Thematik noch nichts gegeben. Die Ausstellung war und ist ein wichtiges Anliegen der Stadt Freiburg und der Stolperstein-Initiative Freiburg. Die neusten Diskussionen um die eventuelle Umbenennung umstrittener Straßennamen in Freiburg und der Umgang mit Personen wie Martin Heidegger, Sepp Allgaier, Alban Stolz oder Hermann Staudinger und das erneute Aufkommen rechter politischer Ansichten zeigen, wie aktuell die Ausstellung ist. Es ist wichtig, sich immer wieder und gerade auch in heutigen Zeiten mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen.

Vor ungefähr einem Jahr veröffentlichte die Badische Zeitung einen Aufruf des Augustinermuseums mit der Bitte an die Freiburger Bevölkerung, persönliche Exponate zur Verfügung zu stellen. Durch diesen Aufruf kamen viele der 260 Ausstellungsobjekte ins Museum. Die wichtigsten Leihgeber, so Robert Neisen, waren unter anderem die Begegnungsstätte "Das Blaue Haus" in Breisach, Marlis Meckel und Andreas Meckel, Hans Georg Bier sowie das Freiburger Stadtarchiv. Jedoch sei auch jedes einzelne Stück wichtig, in seiner ganz persönlichen Bedeutung und für die Ausstellung als Ganzes.

Angelika Zinsmaier, Kulturvermittlerin der Städtischen Museen Freiburg, teilt mit, dass die Ausstellung durch zahlreiche Vermittlungsangebote begleitet werde. Die Führungen seien wichtig, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen sowie um die persönlichen Schicksale und die Geschichte Freiburgs näher zu bringen. Die Besucher sollen den Experten offen Fragen stellen und mit ihnen im Dialog stehen. Dabei will man eine aktive Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und der Gegenwart anregen. Für Schulen gibt es besondere Angebote, denn die heutigen Schülergenerationen kennen kaum noch persönlich Zeitzeugen des Nationalsozialismus. Das Ende des Zweiten Weltkrieges ist zudem schon über 70 Jahre her, so dass immer weniger Menschen darüber berichten können.

Aus diesem Grund haben Freiburger Schüler der elften Klassen des St.-Ursula-Gymnasiums, der Lessing-Realschule, des Wentzinger-Gymnasiums und der Max-Weber-Schule zusammen mit Angelika Zinsmaier einen Audio-Guide erstellt. Die Schülerinnen und Schüler sprechen dabei selbst. Dieser ist insbesondere gekennzeichnet durch die Erklärungen "Von Schülern – Für Schüler", meint Angelika Zinsmaier. Es werden zentrale Orte in Freiburg sichtbar gemacht und die wichtigen Hintergrundinformationen zu einzelnen Ereignissen, Gebäuden sowie Personen vermittelt. Für Schulklassen gibt es zudem ganz spezielle Führungen mit Experten. Dabei können besondere Themen erläutert und vertieft werden. Daher sollten alle Schulen dieses Angebot annehmen und unterstützen. Aber auch für alle anderen Interessenten gibt es ein umfassendes Vermittlungsangebot und Informationen zu dieser Zeit.

Der Bedeutung angemessen, handelt es sich nicht um eine Kurzausstellung von nur wenigen Wochen, sondern um eine einjährige Dauersonderausstellung. Die Konzeptplanung und Ausarbeitung der Ausstellung, die wissenschaftliche historische Erarbeitung, 260 Ausstellungstücke sowie viele persönliche Begegnungen benötigten eine lange intensive Vorbereitungszeit von fast eineinhalb bis zwei Jahren. Die Aufbauzeit der Ausstellung von vier Wochen ist sehr aufwendig und äußerst knapp bemessen. Bei dieser kurzen Zeit mussten alle Beteiligten konzentriert, schnell, aber trotzdem sorgfältig aufbauen. Angelika Zinsmaier erklärt, dass dies nur zu bewältigen sei, da jeder mit vollem Einsatz dabei sei.

Während des Gesprächs mit Angelika Zinsmaier wurde auch Kontakt zum Kurator Robert Neisen aufgenommen. Für ihn sei der alte Schachtisch einer jüdischen Familie aus Freiburg ein ganz besonderes Ausstellungsstück, sagt er. Dieser wurde bei einer Zwangsversteigerung angeboten. Glücklicherweise konnte die Schwiegertochter ihn ersteigern und somit zurück in den Familienbesitz bringen. Die vielen persönlichen Begegnungen und die dazugehörigen Geschichten sowie Schicksale waren für Kurator Neisen besonders berührend und sehr aufschlussreich. In der Ausstellung werden aber auch Verknüpfungen zur heutigen Zeit hergestellt.

Als der Aufbau noch in vollem Gang war, konnte die Ausstellung leider auch nicht vorab besichtigt werden. Das Gespräch mit Angelika Zinsmaier und die Auskünfte vom Kurator Robert Neisen waren jedoch so aufschlussreich, dass mit Sicherheit gesagt werden kann, dass es eine sehr wichtige und lohnenswerte Ausstellung, auch 70 Jahre nach dem Untergang des Nationalsozialismus, für jeden Besucher ist. Es wird ein umfassendes Bild mit konkretem Bezug zur Stadt Freiburg und ihrer Umgebung gezeigt.

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