Das Abi - mehr als nur eine Prüfung

Der große Insider-Report: Der Weg durch den Dschungel von Kurswahl und Pflichtbereichen bis zum glorreichen Ende: Geschafft!.  

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OFFENBURG. Es war eine Reise ins Ungewisse. Wir sind am Ziel! Wir haben es geschafft! Wir haben sie bestanden, die große Abi-Tour! Wer hätte gedacht, dass unsere Reise so kurzweilig wird, als wir vor zwei Jahren unsere Landkarte - den Leitfaden des Kultusministerums - in die Hand gedrückt bekamen, um uns zunächst durch den Dschungel von Kurswahl, Pflichtbereichen und Fächerkombinationen zu schlagen und danach den eigenen Weg durch ein unbekanntes Land zu finden, zu einem in weiter Ferne liegendem Ziel.

Doch damit nicht genug. Auf unserer Reisestrecke gab es so einige Berge, zum Teil sogar tiefe Felskluften, zu überwinden. Allerdings durften wir uns auch manchmal einfach von einem Fluss in die richtige Richtung weitertreiben lassen, den Rückenwind genießen oder den erklommenen Berg laut lachend hinunterrutschen.

1999 machten sich etwa 130 Schiller-Schüler auf den Weg dieses Ziel zu erreichen. Die erste Etappe war die etwas chaotische Kurswahl mit der jeder seinen eigenen Weg vorbestimmen sollte, allerdings anfangs kaum eine Ahnung hatte, ob man zu viel, zu wenig oder etwa das Falsche in seinen Rucksack... pardon, Stundenplan gepackt hatte. Schließlich waren sie da, die neuen Stundenpläne das erste Halbjahr des 12. Schuljahrs. Und jetzt begann das große Chaos - auch bei mir. Ich war es bisher immer gewohnt, der Klasse hinterherzulaufen wenn wir die Räume zwischen den Stunden wechseln mussten. Nun war ich plötzlich ganz auf mich alleine gestellt. "Wo muss ich denn jetzt hin?", "Was habe ich jetzt überhaupt für ein Fach?" "Sag mal, bist du bei mir im Kurs?", Fragen, die man von den durch die Gänge hastenden, verwirrten Zwölfern häufig zugeworfen bekam.

Schließlich gab es plötzlich keine festen Klassen mehr sondern Kurse, in denen man immer mit verschiedenen Leuten zusammen gewürfelt wurde (was übrigens auch seine großen Vorteile hat, Frau Schavan!). Nachdem das erste Wirren und Irren überstanden war, gewöhnte man sich im Kurssystem ganz gut ein. Ja, es wurde fast schon zur Routine. Dass die Deutschklausuren nun vierstündig sind, war plötzlich ganz normal. Auch die Punkte die neuerdings statt einer Note unter der Arbeit standen und am Anfang immer erst umgerechnet wurden, waren plötzlich vertraut.

Trotzdem wurde die Reise nie langweilig. Es gab immer wieder Zeiten, wo man über den Klausurenberg gar nicht mehr drüber schauen konnte. Aber man konnte ihn immer erklimmen. Am besten wählt man den direkten Weg über die Spitze. Sobald man sich auf gefährlichen Schleichwegen um den Berg herum begibt, steht da häufig schon der Tutor und forderte ein ärztliches Attest oder notierte sich "Punkte" (auch so eine neue Erfingung!), die nicht in Flensburg sondern im Zeugnis festgehalten werden. Für große Furore sorgte auch ein nettes Schreiben des Kultusministeriums, das uns am Anfang der 13. Klasse ermunternd mitteilte, dass wir die Ehre haben werden, in einem zusätzlichen mündlichen Prüfungsfach "unserer Wahl" zu brillieren (oder auch nicht).

Oh, diese große schwere, bedeutende Abitursprüfung - ich hatte ziemlichen Respekt vor ihr

Das stand in unserem Routenplan, den wir zu Beginn der Reise bekommen hatten natürlich nicht und so war die Empörung über diesen verspätet angemeldeten Umweg alles andere als klein. Aber für die nächsten Abitursjahrgänge soll es noch besser kommen! Denn dieses zusätzliche mündliche Prüfungsfach soll nur die Vorstufe zu einem schriftlichen 5. Prüfungsfach sein, das in zwei Jahren zusammen mit der neuen Oberstufenreform eingeführt werden soll. Man darf sich also freuen.... Ich jedenfalls freute mich über die vor der Tür stehende schriftliche Prüfung eher weniger. "Oh, d i e große, schwere, bedeutende Abiturprüfung", ich hatte ziemlichen Respekt vor ihr - was auch zum Großteil den Lehrern zu verdanken ist, die solche Gerüchte schürten.

Bei der Deutsch-Abiklausur am Montag waren auch noch alle mächtig aufgeregt. Doch dann stellten sie sich, wie auch die folgenden Abiturprüfungen, als eigentlich ganz normale, etwas längere Klausur heraus, bei der eben hinten im Raum auch noch ein Lehrer sitzt und man sich, um auf die Toilette zu gehen, anmelden muss. Vor der Toilette sitzt dann noch einmal ein Lehrer, der einen dazu anhält, die Türe möglichst leise zuzumachen und genau notiert, wie lange man sich auf derselben befindet. Das war eigentlich das Spannendste: Wann kann ich aufs Klo? Denn von den 127 Schülern bei der Deutschprüfung durfte ja immer nur einer gleichzeitig aufs stille Örtchen und manche benutzen ihre Zeit zum Rauchen (was ja nicht eben in 30 Sekunden erledigt ist). Zum Glück hielten sich alle daran, dass sie, falls sie schon früh fertig sind, in aller Ruhe auf ihrem Stuhl sitzen bleiben und lieber noch eine Runde schlafen, als ihre Arbeit abzugeben. Denn sobald der erste den Raum verlassen hat, ist Toilettenverbot.

Vor der mündlichen Prüfung hatten wir alle aber am meisten Bammel. Letztlich stellten sich die Prüfer aber doch nicht als schülerfressende Ungeheuer heraus, sonders als ganz normale Menschen, die sich meist dezent zurückgehalten haben und dem Lehrer das Fragen überließen. Auch wenn das jetzt stark nach Frau Oberlehrerin klingt: es lohnt sich wirklich, nicht erst zwei Tage vor dem Mündlichen den Versuch zu starten, den Stoff von zwei ganzen Ordner in den Kopf zu bekommen. Ich habe da so meine Erfahrungen gemacht, die nicht unbedingt zum Nachahmen sind. Es ist natürlich unheimlich schwer, nach dem Schriftlichen noch mal mit Büffeln anzufangen. Nein, es ist nicht nur unheimlich schwer, es ist fast unmöglich. Aber damit es sich auch lohnt, wo man doch gerade sowieso beim Lernen ist, wurde uns als erster Jahrgang noch eine zweite mündliche Prüfung aufs Auge gedrückt.

Alles in allem war das Abitur doch nicht sooo schlimm wie alle Lehrer davor uns weißgemacht haben. Wenn man die Unterrichtsstunden der letzten zwei Jahre nicht gerade als Schlafdefizitnachholstunden oder als Plauderstunden über den gutaussehenden Referendar mit der Nachbarin genutzt hat, ist es gar nicht mehr so wild mit dem Lernen. Das manchmal viel Zeitaufwändigere ist ja auch das Drumherum.

Bildung ist etwas Wunderbares, doch sollte man sich von Zeit zu Zeit daran erinnern, dass wirklich Wissenswertes nicht gelehrt werden kann. Oscar Wilde (1854 - 1900)

So haben mich in der letzten Zeit ganz andere Fragen beschäfftigt. "Ist der Artikel für die Abizeitung zu hart? Hoffentlich bekomme ich trotzdem mein Zeugnis." "Wie bekommt man am besten 127 Abiturienten plus 254 Eltern in den Schillersaal, ohne ihnen ein Gefühl von Ölsardinen in der Dose zu vermitteln?" "Ist das Programm vom Musik-LK-Konzert zu lang, zu kurz, auch interessant genug. Woher bekommen wir fehlende Instrumente, Kostüme? Wie moderiert man die Stücke am besten an...?" Das sind die wirklich wichtigen Ereignisse, die das besondere Abi-Feeling ausmachen. Denn was wäre das Abi ohne die Feste, Feiern, die Abizeitung, die Abiband und das Abi-Shirt?

Abi ist mehr als nur eine Prüfung - Abi ist (zumindest für uns im Moment) ein Lebensgefühl! Das war unsere Reise zum Abitur - die Abi-Tour 2001 - mit all ihren Hoffnungen und Enttäuschungen. Was bleibt? Natürlich die Eintrittskarten, die man bei einer Reise oft als Erinnerung aufbewahrt, in unserem Fall: das Abiturzeugnis - unsere Eintrittskarte ins Leben. Und wie bei jeder Reise sind viele bunte Erinnerungsfotos entstanden, die jeder von uns im Herzen trägt. Doch schon in ein paar Jahren werden wohl auch unsere Erinnerungen wie die Bilder im Photoalbum vergilben und alles in ein warmes, romantisches Licht tauchen. "Hach, das war halt doch noch eine schöne Zeit in der Schule...".

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