Zischup-Interview

"Brände sind das Wenigste, was wir machen"

"Feuer im Herzen?!" Das ist der Slogan der Hamburger Berufsfeuerwehr. Wie sieht der Arbeitsalltag in der zweitgrößten Berufsfeuerwehr Deutschlands aus? Ein Gespräch mit dem Feuerwehrmann Frank Scheffler. .  

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Frank Scheffler Foto: Privat
Zischup: Herr Scheffler, wie sieht der Arbeitsalltag auf einer Wache aus?

Scheffler: Erstmal muss man wissen, wo man eingeteilt ist, denn die Feuerwehrleute sollten auf dem Löschzug fahren können sowie auf dem Rettungswagen. Denn sie werden als Feuerwehrbeamte eineinhalb Jahre und als Notfallsanitäter drei Jahre ausgebildet. Der Tag beginnt um sieben Uhr morgens mit dem Antreten, der Wachabteilungsführer, also der Zugführer liest Funktionen vor und der Tag wird durchgesprochen. Der Tagesdienst sagt an, welche Arbeiten verrichtet werden müssen und welche Unterrichte geplant sind, denn es gibt jeden Tag Unterricht. Zwei Leute werden für den Koch abgestellt, die für die ganze Wachabteilung kochen. Der Rest arbeitet die Arbeiten ab und muss die Rettungswagen einmal pro Woche desinfizieren. Nach dem Antreten gehen die Feuerwehrmänner und Feuerwehrfrauen zu den Fahrzeugen. Der Löschzug fährt oft nach dem Antreten zum Sport, 5000 Meter laufen oder schwimmen oder sie trainieren 30 bis 45 Minuten im Kraftraum der Wache. Alle Fahrzeuge und Geräte werden überprüft. Sofern die Rettungswagen nicht ausgerückt sind, werden sie einmal täglich mit speziellen Testverfahren überprüft und gereinigt. Die für den Löschzug und Rettungsdienst getrennten Unterrichte beginnen unter Leitung von sogenannten Praxisanleitern. Zwischendurch laufen natürlich schon die ersten Einsätze, das sind zirka 80 bis 100 am Tag auf einer Wache, insgesamt 408.000 Einsätze im Jahr 2022. Dabei sind die 330.000 Alarmierungen im Rettungsdienst eine unglaubliche Zahl. Deshalb ist die Aufenthaltszeit in einer Wache oftmals sehr gering. Gegen 12 Uhr isst die ganze Wachabteilung, zirka 40 Männer und Frauen. Im Anschluss sind eineinhalb bis zwei Stunden Ruhezeit, weil die Feuerwehrmänner und Feuerwehrfrauen im Schichtbetrieb, also 24 Stunden, arbeiten. Nachmittags werden die restlichen Arbeiten erledigt und man hat Zeit zur freien Verfügung.

Zischup: Sie haben ja vorhin schon erwähnt, dass die Feuerwehrmänner und -frauen jeden Tag Sport machen, gibt es dafür einen Grund?

Scheffler: Ja, denn einmal pro Jahr muss jeder Feuerwehrmann und jede Feuerwehrfrau einen Ausdauernachweis leisten. Hierbei müssen sie eine bestimmte Strecke in einer bestimmten Zeit laufen, schwimmen oder mit dem Fahrrad fahren. Natürlich auch, um alle Einsätze körperlich zu meistern.

Zischup: Wenn man Sport hat und ein Einsatz reinkommt, was dann?

Scheffler: Dann muss man los. Einer bleibt sowieso immer im Auto sitzen. Und die Läufer haben natürlich eine Laufstrecke, sodass sie innerhalb kürzester Zeit im Auto sitzen und zum Einsatz fahren können. Außerdem hat ein Läufer immer ein Funkgerät dabei, über das er kontaktiert werden.

Zischup: Wie läuft ein Einsatz ab? Ist das je nach Fahrzeug auch unterschiedlich?

Scheffler: Genau, das hängt vom Fahrzeug ab, da man je nach Fahrzeug unterschiedliche Einsatzbereiche hat. Deshalb ist die Frage schwierig zu beantworten.

Zischup: Die Feuerwehr heißt zwar Feuerwehr, aber sie löscht häufig gar nicht so viele Brände, oder?

Scheffler: Ja, genau. Brände sind das Wenigste, was wir machen. Das Meiste ist Rettungsdienst und technische Hilfeleistung, letztes Jahr gab es 316.217 Einsätze insgesamt in diesen Bereichen. Die Feuerwehr macht viel mehr im Rettungsdienst als in der Brandbekämpfung. Wobei bei einem Einsatz eine sogenannte Hilfsfrist eingehalten werden muss, bei der die Feuerwehr innerhalb von acht Minuten nach der Alarmierung am Tatort sein muss. Die ganzen Tempo-30-Zonen zwingen uns jedoch, unsere Feuerwachen zu verlegen, weil wir dort maximal mit Sonderrecht 50 Kilometer pro Stunde fahren dürfen. Wenn wir dort dann die doppelte Geschwindigkeit fahren und jemanden dabei verletzten, hat der Fahrer, grob fahrlässig gehandelt. Deshalb fahren wir langsamer, müssen aber trotzdem die Hilfsfrist einhalten, können dies aber oft nicht mehr. Das heißt, wir müssen 600 Personen mehr einstellen als eigentlich nötig. Oft verleiten die Tempo-30-Zonen und Spielstraßen zusätzlich zum Falschparken und deshalb kommt die Feuerwehr umso schlechter durch. Im Notfall zählt aber jede Minute, diese fehlenden Minuten könnten dem Patienten schädigen. Pro Minute ohne Sauerstoff im Hirn sinkt die Überlebenschance um zehn Prozent.

Zischup: Wie viele Einsätze hat man so ungefähr pro Tag?

Scheffler: Mit einem Rettungswagen zwischen 15 bis 20 Einsätze, auf dem Löschzug, der Löschzug besteht aus mehreren Löschfahrzeugen, zwischen zwölf und 20. Der Notarztwagen hat zwischen 20 und 30 Einsätze, insgesamt fährt er zirka 6000 Einsätze pro Jahr.

Zischup: Was ist die Besonderheit an der Hamburger Berufsfeuerwehr?

Scheffler: Dass wir den Rettungsdienst mitbetreuen und den Hamburger Hafen mit unseren Löschbooten sichern. Wir sind zudem extrem flexibel und super ausgestattet, sodass ein Löschfahrzeug oder ein umcodierter Ersatzwagen oder die Nachbarwache zu einer Alarmierung im Rettungsdienst fahren kann. Außerdem haben wir ganz viele Spezialeinheiten und Wachen mit Sonderaufgaben. Wie zum Beispiel die Rettungstaucher, die Höhenretter und die Wache für Entwesungen und Desinfektion von Einsatzwagen. Wir sind außerdem außerhalb der Dienstzeiten in jedem größeren Theater. Da muss immer ein Feuerwehrmann oder eine Feuerwehrfrau dabei sein. Sonst dürfen die Schauspieler nicht spielen. Wir prüfen dort die Notausgänge und Löscheinrichtungen und machen die erste Hilfe.

Zischup: Wie entdeckt man die Leidenschaft, Feuerwehrmann oder Feuerwehrfrau zu werden?

Scheffler: Bei den meisten passiert das aus Zufall. Heutzutage haben viele Leute Lust, vor allem den Notfallsanitäter zu erlernen. Bei mir war es allerdings durch ein Buch: "Was Kinder alles wissen wollen". Darin waren Berufe vorgestellt unter anderem auch der Feuerwehrmann, und so habe ich immer gesagt, als ich noch kaum reden konnte: "Das will ich mal machen", und dabei ist es geblieben.

Zischup: Wie oft passieren Fehlalarme?

Scheffler: Jeden Tag.

Zischup: Kommt das soziale Leben durch den Beruf zu kurz?

Scheffler: Nein, weil wir ja Schichtdienst haben und zwischendrin immer mal zwei bis drei freie Tage.

Zischup: Was gefällt Ihnen an Ihrem Beruf am meisten?

Scheffler: Die Vielfältigkeit.

Zischup: Gibt es Tipps, um eine Alarmierung der Feuerwehr zu verhindern?

Scheffler: Fast immer sind es technische Fehler, für die der Mensch gar nichts kann. Viele lösen jedoch Fehlalarme durch dampfende Wäscheständer, welche unter Feuermeldern stehen, aus. Auch können Akkus explodieren, deshalb lieber das Abstellen von E-Bikes im Treppenhaus vermeiden.

Zischup: Was entfacht das Feuer im Herzen?

Scheffler: Die super Organisation, die tolle Gemeinschaft hier bei uns und die gute Ausstattung. Dass es ein krisensicherer Job ist und wir die Letzten sind, die wirklich helfen können.
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