BZ-Interview

Wie Anwalt Chan-jo Jun Facebook zum Löschen von Hass-Kommentaren zwingen will

Auf Facebook wird gegen Ausländer, Flüchtlinge und andere Gruppen gehetzt. Ohne dass Facebook viel dagegen tut. Ein Würzburger Jurist will das Netzwerk nun zum Löschen zwingen.  

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Facebook hält sich nach Einschätzung von Chan-jo Jun nicht an deutsches Recht, wenn es um das Entfernen von Hass-Postings geht. Foto: dpa

Auf Facebook wird gegen Ausländer, Flüchtlinge und andere Gruppen gehetzt. Nach deutschem Recht ist es verboten, solche Postings stehen zu lassen. Facebook aber löscht sie nicht oder nur sehr zögerlich. Der Würzburger Anwalt Chan-jo Jun hat nun eine Aktion gestartet, mit der er Facebook dazu bringen will, sich ans Recht zu halten. Mit ihm sprach Thomas Steiner.

BZ: Herr Jun, Sie haben bei Facebook Hass-Kommentare gemeldet, ohne dass diese entfernt wurden. Wie gehen Sie jetzt vor, um Facebook dazu zu zwingen?

Jun: Wir haben mittlerweile über 150 Postings per E-Mail oder per Einschreiben persönlich an Manager des Facebook-Konzerns gemeldet. Wir wählen diesen Weg, weil so die Manager persönlich haftbar sind. Sie können dann nicht mehr sagen, sie hätten keine Kenntnis von den Kommentaren. Das ist das Damoklesschwert das wir aufhängen, damit sie sich an deutsches Recht halten.

BZ: Sie haben auch Anzeige gegen die Geschäftsführer von Facebook Deutschland gestellt. Ist daraufhin etwas geschehen?
Jun: Vier Wochen passierte fast nichts. In der letzten Woche, seit die Staatsanwaltschaft ermittelt, sind dann über 70 Postings gelöscht worden. Es scheint also so zu sein, dass diese Methode sich bewährt. Wenn wir Postings über das Meldeportal von Facebook melden, bekommen wir weiterhin die Antwort: "Verstößt nicht gegen Gemeinschaftsstandards".

"Sie werden auf Dauer nicht damit durchkommen, dass sie sich nicht an deutsches Recht halten. Google hat das auch lernen müssen."
BZ: Man könnte ja sagen, Facebook sei nicht verantwortlich für solche Kommentare, sondern nur derjenige, der postet. Warum sehen Sie das anders?
Jun: Die Haftung des Portalbetreibers ist unter Juristen völlig unbestritten. Es ist mehrfach in der Rechtsprechung entschieden worden, dass der Portalbetreiber ab dem Zeitpunkt, zu dem er Kenntnis davon erhält, für die Inhalte haftet, zivil- wie strafrechtlich. Nicht mal die Facebook-Anwälte bestreiten das.

BZ: In Reaktion auf Ihre Aktion hat eine Managerin von Facebook Europa nun aber vor Journalisten gesagt, das Unternehmen fühle sich nicht an deutsches Recht gebunden.
Jun: Ich war sprachlos, als ich das gelesen habe. Eigentlich sagt Facebook ja sogar: Wir orientieren uns auch nicht am US-amerikanischen Recht, wir haben unsere eigenen Regeln aufgestellt, die für alle Menschen gut sind. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Sie wollen sich ihr eigenes Weltrecht schaffen. Das sollen sie mal unseren Richtern erzählen.

BZ: Facebook hat auch bestritten, dass es an der Bearbeitung der Anträge über das Meldeportal liegen könnte, dass nichts passiert. Es gebe keinen Stau von unbearbeiteten Anträgen. Glauben Sie das?
Jun: Wenn sie keinen Stau haben, dann nur, weil sie das nicht sachgerecht bearbeiten. Eine sorgfältige Prüfung ist unmöglich, wenn man sich die Zahlen vor Augen hält. Der Anwalt von Facebook Deutschland sagte mir, sie bekämen eine Million Beschwerden pro Tag, vermutlich weltweit. Die deutschen User machen drei Prozent der Community aus. Wenn entsprechend viele Beschwerden auf Deutschland entfallen und ein Mitarbeiter zum Lesen und Bewerten fünf Minuten pro Posting benötigt, so bräuchte man über 720 Vollzeitmitarbeiter , die alleine für den deutschen Bereich täglich arbeiten. Facebook hat aber in Dublin nur 1100 Mitarbeiter, dass da 720 für Deutschland zuständig sind, halte ich für unwahrscheinlich. Sie haben einfach keine Lust, die Anträge richtig zu prüfen.

"Wenn es gelingen sollte, dass Facebook eines Tages durch die Justiz gezwungen wäre, sich an deutsches Recht zu halten, dann wäre es mir eine Ehre, daran mitgewirkt zu haben."
BZ: Wird Ihre Aktion Facebook dazu bringen?
Jun: Sie werden auf Dauer nicht damit durchkommen, dass sie sich nicht an deutsches Recht halten. Google hat das auch lernen müssen.

BZ: Warum machen Sie die Hasspostings so zu Ihrer persönlichen Sache?
Jun: Viele Juristen regen sich darüber auf, aber keiner hat bisher etwas gemacht. Es lag vielleicht daran, dass es Arbeit macht – und zwar richtig viel Arbeit, wie ich jetzt feststelle – alle Fälle, die wir zugeschickt bekommen, zu prüfen, aufzuarbeiten und denen zuzuschicken. Ich habe einen Studenten abgestellt, der nur das macht, außerdem arbeiten eine Sekretärin und mehrere angestellte Anwälte an dem Projekt.


BZ: Ohne etwas daran zu verdienen...
Jun: Es ist keine Aktion, mit der wir unsere betriebswirtschaftliche Situation verbessern wollen. Wenn es gelingen sollte, dass Facebook eines Tages durch die Justiz gezwungen wäre, sich an deutsches Recht zu halten, dann wäre es mir eine Ehre, daran mitgewirkt zu haben.
Zur Person

Chan-jo Jun (51) wurde in Verden, Niedersachsen, geboren. Seine Eltern stammen aus Süd-Korea. Der Jurist führt eine auf IT-Recht spezialisierte Anwaltskanzlei.

Hassposts auf Facebook

"Zusammentreten bis ihnen die Scheiße aus den Ohren quillt!!! Dann ab in den Zug!" Dieser Kommentar steht auf Facebook öffentlich einsehbar unter einem Bericht über kleinkriminelle Ausländer. Er ist eine Aufforderung zu einer Straftat und wohl auch volksverhetzend. Postings wie diese müsste Facebook löschen, wenn man sie dem Netzwerk über ein Formular auf seiner Seite zur Kenntnis bringt. Das aber passiert nicht oder nur zögerlich. Deshalb hat Chan-jo Jun seine Aktion gestartet. Auf seiner Website Anwaltsmahnung.de kann man ihm rechtswidrige Inhalte auf Facebook melden.

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