Brettspiel
100 Jahre "Mensch Ärger Dich nicht"
16 selbst geschnitzte Holzkegelchen, ein Würfel und ein Spielfeld, das aus einem Hutkarton gebastelt war: So begann vor 100 Jahren die Geschichte von "Mensch ärgere Dich nicht".
Mi, 19. Feb 2014, 0:00 Uhr
Panorama
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Mehr als 90 Millionen Mal wurde der Brettspielklassiker bislang in Deutschland verkauft. "Und noch heute ist MÄDN ein echter Erfolg", sagt Nils Jokisch von Schmidt-Spiele in Berlin. MÄDN ist die Insider-Abkürzung für das Spiel. Jährlich werden demnach rund 400 000 Exemplare verkauft. Dabei sah der Anfang so gar nicht danach aus.
Als der Münchner Josef Friedrich Schmidt laut dem Unternehmen um 1907 ein Brettspiel austüftelte, um seine drei quirligen Söhne in der winzigen Wohnung zur Ruhe zu bringen, baute er das erste Exemplar noch aus Hutkarton und selbst geschnitzten "Holzpöppeln". Aber während daheim in der kleinen Mietwohnung nun begeistert gespielt worden sei, habe Schmidt für weitere selbst gebastelte Exemplare keine Abnehmer gefunden. Niemand habe Interesse an dem Spiel gezeigt, dessen Grundidee Schmidt von dem mehr als 2000 Jahre alten indischen Laufspiel Pachisi übernommen hatte.
Doch 1914 hatte er Schmidt-Spiele zufolge eine Idee, die sich als Volltreffer erweisen sollte: Er ließ 3000 Exemplare von "Mensch ärgere Dich nicht" herstellen und schickte sie als Spende an Kriegslazarette. Der Erfolg ließ offenbar nicht lange auf sich warten: Schon 1920 hatte Schmidt demnach eine Million der Spiele im typischen roten Karton mit dem Emblem des sich ärgernden Mannes verkauft – das Stück zu 35 Pfennig.
"Natürlich gibt es heute viele Nachahmerprodukte", sagt Jokisch. Denn die Spielidee sei nicht zu patentieren. Aber der Titel und die typische Grafik der roten Packung und des Spielplans seien geschützt, Lizenzen werden vergeben für Tapeten, Handyhüllen oder Frühstücksbrettchen. Für weitere Verbreitung sorgen zeitgemäße Adaptionen: MÄDN gibt es mittlerweile als Kartenspiel, im Disney-Design, mit farbigen Würfeln für die ganz Kleinen und – natürlich – als App. Gerade die Kartenvarianten kommen heute sogar noch in Spiel-Cafés auf den Tisch, wie Jürgen Kleber von der Kaffee Spielewerkstatt in Berlin-Schöneberg etwa berichtet. "Das Brettspiel aber weniger, dafür gibt es einfach zu viel Neues in den Regalen", sagt er. Er sieht MÄDN eher als Familienspiel.
Aber was macht den Klassiker heute angesichts zahlloser Brett- und vor allem Digitalspielkonkurrenz noch spannend? Jokisch sagt dazu: "Es ist ein Spiel ohne Hierarchien. Kleine haben die gleichen Chancen wie Große. Jeder kann’s sofort, ohne lange Anleitungen lesen zu müssen. Und: Die menschlichen Instinkte werden angesprochen!"
Der Spieleentwickler Ulrich Blum, Vorsitzender der Spiele-Autoren-Zunft, pflichtet dem bei: "Fast jede Familie hat ja ihre eigenen Regeln – und das Spiel hält das aus." Aber so einfach und anpassungsfähig MÄDN auch sei: "Es hat durchaus pädagogischen Charakter. Man lernt Rückschläge hinzunehmen, aber auch Siege nicht allzu sehr auszukosten.
Denn: Die nervigsten Mitspieler sind die schlechten Verlierer, die zweitnervigsten die schlechten Gewinner." Letzte Frage an den Spielprofi: Soll man Kinder denn nun rauswerfen oder gewinnen lassen? Blum lacht. "Das kommt auf das Alter der Kinder an – und auch auf die Eltern. Nicht jeder kann es ab, wenn der Nachwuchs eine Stunde in der Ecke schmollt. Aber man sollte das Schonen nicht überreizen. Denn Verlieren-Lernen gehört als Komponente unbedingt dazu."
DIE SICH ÄRGERN LASSEN
Man kann das Motto des Spiels "Mensch ärgere dich nicht" noch so oft wiederholen, am Ende ist es immer dieselbe Szenerie: ungläubiges Staunen, wenn sich das Schicksal gegen den Spieler wendet.Und wird die Niederlage unausweichlich, fliegt das Spiel mitsamt der Figuren auf den Boden. Die sanftere Variante der schlechten Verlierer sind die Heulsusen, die so mitleiderregend schluchzen, dass man bereut, sie je hinausgeworfen zu haben.
DIE SCHUMMLER
Mit ihren Figuren flitzen sie so schnell übers Spielfeld, dass man kaum folgen kann. Auch wenn alle anderen es besser wissen, behaupten sie, nur so viele Felder vorgerückt zu sein, wie der Würfel erlaubt.
DIE LIEBEN
Bei dieser Spezies handelt es sich meistens um Omas und Opas. Sie machen alle Versuche der Eltern, ihre Kinder zu guten Verlierern zu erziehen, zunichte, indem sie über Schummeleien hinwegsehen. Und damit nicht genug: Sie ignorieren jede Gelegenheit, die Spielfiguren der lieben Kleinen hinauszuwerfen.
DIE UNERMÜDLICHEN
Sie sind gute Verlierer. Auch wenn ihr Ehrgeiz nicht zum Sieg führt, bleiben sie ruhig. Sie wissen ja, es bietet sich eine neue Chance, es allen zu zeigen. Und wenn schon keiner mehr mag, schmettern sie fröhlich: "Nur noch eine allerletzte Runde. Bitte!!!"
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