Demos gegen Rechtsextremismus
Freiburger "Omas gegen Rechts" appellieren: "Bleibt im Gespräch!"
Mi, 24. Januar 2024, 07:00 Uhr
Südwest
Hannelore Weber und Ulrike Schorn, 70 und 71 Jahre alt, sind zwei von etwa 140 Freiburger "Omas gegen Rechts". Sie beobachten den Rechtsruck mit Unbehagen. Dafür haben sie auch persönliche Gründe.
Ulrike Schorn: Wir stehen für Demokratie und Menschenwürde, nicht erst seit den jüngsten Demos gegen Rechts. Die "Mahnwache gegen den Hass" im Januar auf dem Platz der Alten Synagoge hatten wir bereits im Dezember organisiert. Ursprünglich waren 50 Omas angemeldet – dann haben sich die Ereignisse überschlagen. Es kamen um die 5000 Menschen.
BZ: Viele der älteren Menschen, die teilgenommen haben, haben als Kinder die Ausläufer des Dritten Reiches erlebt. Es gibt auch ein Youtube-Video, da zeigen die Freiburger "Omas gegen Rechts" Zeitzeugendokumente, zum Beispiel einen Nachweis über arische Abstammung. Welche Erinnerungen tragen Sie mit sich?
Weber: Meine Großmutter wurde gegen Ende des Zweiten Weltkrieges in Kirchzarten ausgebombt, darüber hat sie mir ein Leben lang berichtet. Auch mein Großvater hat viel aus dieser Zeit erzählt. Er hatte einen französischen Kriegsgefangenen in seiner Schlosserei, mit dem er sich sehr angefreundet hat. Diesen Mann habe ich als Kind noch kennengelernt. Er war aus Lothringen und hat dann unsere Familie noch mal besucht, was sehr eindrücklich für mich war. Und dann sind da die Erzählungen meiner Mutter, die hier auf dem Land aufgewachsen ist und deren Bruder als Nazi sehr aktiv war. Ihre Angst nach dem Krieg, als die Franzosen einmarschiert sind. Das wird man nicht mehr los. Und wir wollen einfach verhindern, dass die Stimmung wieder so kippt.
BZ: Hat es Sie überrascht, wie radikal sich Mitglieder der AfD und der Werteunion auf einem Treffen mit Neonazis und Unternehmern in Potsdam kürzlich geäußert haben sollen?
Schorn: Überrascht insofern, als dass es so gesellschaftsfähig geworden ist, so zu sprechen. Ich erinnere mich an Zeiten in den 60er-, 70er-Jahren, in denen sowas mal verhohlen geäußert wurde. Dass es jetzt in so einer Art und Weise Anklang findet, finde ich schon sehr erschreckend. Es ist Wahnsinn, was da gefordert wird.
BZ: Neulich kam ich beim Einkaufen ins Gespräch mit einer Rentnerin in Ihrem Alter. Sie teilte mir dann zum Abschied mit, man könne ja nur noch die AfD wählen – nicht, weil das "ihre Partei" sei, aber aus Protest. Was hätten Sie ihr geantwortet?
Weber: Ich hätte versucht, ihr zu vermitteln, was sie damit auslöst. Dass sogenannte Protestwähler offensichtlich nicht hinterfragen, welche Folgen das hat. Die aktuelle politische Situation in Deutschland ist für viele unbefriedigend. Aber es ist die falsche Reaktion, so zu wählen. Wir Omas werden auch vor den nächsten Wahlen wieder auf den Straßen präsent sein, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, zu diskutieren.
BZ: Als "Omas gegen Rechts" machen Sie ja auch Fortbildungen dazu, wie man sinnvoll miteinander redet, wenn man unterschiedliche Meinungen hat. Wie geht das, ohne sich gegenseitig runterzumachen? Oft geht es ja nur noch ums recht haben, nicht mehr ums Streiten.
Weber: Es ist schwierig. Man muss die Leute fragen, wie sie zu dieser Einstellung kommen und dann versuchen, zu argumentieren. Und zu entkräften. Oder zumindest versuchen zu erklären, wofür einige Schlagworte, die da aus der rechten Szene kommen, eigentlich stehen und was es für schreckliche Folgen hat, wenn man dem folgt.
BZ: Ist dieser Dialog mit den jüngsten Demos angestoßen worden?
Schorn: Bei der großen Demo in Freiburg am Sonntag gab es das Plakat "Ganz Freiburg hasst die AfD". Den Satz kann ich gar nicht unterschreiben. Wir sind da gestanden gegen den Hass. Ich finde es ganz, ganz schwierig, mit Menschen nicht mehr zu reden, auch wenn sie so eine Haltung vertreten.
Weber: Dem kann ich nur zustimmen, auch wenn es manchmal schwer ist. Ich möchte eigentlich sagen: Bleibt wachsam. Aber bleibt im Gespräch!
Das ganze Gespräch hören Sie im Podcast "BZ am Ohr":