Malaysia

Colmar Tropicale ist ein Stück Frankreich im Dschungel

Carola Frentzen und Genevieve Tan Shu Thung

Von Carola Frentzen und Genevieve Tan Shu Thung (dpa)

Do, 16. März 2023 um 18:09 Uhr

Panorama

Colmar mit seinem Fachwerk-Idyll liegt im Oberelsass – oder? Im malaysischen Dschungel nordöstlich der Hauptstadt Kuala Lumpur steht ein Nachbau des Welterbe-Städtchens.

Die sanfte Stimme von Charles Trenet erklingt aus Lautsprechern, vorbei an bunten Fachwerkhäusern mit Erkern und Türmchen. "La Mer...", singt der Chansonnier. Menschen schlendern über das Kopfsteinpflaster, aus einer Boulangerie strömt der Duft knuspriger Croissants. Typisch Frankreich, mag man meinen – wären da nicht der Monsunregen und der Dschungel ringsum. Des Rätsels Lösung liegt in Malaysia. Eine Autostunde nordöstlich der Hauptstadt Kuala Lumpur steht ein Nachbau des Welterbe-Städtchens Colmar im Elsass. Der passende Name des Klons im Regenwald: Colmar Tropicale.

Idee des malaysischen Ex-Regierungschefs

Die bizarre Idee hatte Malaysias Ex-Regierungschef Mahathir Mohamad (97). Der war nach einer Europa-Reise so begeistert vom Charme des Städtchens, dass er den befreundeten Milliardär und Baulöwen Vincent Tan in den 1990er-Jahren überredete, die Idylle nach Asien zu holen und ein "Klein-Colmar" im Dschungel der Berjaya Hills zu finanzieren.

So entstand nach den Plänen des französischen Architekten Jean Cassou eine Art Themenpark samt Restaurants, Cafés und einem Resort mit 235 Hotelzimmern. Auf dem nächsten Hügel thront gleich noch ein Nachbau der berühmten Elsässer Burg Haut-Koenigsbourg, die im wirklichen Leben gut 25 Kilometer von Colmar entfernt steht.

Frankreich-Illusion mit Steinen aus Indien

Von den gemusterten Satteldächern bis zu den hölzernen Balkonen, von den Fassaden in bunten Pastelltönen bis zu den dekorativen Fensterläden, von den Blumenkästen bis zum Gebäck nach französischem Originalrezept – Colmar Tropicale ist alles andere als ein billiges Imitat. Die Frankreich-Illusion ist – abgesehen von der lauen Äquatorluft – fast perfekt. Zumindest für Besucher, die noch nie in Europa waren.

"Für uns ist dies eine Möglichkeit, eine andere Welt kennenzulernen, ohne dass wir dafür nach Frankreich reisen müssen", sagt Nor Atikah Omar, eine Lehrerin aus dem Bundesstaat Johor. Sie ist mit ihrem Mann zum ersten Mal da, auf Empfehlung von Freunden. Es gebe jede Menge zu besichtigen, und das Essen sei fantastisch. "Es ist wirklich eine tolle Touristenattraktion", sagt die 43-Jährige.

Aber natürlich ist nicht alles originalgetreu – das hätte wohl selbst den finanziellen Rahmen eines Milliardärs gesprengt. "Wir haben versucht, Material aus den Steinbrüchen von Adamswiller zu importieren, aber das war zu teuer", sagte Architekt Cassou während der Bauarbeiten 1998 dem französischen Magazin L’Express. "Wir mussten uns mit Steinen aus Indien begnügen."

"Unser Wunsch ist es nicht, mit dem Elsass zu konkurrieren, sondern einfach Colmar so gut wie möglich zu kopieren." Projektleiter Daniel Leong
Der damalige Projektleiter Daniel Leong betonte gegenüber L’Express: "Unser Wunsch ist es nicht, mit dem Elsass zu konkurrieren, sondern einfach Colmar so gut wie möglich zu kopieren." Oder kurz: Den Flair des mittelalterlichen Abendlandes nach Südostasien zu zaubern. Im Jahr 2000 war es endlich so weit: Das Colmar-Imitat öffnete seine Pforten und lockt seither Besucher aus nah und fern.

Wer das Original nicht kennt, dem erscheint die Kopie stimmig. Bei genauerem Hinsehen aber wird klar, dass etwas gemogelt wurde: So haben die Macher mehrere bekannte Sehenswürdigkeiten aus anderen Elsässer Gemeinden integriert, wie den Uhrturm aus Riquewihr und den Wachturm aus Kaysersberg.

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