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Das perfekte Selfie-Studio

dpa

Von dpa

Mi, 11. März 2020

Panorama

In Berlin hat ein Museum eröffnet, das sich ganz an die Generation Instagram wendet – mit Kulissen und gutem Licht fürs Selbstporträt.

Torsten Künstler, Gründer des Selfie-Museums, vor einem der Hintergründe  | Foto: Carsten Koall (dpa)
Torsten Künstler, Gründer des Selfie-Museums, vor einem der Hintergründe Foto: Carsten Koall (dpa)

BERLIN (dpa). Für die einen sind sie ein tolles Mittel, um sich mit anderen zu vernetzen und sich ins Gespräch zu bringen, für andere ein Ausdruck eines überbordenden Narzissmus: An Selfies scheiden sich die Geister. Nun hat in Berlin das erste Museum aufgemacht, das sich ganz um das Selbstporträt dreht – und natürlich viele Möglichkeiten bietet, sich in Szene zu setzen.

Das rechte Bein angewinkelt. Die Haare hinters Ohr gestrichen und die Hand in der Hüfte – dann macht es "Klick, Klick, Klick". "Ja, es ist schon auch anstrengend", gibt die 42-jährige Khalan zu, während sie im rot-schwarzen Rockabilly-Outfit zwischen grünen Leuchtröhren posiert. Seit mittlerweile sechs Stunden lässt sie sich von ihrer Freundin in der Berliner "The WOW! Gallery" fotografieren – ein Spielplatz für Instagrammer.

25 austauschbare Foto-Sets auf 1000 Quadratmetern – darunter ein Berliner Partyraum, instagramtypische Engelsflügel und ein Spätkauf, kurz "Späti", in knallpink. "Fun, Fashion und Berlin sind unsere Hauptthemen", sagt Gründer Torsten Künstler (50). Der Drehbuchautor, der sonst mit Schauspielern wie Til Schweiger oder Matthias Schweighöfer zusammenarbeitet, hat mit anderen Filmschaffenden den Spielplatz für die Generation Instagram und Tiktok kreiert.

Vorbilder für "The WOW! Gallery" gibt es mittlerweile viele. In New York heißt es "Museum of Ice Cream", in Budapest "Museum of Sweets & Selfies". Als erster deutscher Ableger eröffnete 2018 das "Supercandy Pop-up-Museum" in Köln. "Das Besondere bei uns: Hier gibt’s das perfekte Licht, das für den Wow-Effekt sorgt. Besucher sehen weder blass noch zu grell auf den Fotos aus", so Künstler.

"Das Licht ist mega, ich habe bestimmt 20 Outfits dabei", sagt die 22-jährige Besucherin Sarina, während sie sich in einer himmelartigen Kulisse mit Wolken und Regenbogen in Szene setzt.

Selfie-Museum: ein Begriff, der auch in der Beschreibung der "The WOW! Gallery" steht, aber eigentlich falsch ist. "Aber er hat sich geprägt und nach ihm wird gesucht", meint Künstler, der bei seinen Kulissen auf knallige Farben und Interaktionsmöglichkeiten setzt. Er bezeichne es jedoch lieber als "Do-it-yourself-Studio". Selfies gebe es hier kaum. "Die Bilder entstehen in Teamarbeit."

Sich in verschiedenen Posen ablichten und die Fotos in sozialen Medien veröffentlichen – für viele junge Menschen ist das normal. Medienwissenschaftler Marc Urlen vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) glaubt, dass dieser Trend noch nicht vorbei ist. Er verlagere sich nur von Kanal zu Kanal. "Zuerst hatte man Facebook, dann Youtube und Instagram und jetzt Tiktok, wo man die Videos auf wenige Sekunden zuspitzt, um in kürzerer Zeit noch mehr Reize zu haben", sagt Urlen.

Er sieht den Social-Media-Hype der jungen Menschen kritisch. "Heranwachsende können ihr Verhalten oft nicht reflektieren. Sie sehen nur die Klicks", erklärt er. Dem könne man nur entgegenwirken, wenn man in der Schule Medienkompetenz vermittele.

Laut Urlen glauben viele Heranwachsende, durch gute Fotos in den sozialen Netzwerken bekannt zu werden. "Influencer ist für viele junge Menschen ein attraktiver Beruf. Vor allem, wenn sie in herkömmlichen Berufsfeldern keine guten Aussichten haben", sagt Urlen. Influencer sind Personen, die aufgrund ihrer Reichweite in den sozialen Netzwerken zu Meinungsführern avancieren und so Geld verdienen können.

Künstler sieht den Trend weniger kritisch. Menschen hätten sich schon immer präsentieren wollen. Heute sei es nur einfacher, meint der Drehbuchautor, dem die Idee für "The WOW! Gallery" auf einem Musikfestival kam. "Als ich gesehen habe, dass die Menschen lieber für das perfekte Foto als für die Acts Schlange stehen, war das Konzept geboren", erzählt er. "Kulissen bauen kann ich – wieso also nicht für diejenigen, die das Smartphone mit der Muttermilch bekommen haben?"

Besucher der "The WOW! Gallery" lassen sich den Spaß einiges kosten. Ein normales Ticket für 90 Minuten kostet 29 Euro. "Zusätzlich können Gäste einen professionellen Fotografen engagieren, der die Gruppe begleitet." Hier geht die Preisspanne von 67 Euro für 45 Minuten bis hin zu 400 Euro für einen ganzen Tag", sagt Künstler. Auch ein persönlicher Stylist könne dazu gebucht werden.

Sarina ist mittlerweile im Konfettiraum angekommen. Goldene Glitzer-Schnipsel schießen aus einer Kanone und regnen auf sie herab. "Ich weiß nicht, ob ich ein Foto posten werde", sagt sie. "Um Influencer zu sein, habe ich eh zu wenig Follower."

Ressort: Panorama

  • Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der BZ vom Mi, 11. März 2020:
  • Zeitungsartikel im Zeitungslayout: PDF-Version herunterladen

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