Jagd
Zorro geht's an den Pelz: Waschbären werden stärker bejagt
Süß, aber gefährlich: Waschbären sorgen in Baden-Württemberg für Ärger – jetzt soll die Schonzeit ganzjährig fallen. Ist das eigentlich sinnvoll?
Martin Oversohl (dpa)
So, 6. Jul 2025, 4:00 Uhr
Baden-Württemberg
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Quelle: Deutsche Presse-Agentur (dpa).
Die BZ-Redaktion hat diese Meldung nicht redaktionell bearbeitet.
Stuttgart (dpa/lsw) - Sie haben derart süße Gesichter, dass sie bei Instagram regelmäßig zu Stars mit Millionen Followern aufsteigen. Aber Waschbären gelten inzwischen in weiten Teilen Deutschlands als nervige Schädlinge, weil sie viel zerstören können, bedrohte Amphibien fressen und sich rasch vermehren. Deshalb sollen sie in Baden-Württemberg mit wenigen Ausnahmen rund ums Jahr gefangen oder direkt erlegt werden dürfen.
Geplant sei, die Schonzeit für invasive Arten, die dem Jagd- und Wildtiermanagementgesetz unterliegen, ganzjährig aufzuheben. Einzige Ausnahme: Der Muttertierschutz muss beachtet werden. Soll heißen: Bis auf das sogenannte führende Elterntier sind Waschbären künftig genauso wie Nutrias und Nilgänse vor den Jägern nicht mehr sicher. "Die Änderung der Schonzeitenverordnung ist in der Umsetzung", sagte ein Sprecher des Landwirtschaftsministeriums. Bis Ende des Jahres soll das Ganze durch sein.
Räuber mit Zorro-Maske
Waschbären vermehren sich rasant, sie haben fast keine natürlichen Feinde und bedrohen die heimische Artenvielfalt nach Überzeugung der Forschung massiv. Die Räuber mit der Zorro-Maske verursachen außerdem erhebliche Schäden an Gebäuden, in Gärten und in der Landwirtschaft. Insbesondere in Städten sorgen die Tiere für Probleme, da sie dort Nahrung in Mülltonnen suchen und sich in Dachböden einnisten. Experten warnen zudem davor, dass Waschbären Krankheiten übertragen und die Population ohne Regulierung weiter stark steigen wird.
"Das mag ein possierliches Tierchen sein, aber in unserem Naturraum ist der Waschbär ein Fremdkörper", sagt Wildtierbiologe Norbert Peter von der Goethe-Universität in Frankfurt. Er untersucht mit anderen Experten im Rahmen des Verbundprojektes Zowiac (Zoonotische und wildtierökologische Auswirkungen invasiver Carnivoren) das Jagdverhalten von Waschbären in ausgewählten Naturschutzgebieten.
Waschbären wird es in Baden-Württemberg immer geben
Und der Wildtierbiologe ist überzeugt: "Die Aufhebung der Schonzeit ist das Hilfsmittel schlechthin, um die Zahl der Waschbären zu reduzieren." Allerdings werde die Art aus dem Land nicht mehr zu vertreiben sein: "Wir werden den Waschbären flächendeckend nicht mehr ausräumen können."
Das sehen die Jäger in Baden-Württemberg ähnlich. Die Pläne des Landes seien aber eine sinnvolle Regelung, weil man effektiver unterwegs sein könne, sagt René Greiner, der Hauptgeschäftsführer des Landesjagdverbands. "Ziel muss es sein, Hotspots wie den Rems-Murr-Kreis zu kennzeichnen und dort gezielt und mit hohem Aufwand zu jagen."
Zahl der erlegten Waschbären steigt stark
Wie viele Exemplare es in Baden-Württemberg gibt, ist zwar nicht bekannt. Aber Jahr für Jahr werden mehr Waschbären geschossen – deshalb dürfte auch der Bestand größer werden. Lag die sogenannte Jagdstrecke in der Saison 2022/2023 nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums noch bei 6.322, so waren es ein Jahr später bereits 9.174. Die weitaus meisten Waschbären werden im Ostalbkreis erlegt (2.221), auch der Rems-Murr-Kreis (1.441) und Schwäbisch Hall (1.798) sind beliebt bei den Kleinbären.
Das putzige Tier und sein Hunger bringen Probleme mit sich. "Der Waschbär ist ein generalistischer Allesfresser", heißt es dazu in einer Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage der FDP-Landtagsfraktion. Für heimische Arten werde es kritisch, wenn der Waschbär etwa über Eier und Nestlinge von Vögeln, Amphibien oder Fledermäusen herfalle. "Dies kann zu einem erheblichen negativen Einfluss auf lokale Populationen führen", teilte das Ministerium mit.
Waschbären klauen Amphibien sogar aus Eimern
An und um Laichgewässer im Rems-Murr-Kreis seien zum Beispiel viele Amphibienreste gefunden worden, die eindeutig Spuren von gefräßigen Waschbären zeigten. Für Amphibien sei dies eine zusätzliche Belastung neben den Folgen des Klimawandels, Krankheiten und Verlusten auf Wanderungen. Nach den Erfahrungen des Landesjagdverbandes patrouillieren die Tiere sogar an Krötenschutzzäunen und verzehren die Amphibien aus den Eimern. In den Mägen der Waschbären werden auch oft Reste von Ringelnattern gefunden.
Weil sich die Allesfresser vermehrt in Städten und Gemeinden aufhalten, beauftragen Kommunen im Land inzwischen auch Stadtjäger, die in besiedelten Gebieten jagen dürfen. Waren vor drei Jahren noch 20 von ihnen im Einsatz, so wurden im vergangenen Jahr bereits 147 eingesetzt, wie aus der Drucksache hervorgeht.
Tierschützer: Durch Jagd würde Population eher zunehmen
Allerdings halten einige Tierschützer eine Aufhebung der Schonzeit auch für unsinnig. Würden Waschbären gejagt, um ihre Populationsdichte zu reduzieren, sei das meist wenig erfolgreich – sie vermehrten sich schlicht und neue Tiere nähmen die frei gewordenen Lebensräume ein, sagt Alexandra Ickes, Artenschutzreferentin des Nabu-Landesverbandes Baden-Württemberg. "Aus unserer Sicht ist der Waschbär grundsätzlich keine jagdbare Art, da er nicht genutzt bzw. verwertet wird."
Eine Bejagung aus Artenschutzgründen könne höchstens im Einzelfall lokal etwas bringen. Sinnvoller sei es, Elektrozäune für Kiebitz und Amphibien aufzustellen und Baummanschetten an Horstbäumen von Vögeln anzubringen.
Wildtierbiologe Peter widerspricht ihr aber vehement: "Das ist Humbug", sagt er. Ihm sei keine einzige Studie bekannt, die einen Zusammenhang sieht zwischen der Jagd und dem Populationsverhalten.
Waschbär kommt eigentlich aus Nordamerika
Ursprünglich aus Nordamerika stammend, gilt die Aussetzung zweier Waschbärpaare am 12. April 1934 am nordhessischen Edersee für bedeutend. Auch flohen 1945 nach einem Bombentreffer im Zweiten Weltkrieg auf eine Pelztierfarm bei Strausberg in Brandenburg einige Tiere. Ohne natürliche Feinde konnten sie sich seither nahezu ungehindert verbreiten. Seit 2016 werden sie auf der sogenannten Unionsliste geführt, die invasive Arten in der EU enthält.
© dpa-infocom, dpa:250706-930-762678/1