"Das Kind wird geradezu gezwungen, ein Mörder zu werden"
BZ-INTERVIEW mit Renate Winter, internationale Richterin für die UN-Verwaltung in Mitrovica, über die Gründe für die wachsende Jugendgewalt im Kosovo.
OSNABRÜCK/FREIBURG. Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, ethnische Konflikte, organisierte Kriminalität - um diese Straftatbestände kümmern sich im Kosovo internationale Richter. Die österreichische Juristin Renate Winter arbeitet für die UN-Verwaltung in Mitrovica, auch im Bereich des Jugendstrafrechts. Mit ihr sprach Frauke Wolter.
BZ: Im Kosovo sind viele Jugendliche angeklagt wegen Mordes oder schwerer Körperverletzung. Was sind die Hintergründe?Winter: Das große, grundsätzliche Problem ist: Das ethnische Element überlagert das Rechtsempfinden. Das bedeutet, dass die Menschen Verbrechen unterschiedlich beurteilen - je nachdem wer sie an wem begangen hat. Außerdem lebt insbesondere die Landbevölkerung im Zweifelsfall nach dem Kanun - dem alten Recht, das seit Jahrhunderten das Zusammenleben der Menschen regelt. Was das Strafrecht betrifft, gibt es dabei Vorschriften, die sich mit unseren Auffassungen ...