Der bekennende Optimist
Mark Forsters neues Album "Tape" erzählt von der Weiterentwicklung des deutschen Sängers – persönlich, aber auch stilistisch.
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Wenn es seine Zeit erlaubt, ist der gebürtige Pfälzer, der in Berlin wohnt, gern bei Heimspielen seines Lieblingsvereins 1. FC Kaiserslautern. Bei jedem Match der Fußballnationalmannschaft fiebert er aufgeregt mit. Früher nur vor dem Fernseher, in Frankreich im Stadion. Und zwar bei allen Deutschland-Spielen. Die ARD schickt den 32-Jährigen als Reporter für ihre Jugendradios zum Turnier. Warum gerade er der perfekte Kandidat ist? Weil er als Juror der Sat 1- Talentshow "The Voice Kids" viele junge Fans gewonnen hat, die Deutschlands wohl bekanntesten Schirmmützenträger richtig cool finden.
Das könnte er als selbstverständlich ansehen. Tut er aber nicht. Dafür ist er ein zu kumpelhafter Typ. Mit einem sonnigen Gemüt. Wenn er in dem Stück "Sowieso" singt: "Alles wird gut, sowieso.", bringt er sein Lebensmotto auf den Punkt: "Ich bin ein bekennender Optimist." Ihn aus der Fassung zu bringen, erscheint beinahe unmöglich. Jedenfalls hat er sich bisher in der Öffentlichkeit keinen nennenswerten Fehltritt geleistet. Einzig der melancholische Unterton einiger Nummern lässt darauf schließen, dass bei ihm eben auch nicht immer alles toll ist. Er selbst findet sich mitunter zu verkopft: "Ich zerdenke einige Sachen manchmal."
In der Vergangenheit gehörte er definitiv zu denen, die oft zwischen Herz und Verstand hin und her gerissen waren – davon zeugte sein Erfolgsalbum "Bauch und Kopf", das ihn 2014 in die Top Ten katapultierte. Danach setzte für Forster ein Lernprozess ein, aus dem er gestärkt hervorging: "Ich versuche jetzt, meine Entscheidungen mehr aus dem Bauch heraus zu treffen, statt mit dem Kopf."
Während einer USA-Reise machte sich das bezahlt. Als er eines Nachts spontan entschied, ein wenig durch New Orleans zu stromern, stieß er auf eine Brassband. Ihre Musik gab die Initialzündung für seine CD "Tape", mit der er zwischen Pop, Rap, Bläsern, Streichern und dem Chorgesang der Harlem Gospel Singers variiert: "Ich wollte eine Platte machen, die so abwechslungsreich wie die alten Tapes klingt, die ich früher in meinem Kinderzimmer aufgenommen habe."
Als Junge hockte Forster oft vor seiner Anlage, um Lieblingslieder aus dem Radio auf Kassette mitzuschneiden. Nicht für seine Angebetete, sondern für sich. Für seine Sampler entwickelte er eine eigenwillige Dramaturgie. Auf die Ballade "Don’t Speak" von No Doubt musste die Britpop-Fußballhymne"Three Lions" von den Lightning Seeds folgen. Weil er manchmal nicht schnell genug die Aufnahmetaste drückte, erwischte er nicht jeden Titel vollständig. Jahrelang kannte er nur die erste Strophe von Paul McCartneys "Hope of Deliverance": "Bis heute kommt es mir komisch vor, diesen Song komplett zu hören."
Von dieser Obsession seiner jungen Jahre erzählt der erste Song von "Tape". "Spul zurück" erklärt die Mixkassetten zum Soundtrack von Forsters persönlichem Entwicklungsroman – raus aus dem Kinderzimmer, hinein ins eigene Leben und zur großen Liebe. Auf der Reise zu sein, immer wieder zu hinterfragen und sich selbst vergewissern, ob und dass die grobe Richtung stimmt, Zweifel eingestehen und zerstreuen, sich getrauen, Fehler machen – das sind auch auf "Tape" die großen Themen. "Da fährt ein Bus", einer von 14 Songs der Platte, bringt das auf den Punkt: "Denn egal, wo ich auch bin, es gibt nen Weg / Er wird dort solang sein bis ich ihn geh / Egal wohin, ich komm dahin / Wie genau, werden wir sehen."
Stilistisch geht Forster seinen Weg weiter. Fließender Sprechgesang, kein Stakkato wie beim klassischen HipHop, sondern abgerundet, meist unterlegt mit harmonischen Beats – das ist das Fundament. Aus dem wieder sehr eingängigen "Tape" spricht aber der Wunsch, sich musikalisch weiterzuentwickeln, zu diversifizieren. "Egal" ist eine zurückgenommene Ballade, sparsam untermalt von akustischer Gitarre und Percussion. "Chöre" lebt von einem House-Piano und Handklatschen, "Selfie" beginnt fingerschnippend und geht in Soul und Streichern auf. "Die beste Nacht" füllt die Lücke zwischen Cro und Justin Timberlake.
Zurück zum Fußball. Mit seinem Freund, dem Nationalspieler Lukas "Poldi" Podolski, verbindet ihn nicht bloß die Leidenschaft für diesen Sport: "Wir haben beide polnische Wurzeln." Forster, der bürgerlich Mark Cwiertnia heißt, hat eine polnische Mutter und einen deutschen Vater. Das könnte ihn während der EM in die Bredouille bringen, weil Deutschland und Polen ja gegeneinander antreten werden. Er grinst verschmitzt. Längst hat er entschieden, zu wem er halten wird: "Ich bin ein Fan der deutschen Nationalmannschaft, seitdem Andy Brehme – übrigens ein Kaiserslautern-Spieler – 1990 im WM-Finale den entscheidenden Elfmeter versenkt hat." Polen drückt Forster bei allen anderen Spielen die Daumen: "Ich hoffe, dass Polen bei der EM so weit wie möglich kommt. Denn ich fühle mich als halber Pole."
Er fährt gern nach Polen. Überhaupt ist er ein Familienmensch. Seiner Schwester hat er die Nummer "Natalie" gewidmet. Als sie es zum ersten Mal hörte, war sie gerührt. Sie weinte sogar. Mehr lässt sich Forster im Gespräch aber nicht über seine Schwester oder sein Verhältnis zu ihr entlocken: "Ich bin in meinen Liedern sehr offen – das genügt! In Interviews muss ich nicht auch noch über mein Privatleben sprechen."
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