De Gaulle in Freiburg
Bis zu einer deutsch-französischen Freundschaft war der Weg weit
Thomas Wetzstein (Freiburg)
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Wer in die Vergangenheit blickt, muss mit Verwirrung rechnen. Wie eine Reise in fremde Kulturen fordert Geschichte dazu heraus, gewohnte Perspektiven aufzugeben und sich auf neue Sichtweisen einzulassen. Wem dies gelingt, wird häufig mit Einsichten belohnt, die scheinbar Selbstverständliches in neuem Licht erscheinen lassen.
Welche Errungenschaft die Aussöhnung zwischen der jungen Bundesrepublik und dem Frankreich de Gaulles nach einem Jahrhundert blutiger Feindschaft darstellt, ist heute so weit in Vergessenheit geraten, dass die Pflege der neu gewonnenen Freundschaft durch Beschäftigung mit Sprache, Geschichte und Kultur und des Nachbarlandes kontinuierlich abnimmt und zu befürchten ist, dass sich auf dem Nährboden der Unkenntnis zunehmend alte und neue Ressentiments verbreiten. Rüdiger Binkle hat mit seinem Artikel zum Aufenthalt de Gaulle in Freiburg einen Blick in die Vergangenheit geworfen, bei dem er vieles voraussetzte, was erst Jahre später und nicht unwesentlich unter dem Druck des Kalten Krieges entstehen konnte.
Der französische Staatspräsident war im Oktober 1945 schon deswegen kein ausländischer "Staatsgast", wie Binkle mehrfach behauptet, weil es keinen Staat gab, der ihn hätte einladen können. Er war auch kein Gast, weil (wie etwa dem dritten Band der "Geschichte der Stadt Freiburg" zu entnehmen ist) Freiburg, wie dann auch ganz Baden, seit dem 21. April 1945 unter französischer Besatzung stand und die französische Militärregierung für Baden am 10. Juli 1945 mit dramatischen Folgen für die kriegsbeschädigte Breisgaustadt dorthin verlegt wurde: Im Oktober 1946 waren insgesamt 2540 Wohnungen beschlagnahmt, und noch damals befürchtete die Militärregierung, dass ihre Bemühungen um eine Demokratisierung der Stadt durch eine solche Zwangsmaßnahme zunichte gemacht würden. Solche und weitere nur en passant von Binkle angesprochenen und keineswegs unverständlichen Repressalien und Vergeltungsmaßnahmen ließen die französische Besatzungsmacht noch in einer Allensbach-Umfrage von 1950 als unbeliebteste der drei Westmächte in Westdeutschland erscheinen. Die Autoren der Stadtgeschichte vergleichen de Gaulles Aufenthalt in Freiburg mit der Inspektionsreise des Präsidenten in den französischen Kolonien. Bis zu einer deutsch-französischen Freundschaft auf Augenhöhe war der Weg vor 80 Jahren noch weit – erste "Gehversuche" in diese Richtung hat de Gaulle damals kaum unternehmen können.
Thomas Wetzstein, Freiburg