75 Jahre Kriegsende
Der Schweizer Diplomat Carl Lutz hat Zehntausenden Juden das Leben gerettet

Carl Lutz ist ein verkannter Helfer und ein verkannter Held. Kein Bundesrat hat mir die Hand geschüttelt. Es wurde mir nicht gedankt." In zwei knappe Sätze verpackte Lutz seine ganze Verbitterung.
80 Jahre ist Carl Lutz alt, als er dem Schweizer Fernsehen dieses Interview gibt. Mit seiner ganzen Körperhaltung drückt der Interviewte aus, wie tief er getroffen ist, gedemütigt, noch immer, nach Jahrzehnten. Ein Vorgesetzter habe ihm nach seiner Rückkehr nach Bern gesagt, er solle froh sein, dass er den Krieg überlebt habe. "Das war alles", sagt Lutz tief getroffen im Januar 1975. Wenige Wochen später, am 12. Februar, erliegt Carl Lutz in Bern einem Herzversagen, Tage später hätte er seine Wohnung räumen müssen, die ihm 40 Jahre Heimathafen war. Er selbst kann kein weiteres Mal Zeugnis ablegen. Das hat seine Stieftochter Agnes Hirschi übernommen.
Sein Tod verschonte Carl Lutz vor einer weiteren Demütigung. Er musste nicht mehr erleben, dass das Interview nicht ausgestrahlt wurde, nicht im Schweizer Fernsehen und auch sonst nicht. Stattdessen verschwanden die Filmrollen für drei Jahrzehnte im Archiv, wo sie erst vor wenigen Jahren entdeckt wurden. 1975 war die Schweiz noch nicht so weit, 45 Jahre später, zum bevorstehenden 125. Geburtstag von Carl Lutz am 30. März, hat sich das geändert. Im Bundeshaus, dem Parlamentsgebäude, ist seit 2018 ein Sitzungssaal nach ihm benannt. Eine besondere Auszeichnung, ein Zeichen später, sehr später Anerkennung.
Der Zorn des alten Mannes galt besagtem Bundesrat in Bern, seiner eigenen Regierung. Im Grunde allen Regierungen nach 1945. Sein Leben lang, bis zu seiner Pensionierung 1961, hat Carl Lutz der Schweiz als Diplomat gedient, auch in schweren Zeiten. Er sah darin, dem Wohl seines Landes zu dienen, keinen Widerspruch zu seinem christlichen Auftrag, Gott und den Menschen zu dienen. Und so wurde Carl Lutz, der seit 1942 den Posten eines Vizekonsuls der Schweiz in Budapest besetzte, zu einem der größten Judenretter der Geschichte. 1946 bescheinigten ihm jüdische Organisationen formell, er habe 62 000 Juden vor den Gaskammern bewahrt. Die Zahl sei wohl etwas hoch gegriffen, ...
Sein Tod verschonte Carl Lutz vor einer weiteren Demütigung. Er musste nicht mehr erleben, dass das Interview nicht ausgestrahlt wurde, nicht im Schweizer Fernsehen und auch sonst nicht. Stattdessen verschwanden die Filmrollen für drei Jahrzehnte im Archiv, wo sie erst vor wenigen Jahren entdeckt wurden. 1975 war die Schweiz noch nicht so weit, 45 Jahre später, zum bevorstehenden 125. Geburtstag von Carl Lutz am 30. März, hat sich das geändert. Im Bundeshaus, dem Parlamentsgebäude, ist seit 2018 ein Sitzungssaal nach ihm benannt. Eine besondere Auszeichnung, ein Zeichen später, sehr später Anerkennung.
Der Zorn des alten Mannes galt besagtem Bundesrat in Bern, seiner eigenen Regierung. Im Grunde allen Regierungen nach 1945. Sein Leben lang, bis zu seiner Pensionierung 1961, hat Carl Lutz der Schweiz als Diplomat gedient, auch in schweren Zeiten. Er sah darin, dem Wohl seines Landes zu dienen, keinen Widerspruch zu seinem christlichen Auftrag, Gott und den Menschen zu dienen. Und so wurde Carl Lutz, der seit 1942 den Posten eines Vizekonsuls der Schweiz in Budapest besetzte, zu einem der größten Judenretter der Geschichte. 1946 bescheinigten ihm jüdische Organisationen formell, er habe 62 000 Juden vor den Gaskammern bewahrt. Die Zahl sei wohl etwas hoch gegriffen, ...