"Die Belastung hat sich verändert"

ZISCHUP-INTERVIEWmit der Konrektorin Nicole Bündtner über die Herausforderungen des Schulbetriebs in Pandemiezeiten .  

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Nicole Bündtner Foto: Privat

Die Corona-Pandemie hat uns alle gefordert. Besonders die Schulschließungen waren für Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrpersonal eine große Herausforderung und manchmal bestimmt auch sehr belastend. Mich interessiert, wie diese Situation ein Schulleitungsmitglied gemeistert hat oder immer noch meistert. Deshalb habe ich, Marilena Bündtner aus der Klasse 8b der Weiherhof-Realschule in Freiburg, meine Mutter Nicole Bündtner interviewt. Sie ist Konrektorin im Schulzentrum Oberes Elztal mit Grund-, Haupt-, Werkreal- und Realschule.

Ich selbst erinnere mich noch gut an das Lernen zu Hause. Es war oft anstrengend, einen eigenen Zeitplan zu erstellen, die Wochenaufgaben der verschiedenen Fächer in geeignete Päckchen zu packen und auf die einzelnen Tage zu verteilen. Puhhh ... gut, dass ich das nicht alles alleine stemmen musste und bei Bedarf Unterstützung hatte.

Zischup: Hat sich deine Arbeitsbelastung durch Corona verändert?
Bündtner: Ja. Die Arbeitsbelastung hat sich verändert. Es kamen einfach noch einige Dinge zusätzlich dazu. Die Schulen mussten eigene Hygienekonzepte und Wegepläne erstellen, Elternabende oder andere schulische Veranstaltungen im Schichtbetrieb durchführen. Aufsichten wurden erhöht, der Pausenbetrieb anders aufgeteilt, es wurde versucht, gezielt und verstärkt auf die geltende Abstandsregelung zu achten. Klassenübergreifende Gruppierungen wie zum Beispiel in Französisch, Ethik, Religion und Sport mussten kohortenrein gebildet werden – und, und, und. Allein das häufige Testen, das Datenerfassen mit kontinuierlicher Aktualisierung ist mit einem großen zeitlichen Aufwand verbunden: Wer ist genesen, geimpft oder muss getestet werden? Wer ist nach der Testung positiv und muss in Quarantäne?

Zischup: Du hast gesagt, dass viele Aufgaben "on top" kamen. Wie kann man denn das alles überhaupt schaffen?
Bündtner: (lacht) Ja. Das frage ich mich auch oft. Nein, im Ernst: Man braucht ein gutes Team an der Schule, das zusammenhält, Eltern, die mit den Lehrern an einem Strang ziehen, Kinder und Jugendliche, die ihren Aufgaben nachkommen – und man muss klare Prioritäten setzen. Das ist gar nicht so leicht!

Zischup: Hat sich auch das Unterrichten verändert?
Bündtner: Das Unterrichten an sich hat sich, wenn man von Präsenzunterricht ausgeht, nicht verändert. Klar, die Testungen vor Unterrichtsbeginn kosten Zeit, das Tragen der Maske und die gegebenen Vorschriften können ab und an anstrengend sein. Aber wir wissen ja, warum wir das machen. Die Gesundheit steht an erster Stelle.

Zischup: Gibt es Vorteile durch Corona, beziehungsweise kannst du diesem Corona-Jahr etwas Positives abgewinnen?

Bündtner: Sagen wir so: Ich hätte auf Corona verzichten können. Natürlich gab es dennoch Positives. Konferenzen konnten von zu Hause aus stattfinden, das war manchmal für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie von großem Vorteil. Außerdem fand ich einige schulische Veranstaltungen, zum Beispiel die Abschlussfeiern oder Einschulungen, sehr gelungen. Es waren kleinere Veranstaltungen, aber durchaus sehr schön mit angenehmer Atmosphäre. Auch die Digitalisierung, die natürlich bereits da war, wurde bei uns durch die Pandemie noch schneller vorangetrieben.

Zischup: Haben die Kinder durch die Pandemie das Lernen verlernt?
Bündtner: Eine Pauschalaussage ist hier nicht zu treffen. Verschiedene Faktoren spielen mit Sicherheit eine Rolle. Die technische Ausstattung zu Hause, die Fähigkeit in der Selbstorganisation, die Unterstützung durch Familienmitglieder, Freunde, die intrinsische Motivation, Schicksalsschläge..., um hier nur einige wenige einmal konkret zu nennen. Für viele Kinder, Jugendliche und Familien war das bestimmt sehr herausfordernd, und somit ist es auch legitim, dass Bildungslücken entstanden sind. Jetzt muss einiges nachgeholt werden. Kinder müssen gefordert, aber nicht überfordert werden. In den letzten Wochen habe ich einige Tränen trocknen müssen. Manche jungen Menschen müssen sich erst wieder an die Tagesstruktur Schule gewöhnen. Die Mehrheit hat sich eigentlich wieder auf die Schule gefreut. Doch wenn Kinder und Jugendliche kurz nach Schulbeginn nur mit Leistungsbeurteilungen und Misserfolgen konfrontiert werden, ist das meines Erachtens kontraproduktiv.

Zischup: Was wünschst du dir für dieses Schuljahr beziehungsweise für die Zukunft in Bezug auf die Pandemie?
Bündtner: Ich wünsche mir, dass wieder der Mensch – die Kinder und Jugendlichen – in den Mittelpunkt kommen. Mammutprojekte wie Rückenwind, deren Grundgedanke gut ist, sollten so konzipiert werden, dass man diese auch gut und gerne an der Schule stemmen kann. Ich wünsche mir, dass wir Lehrerinnen und Lehrer uns wieder auf das wirkliche Kerngeschäft konzentrieren können und nicht immer weitere Verwaltungsaufgaben übernehmen müssen. Außerdem ist es mir wichtig, dass wir uns gesellschaftlich nicht auseinandertreiben lassen. Wir sitzen doch alle im selben Boot. Auch wenn wir unterschiedliche Meinungen haben, sollten wir dafür sorgen, dass das Schiff nicht untergeht – als Team!
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