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Wir sind hörbehindert – na und?

  • Fr, 28. Januar 2011
    Schülertexte

Zwei Schüler des BBZ Stegen erzählen, wie das Leben mit einer Hörhilfe ist und wie sie mit ihrer Behinderung umgehen.

Daniel Scheffner und Julia Fluck trage...ist im und hinter dem Ohr angebracht.   | Foto: privat
Daniel Scheffner und Julia Fluck tragen ein CI: Der sichtbare Teil der Hörhilfe ist im und hinter dem Ohr angebracht. Foto: privat

Wir sind Daniel Scheffner und Julia Fluck und gehen in die 9. Klasse der Realschule am Bildungs- und Beratungszentrum Stegen (BBZ). Wir sind CI-Träger, das ist unsere Hörhilfe.

Julia: Ich kam taub zur Welt und keiner weiß warum. Nur meine Großmutter hatte anfangs den Verdacht, dass ich taub sein könnte, weil alle ihre Enkelkinder immer auf die Uhr reagiert haben, wenn sie geläutet hat. Aber bei mir kam nichts, kein Laut. So hat meine Großmutter mit meinen Eltern geredet und ihre Vermutung geäußert. Meine Eltern sind mit mir zum Arzt gefahren und er hat festgestellt, dass ich taub bin. Ein paar Monate später musste ich in die Hals-Nasen-Ohren-Klinik. Dort wurden verschiedene Hörtests gemacht und dann haben meine Eltern sich entschieden, dass ich operiert werden soll. Ich war damals drei Jahre alt. Die Operation ging fünf Stunden. Ich musste mich erst an dieses CI gewöhnen, aber mit der Zeit ging alles besser. Außer mir und meiner Schwester ist keiner in meiner Familie schwerhörig.

Daniel: Bei mir war es so, dass ich als gut hörender Mensch geboren wurde, ohne Behinderung. Als ich vier Jahre alt war, bekam ich eine Grippeimpfung. Als meine Großmutter mich beim Spielen gerufen hat, habe ich sie nicht gehört. Meine Eltern haben einen Termin in der Klinik in Mannheim gemacht. Der Arzt dort meinte, damit ich wieder hören könne, brauche ich eine Operation. Meine Eltern waren damit einverstanden. Ich musste nach der Operation noch eine Menge Hörproben durchführen bei meinem Akustiker, bis ich mit dem CI gut hören konnte. Meine ganze Familie und Verwandten sind nicht hörbehindert, aber ich habe auch kein Problem damit. Was mich nervt ist nur das ständige Wechseln der Batterien.

Julia: Stimmt! Das nervt mich auch total. Sie halten nur vier bis fünf Tage. Und dann muss man sie noch alle drei Monate nachbestellen. Und sie kosten relativ viel: Für 30 Stück muss man 60 Euro bezahlen. Wenn am CI etwas kaputt ist und man großes Pech hat, muss man die Reparatur zahlen, was auch wieder teuer ist. Teilweise zahlt das die Krankenkasse auch nicht. Im Sport habe ich immer mein CI an, damit ich mitbekomme, was die Lehrerin sagt. Beim Schwimmen muss ich es dann doch ausziehen, damit das CI nicht kaputt geht, schließlich ist es nicht wasserfest. Wenn ich schlafen gehe, ziehe ich das CI aus, weil ich in der Nacht ja nicht hören muss. Außer in Notfällen.

Daniel: Beim Sport ziehe ich das CI manchmal auch aus, wenn ich über eineinhalb Stunden Sport mache, dann wird mein Kopf zu feucht. Vom Schweiß könnte es kaputt gehen. Bei Gesprächen muss ich öfters nachfragen als die Hörenden. In der Öffentlichkeit fragen mich manchmal Leute, was ich da am Kopf habe. Aber mich hat noch niemand blöd angemacht. Mein CI ist kein Problem für mich.

Ich habe keine Probleme mit den Leuten, die nach meinem CI fragen.

Julia Fluck
Julia: Vor allem in der Grundschulzeit haben mich ziemlich viele gefragt: "Was ist das für ein komisches Ding hinter dem Ohr?" Ich erkläre es und dann unterhalten wir uns, als ob ich dieses CI überhaupt nicht hätte. Ich muss nur öfters nachfragen, wenn ich etwas nicht verstanden habe. Aber ansonsten habe ich keine Probleme mit den Leuten, die nach meinem CI fragen.

Julia und Daniel: Wir gehen in eine Sonderschule für Schwerhörige, in das Bildungs- und Beratungszentrum für Hörgeschädigte in Stegen. An unserer Schule gibt es kleinere Klassen als in der Regelschule. Wir sind zum Beispiel nur acht Schüler in der R9. Im Klassenzimmer gibt es schalldämpfende Wände. Es gibt auch noch technische Hilfen für uns, wie etwa eine Hör-Sprechanlage, die uns helfen, dass wir die Lehrer und Mitschüler besser verstehen können. Und es gibt für uns noch eine Sondersprache: die Gebärdensprache. Dabei kommunizieren wir mit den Händen. Wir haben kein Sonderfach "Gebärdensprache", sondern lernen es mit der Zeit.

Wenn man versucht, mit anderen zu kommunizieren, die noch schlechter hören als wir oder taub sind, dann muss man gebärden. Das kann auch ein Vorteil sein: Man kann überall gebärden, zum Beispiel im Schwimmbad, in der Kirche oder heimlich im Unterricht. Uns macht es total Spaß zu gebärden. Man gewöhnt sich mit der Zeit an die Zeichensprache und manchmal erfinden wir auch neue Gebärden. Wir haben denselben Stoff im Unterricht wie andere Schulen, bloß dass wir etwas langsamer unterrichtet werden. Deshalb haben wir auch mehr Unterrichtsstunden als die Schüler an der Regelschule.

Wir wohnen im Internat, es ist wie ein zweites Zuhause für uns. Die Leute, die weit weg wohnen, schlafen im Internat. Im Internat gibt es Zimmer, die wir selber gestalten können. Und es gibt natürlich Regeln, wie Geschirr spülen oder Müll wegbringen. Wir fahren am Montagmorgen nach Stegen und jeden Freitagmittag wieder nach Hause. In der Freizeit sind für uns viele Aktivitäten auf dem Schulgelände möglich, zum Beispiel Fußball, Klettern, Kochen. Am BBZ Stegen gibt es den Kindergarten, eine Grundschule, die Hauptschule, die Realschule und das Gymnasium. Wir sind glücklich dort und fühlen uns wie normale Menschen.

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 28. Januar 2011: PDF-Version herunterladen

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