Demnächst können auch in Freiburg schon 16-Jährige wählen

Wenn im Frühjahr 2014 in Baden-Württemberg kommunal gewählt wird, ist vermutlich Laura Ciano dabei, obwohl sie dann erst 17 ist. Am heutigen Dienstag nämlich wird die Novelle für das neue Kommunalwahlrecht im Kabinett in Stuttgart verabschiedet.  

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U-18-Besuch im Gemeinderat – als kürzlich die Kindertraumstadt vorgestellt wurde. Foto: thomas kunz

Wenn auch der Landtag zustimmt, wird für Kommunal- und Landtagswahlen in Baden-Württemberg das Mindestalter auf 16 Jahre festgesetzt. Die Reaktion auf diese Neuerung ist in Freiburg erfreut – mit einigen kritischen Anmerkungen.

Laura Ciano selbst, 16 Jahre alt und derzeit im berufspraktischen Jahr, hatte sich im Sommer kurz vorm Realschulabschluss noch im Schulunterricht in Gemeinschaftskunde mit dem Thema befasst. "Es ist gut, wenn sich auch Jüngere schon mit Politik befassen und mitentscheiden können", sagt sie, "aber es stellt sich die Frage, von was sich gerade jüngere Leute dann auch in ihrer Entscheidung beeinflussen lassen." Ihre Sorge: Die Sachfragen sind so komplex, die Meinungen und Informationen dazu so schwer zu durchschauen, dass da leicht auch populistische Stimmungen wahlentscheidend werden: "Wer kennt sich denn wirklich aus, wenn es zum Beispiel um illegale Downloads geht?" Sybille Schick, Fachbereichsleiterin für das Fach Politik am Kepler-Gymnasium, stellt fest, dass seit Jahren genau diese Frage nach der nötigen Kompetenz wieder und wieder in allen Diskussionen zum Wahlalter besprochen wird: "Die Jugendlichen nehmen diesen Vorgang des Wählens sehr, sehr ernst und sehen deutlich die Verantwortung, die man als Wähler auch mitzutragen hat." Sybille Schick lenkt dann gerne den Blick auf die Kompetenz der älteren Wähler: Kennen die sich in diffizilen Themen wirklich gut aus?

Bei diversen Aktionen und Unterrichtsprojekten befragt sie denn auch immer wieder die jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer: "Glaubt ihr, dass ältere fundierter und gewissenhafter wählen?" Das Ergebnis: Eigentlich nicht.

Ähnlich schätzt das auch Tom Pannwitt ein. Der 23-jährige Fertigungsmeister gehörte zu der Freiburger Initiativgruppe, die vor knapp zwei Jahren zur Landtagswahl in Baden-Württemberg "U18 – die Wahl für Kinder und Jugendliche" mitorganisierte. Speziell für die Kommunalwahlen sieht er die Kompetenz ganz klar auch bei den Jugendlichen: "Egal ob Alkoholverbot oder Nachtbusangebote, da sind sie von betroffen und sollten mitreden und mitentscheiden können." Seine Forderung geht sogar noch weiter – mindestens auf 16 solle das Wahlalter für Kommunalwahlen gesenkt werden – sprich: auch ein jüngeres Wahlalter wäre hier seiner Meinung nach unter Umständen sinnvoll.

Skeptisch ist da allerdings Lukas Thiele. Der 18-jährige Politik-Student hätte zwar selber gerne mit 16 schon mitgewählt, glaubt aber, dass das Gros der Jugendlichen zu politikfern lebt, als dass sie schon mitreden können. Nyansa Kamateh, 17, sieht das anders: "Ich würde natürlich wählen, wenn ich wählen dürfte. Dann hätte ich längst schon die Atomkraft abgewählt. Zum Beispiel. Über all das können auch junge Leute mitentscheiden." Martin Matho, 16, will in Sachen Hartz IV mitreden – und Obdachlose unterstützen. Wahlen? "Gut, wenn ich mitmachen kann!" Jürgen Messer vom Freiburger Jugendbüro hält das jüngere Wahlalter für wichtig und hofft, dass Jugendliche mit ihren Anliegen in den Kommunen ernster genommen werden, wenn sie denn auch Wähler sind. Dass sie die Fähigkeit haben abzuwägen und zu wählen zeigen Jugendliche längst schon immer wieder bei den "Pseudo"-Wahlen, den U18-Wahlveranstaltungen: "Das wird hochspannend, wenn in Zukunft richtig gewählt wird!" Allerdings seien die Aktionen, die jugendliche Meinung im Vorfeld von Wahlen abfragen, auch sehr wichtig und verdienstvoll, so Messer, "da haben die Schulen schon ganz viel vorgelegt!"

Alle Bildungseinrichtungen seien nun erst recht gefragt, die Jugendlichen in Sachen Politik gut zu begleiten. Für die Klassen 8 und 9 ist "Demokratie in der Gemeinde" in den Bildungsplänen vorgesehen, nun aber müsse man sich vor allem überlegen, wie die Landespolitik stärker in den Bildungsplänen verankert werden könne. Auch die Methoden politischer Bildungsarbeit müssten weiter greifen, die Jugendlichen gut ausstatten. Rollenspiel und Exkursionen in Gemeinderatssitzungen, nennt Jürgen Messer. Und Politiklehrerin Sybille Schick ergänzt: "Politiker müssen viel mehr in die Schulen kommen, die sind für die jungen Menschen viel zu ungreifbar."Sind ferne Politiker ein Grund für die Jugendlichen, gleich schon "politikverdrossen" zu sein? Nein, sagt Sybille Schick, "das sind sie auch gar nicht – im Gegenteil, die Politik findet auch im Leben der Jugendlichen statt." Ein Trend, der in Freiburg an etlichem zu erkennen ist, wie auch Tom Pannwitt betont: "Zum Beispiel findet im Kulturzentrum Artik ein politischer Stammtisch für junge Menschen statt, die sich nicht parteipolitisch engagieren wollen." Und auf der anderen Seite gedeihen die Jugendparteien so gut, dass sie an einer gemeinsamen Plattform tüfteln. Und insgesamt werde man nie nachlassen mit dem ständigen Bemühen, die richtigen Formen der Beteiligung für Jugendliche zu finden, verspricht Jürgen Messer: "Wählen ist da schon ganz schön gut!"

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