Der Hof, die Äcker und elf Kinder

Das Leben von Maria Kleiser war geprägt von Krieg, Verlust und viel, viel Arbeit / Ihre Urenkelin berichtet.  

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Auf dem Hof mit Kühen und Kindern Foto: privat

Der Schwarzwald gilt als Idylle. Für die Bauern war er das früher aber nicht immer. Die Schülerin Sophia Ketterer aus der Klasse 8d des Kollegs St. Sebastian in Stegen erzählt von dem Leben ihrer Uroma Maria Kleiser, die 1922 auf dem Salenhof in Schwärzenbach im Hochschwarzwald als zweitältestes Kind einer Bauernfamilie geboren wurde.

Maria Kleiser hatte fünf Geschwister. Ihre Eltern waren Johann und Johanna Kleiser. Ihre Mutter stammte vom Unteren Wirtshaus in Langenordnach. Die Hochzeit ihrer Eltern fand 1919 statt. Da war Vater Johann gerade erst aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekommen. Ihre Mutter Johanna hatte immer sehr schwere Geburten. Nach der Geburt des siebten, totgeborenen Kindes starb ihre Mutter 1935. Meine Uroma Maria war damals erst 13 Jahre alt. Ihr Vater hat den Zweiten Weltkrieg noch erlebt. Er starb, nachdem er an Magenkrebs erkrankt war, 1946 im Alter von 56 Jahren.

Drei Brüder von Maria Kleiser mussten zu Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 sofort zur Wehrmacht und in den Krieg ziehen. Diese Brüder sind alle nacheinander gefallen. Egon starb schon 1941 in Smolensk, als die deutschen Soldaten in Polen einfielen. Später fiel ihr Bruder Ernst in Russland und Erwin in Lemberg, das ist in Polen. Während des Krieges wurden auch auf Neustadt im Schwarzwald Bomben geworfen. Wahrscheinlich sollte die Bahnlinie das Ziel sein, aber es wurden mehr Häuser als Bahngleise getroffen. Auch am Himmel waren oft Luftkämpfe zu sehen. Ihre Schwester und der jüngste Bruder Eugen, der später den Salenhof übernahm, haben den Krieg überstanden.

Bald nach Kriegsbeginn kamen polnische Kriegsgefangene nach Deutschland. Sie wurden als Zwangsarbeiter auch auf Bauernhöfen eingesetzt. Auf den Salenhof kam Josef Crieciek aus der Gegend von Bielitz in Oberschlesien. Nach dem Kriegsende wurde in vielen Geschäften geplündert und randaliert. Josef war sehr nett und half sogar noch Lebensmittelvorräte zu verstecken. Im Winter 1947 durfte Josef zurück nach Polen. Maria hatte noch Briefkontakt, der nach und nach aber eingeschlafen ist.

Maria wurde 1928 in Schwärzenbach eingeschult. 1936 wurde sie aus der Volksschule entlassen und ging dann nach Neustadt in die Kochschule. Sie musste immer zu Fuß in die Schule gehen, da es noch keine Busse gab. Das war vor allem im Winter sehr beschwerlich, da damals im Hochschwarzwald noch sehr viel Schnee lag. Ihren späteren Mann Adolf Kleiser vom Bärenhof in Schollach lernte sie 1947 kennen. Beide hatten den gleichen Familiennamen, waren aber nicht verwandt. Nach dem Krieg war es schwer eine Wohnung und eine Arbeit zu finden. Von Bekannten hatten sie erfahren, dass in einem Nachbarort das Hinterhaus zum Verkauf stand. Dort lebte ein altes Ehepaar, das keine Nachkommen hatte. Sie haben sich dafür entschieden, das Anwesen 1947 zu kaufen.

Kartoffel- und Getreideäcker mit der Hand gejätet

Adolf begann, das Haus zu renovieren. In der Küche gab es zum Beispiel noch keinen richtigen Fußboden, es lagen Steinplatten mit Erde dazwischen auf dem Boden. Als die ersten Renovierungen abgeschlossen waren, wurde im April 1948 in der Klosterkirche Friedenweiler geheiratet. Die Vorbesitzer wurden bis zum Tod in der Familie versorgt und gepflegt.

Maria war sehr kinderlieb. 1949 wurde der erste Sohn Leonhard geboren. Nacheinander brachte sie noch weitere zehn Kinder zur Welt, die alle im Hinterhaus aufwuchsen. Als Maria 1979 zu einer Operation im Krankenhaus in Löffingen war, kam im gleichen Krankenhaus ihr erstes Enkelkind, meine Mutter Sandra, zur Welt. 24 Jahre später wurde ich als erstes Urenkelkind von Maria geboren. Bis zu Ihrem Tod im Jahr 2016 hatte sie bereits zehn Urenkelkinder.

Meine Uroma Maria hat immer gerne im Garten und auf den Feldern gearbeitet. Sie hat mir immer erzählt, wie früher das Heu mit Kühen oder Pferden eingefahren wurde. Die Arbeit auf dem Hof wurde einfacher, als 1952 der erste Traktor gekauft wurde. Bis zum Ende ihres Lebens interessierte sie sich sehr stark für alles, was mit dem Hof zusammenhing. Solange es ihr möglich war, hat Maria im Stall und auf dem Feld mitgearbeitet. Besonders wichtig war Maria immer, dass die Kartoffel- und die Getreideäcker von Hand gejätet wurden. Das war ihr ein großes Anliegen.

Der Hof ging 1981 an ihren Sohn Johannes über, der ihn 2013 an seinen Sohn Jürgen übergab. Mit der Hofübergabe an Johannes wurde ein Leibgedinghaus gebaut, in dem Maria seit 1984 in einer sehr schönen Wohnung gelebt hat. Uroma Maria hat mir immer viel von Ihrem Leben erzählt. Für Ihren ältesten Sohn hat sie ihre Erinnerungen aufgeschrieben. Maria starb im Mai 2016 im Kreis ihrer Familie.

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