Zischup-Interview
"Die DNA muss man am Tatort erst einmal finden"
Marc Trimborn arbeitet als Forensiker beim Landeskriminalamt in Berlin. Er hilft, schwere Straftaten aufzuklären. Sein Neffe Tim Trimborn wollte wissen, ob dieser Job so ist, wie er in TV-Krimis gezeigt wird. .
Tim Trimborn, Klasse 8a, Goethe-Gymnasium (Freiburg)
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Trimborn: Es war nicht mein Kindheitstraum, dass ich diese Arbeit schon immer
machen wollte. Ich habe Biochemie studiert und zehn Jahre in der Forschung gearbeitet und in der genetischen Diagnostik. Dann war die Frage: Will ich das weitermachen oder gibt es vielleicht noch etwas Spannenderes? Zum passenden Moment kam die Stelle bei der Polizei in Berlin. Dort habe ich mich beworben und die Stelle glücklicherweise bekommen. Die Arbeit mach mir viel Spaß.
Zischup: In deinem Job analysierst du das Erbgut von Menschen, das DNA genannt wird. Bei welchen Kriminalfällen wird die DNA-Analyse genutzt?
Trimborn: Zunächst einmal: In jeder Zelle unseres Körpers steckt DNA und die DNA, die wir Menschen haben, unterscheidet sich bei allen Menschen, außer bei eineiigen Zwillingen. Anhand ihrer DNA kann man Menschen sehr zuverlässig unterscheiden. Und Menschen identifizieren, etwa anhand von Spuren am Tatort. Denn wir alle verlieren ständig irgendwo Körperzellen. Wenn ich etwas anfasse, werden zum Beispiel Hautzellen abgerieben, wenn ich rede, fliegen winzige Speicheltropfen durch die Luft. Wenn ich mich verletze, hinterlasse ich Blut, ich kann auch Haare verlieren. Mit diesem Material können wir arbeiten. In den 80er Jahren wurde die Technik PCR erfunden: Die kennt man seit Corona von den Tests. Die kann man auch bei ganz wenig DNA verwenden. Da reicht ein einziges DNA-Molekül, das können wir damit so vervielfachen, dass wir die DNA mit weiteren Techniken untersuchen können.
Zischup: Es ist für Täter also schwierig, gar keine Zellen zu hinterlassen?
Trimborn: Genau. Die DNA muss man allerdings erst einmal finden. Dann muss man sie vermehren und sie, wenn es einen Verdächtigen gibt, abgleichen. Wenn es keinen Verdächtigen gibt, kann man damit eine Datenbank durchsuchen, in der die DNA-Muster von Leuten, die bereits mehrere oder schwere Verbrechen begangen haben, gespeichert sind. In Deutschland sind das ungefähr 800.000 Leute.
Zischup: Wie werden DNA-Spuren gesichert? Was ist dein Teil der Arbeit?
Trimborn: Wenn bei euch zu Hause eingebrochen würde, dann würden bei euch Polizisten vorbeikommen, die die Spuren sichern. Wenn man zum Beispiel weiß, dass die Täter die Scheibe eingeschlagen haben und dort durchgegriffen haben, kann man diese Stelle abwischen und so die möglichen Zellen an dieser Stelle aufnehmen. Vielleicht hat sich der Täter dabei auch noch verletzt. Dann sieht man sogar schon, dass da Blut ist. Das kann man direkt abnehmen. Sonst kann man sich überlegen, was der Täter wahrscheinlich angefasst hat und eben genau dort wischen und damit hoffentlich die Zellen erwischen. Diese Spuren werden ins Labor geschickt, und wir isolieren aus dem Material die DNA, vervielfältigen sie und interpretieren die Ergebnisse.
Zischup: Welche Möglichkeiten gibt es außerdem?
Trimborn: Es gibt noch den Fall, dass von Gegenständen mehrere Spuren gesichert werden sollen, zum Beispiel Fingerabdrücke, Faserspuren oder Lackspuren. Solches Material wird direkt zu uns ins Landeskriminalamt gebracht, und wir sichern die Spuren dort. Wenn es zum Beispiel eine Messerstecherei gab und das Messer gefunden wurde, wird das Messer zu uns ins Labor geschickt. Meine technischen Assistenten und Assistentinnen legen in Absprache mit mir fest, wer die Fingerabdrücke untersucht, wer nach weiteren Spuren sucht und welche Teile genau untersucht werden. Meist werden erst die Fingerabdrücke und dann bei uns im Labor die DNA-Spuren gesichert. Oft müssen wir auch noch untersuchen, um was für Zellen es sich handelt. Geht es zum Beispiel um Blut oder Speichel? Im Labor wird dann die DNA aus den Zellen extrahiert und analysiert.
Zischup: Wer macht das?
Trimborn: Die Laborarbeiten werden zu einem großen Teil von Robotern übernommen. Deren Ergebnisse werden von Sachverständigen wie mir interpretiert und dann muss ich ein Gutachten schreiben. Alles wird fotografiert, beschrieben und genau dokumentiert, damit es vor Gericht verwertet werden kann: Es muss hundertprozentig sicher sein, dass die DNA-Spuren vom Tatort beziehungsweise von den Gegenständen vom Tatort stammen.
Zischup: Gibt es in der DNA-Analyse auch Fehler? Es ist ja nicht hundertprozentig sicher, dass bei einem Abstrich genau die Zellen von dem Täter sind und nicht von irgendeiner anderen Person, oder?
Trimborn: Eine wichtige Frage. Die DNA ist immer eindeutig außer bei Zwillingen, Fehler können aber anderweitig entstehen. Man kann natürlich im Labor oder auf der Wache Dinge vertauschen. Außerdem ist die große Frage – und diese muss am Ende das Gericht beantworten – ob die DNA überhaupt etwas mit der begangenen Tat zu tun hat? Außerdem können zum Beispiel einzelne Hautschuppen leicht von einem Ort zu einem anderen übertragen werden. Das muss sehr kritisch geprüft werden.
Zischup: Wie viel könnt ihr an einer DNA-Spur ablesen? Wenn ihr zum Beispiel ein Haar findet, wisst ihr dann auch, wie der Mensch aussieht?
Trimborn: Neben der Zuordnung der DNA zu einer ganz bestimmten Person kann man anhand der DNA noch weitere Aussagen treffen. In Deutschland darf man, wenn alle anderen Untersuchungen ins Leere laufen, Vorhersagen über das Aussehen des Täters machen. Die Genauigkeit ist aber bisher begrenzt. Außerdem
dürfen wir lediglich Aussagen zur Haar-, Augen- und Hautfarbe sowie zum vermutlichen Alter des Täters machen.
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