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Herbolzheim

Die größte Fabrik für Adventskalender steht in Südbaden

Philipp Peters
  • Di, 22. November 2016, 11:21 Uhr
    Wirtschaft

Deutschlands größte Adventskalenderfabrik steht in Südbaden. Bei Kalfany Süße Werbung in Herbolzheim werden pünktlich zur Adventszeit etwa 1,5 Millionen Stück hergestellt

Adventskalenderproduktion bei Kalfany in Herbolzheim Foto: Christoph Breithaupt
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Jeder Adventskalender ist gefüllt mit 24 kleinen Schokotäfelchen, bunten Schokolinsen oder was immer der Kunde wünscht. Gerade läuft die Produktion in der heißen Phase – und das neben dem üblichen Tagesgeschäft mit Fruchtgummis, Bonbons oder Pfefferminzplättchen.

Schokolade riecht nicht. Geruchsneutral fließt ein Kakaostrom durch ein Rohr in Richtung Maschine. "Seien Sie froh", sagt Klaus Richter, Technikchef und einer von drei Geschäftsführern bei Kalfany in Herbolzheim. "Gerösteter Kakao riecht sehr intensiv. Eher nach Motoröl als nach etwas, das man essen will." Am Ende werden die kleinen Portiönchen punktgenau in die Tiefziehform mit 24 Mulden gegossen. Dann wird die Form geschüttelt. Durch die Vibration verteilt sich die Schokolade besser. Sie wird oben glattgestrichen, an der Unterseite entstehen klassische Weihnachtsmotive, etwa eine Glocke, ein Geschenk oder ein Tannenbaum. Zum Schluss kommt noch der Karton.

In Herbolzheim wird die Schokolade verarbeitet

In der südbadischen Fabrik wird die Schokolade nicht hergestellt, nur verarbeitet. Früher kam sie von Gubor. Noch heute steht der traditionell südbadische Markenname auf mancher Packung. Das liegt nur daran, dass die Markenrechte nach dem Aus von Gubor an den schwäbischen Hersteller Rübezahl verkauft wurden. Das Unternehmen aus Dettingen unter Teck liefert pro Jahr 200 Tonnen flüssige Schokoladenmasse aus dem Landkreis Esslingen in den nördlichen Breisgau.

Technikchef Richter nascht gerne. An jeder Produktionsstraße stehen Schüsseln mit Bruch, vorverpackten Nikoläusen, Lebkuchen oder Minztäfelchen. Hier greift er mal zu, dort schaut er mal über die Schulter. In diesem Teil der Fabrik werden vor allem Waren verpackt, die andere Firmen herstellen. "Wir sind das einzige Unternehmen überhaupt, das lose Tic-Tacs vom Hersteller Ferrero bekommt", sagt Richter stolz und hebt ein Tütchen mit zwei Minz-Dragees, auf das der Name einer großen Krankenkasse gedruckt ist. Ein Tic-Tac wiegt ein halbes Gramm. Nach Herbolzheim werden sie in 850-Kilo-Säcken geliefert. Macht 1,7 Millionen Stück pro Gebinde.

Arbeit am Fließband

Die Fabrik ist kein romantischer Ort, an dem Schoko-Meister ihr filigranes Werkzeug schwingen. Hier wird auf einer Fläche von anderthalb Fußballfeldern Arbeit am Fließband geleistet. 70 Mitarbeiter pro Schicht müssen Faltschachteln nachlegen, Füllungen glätten oder Spulen mit Verpackungsfolie auswechseln. Gerade als Richter eine Maschine zeigen will, gibt diese einen dröhnenden Signalton von sich. Störung! Der Bediener bleibt gelassen: "Das passiert immer, wenn Besucher kommen", sagt er grinsend. Kurz darauf läuft die Maschine wieder.

Der kleinste Auftrag für Adventskalender beträgt 500 Stück. Darunter lohnt es sich nicht. Die durchschnittliche Bestellmenge liegt bei 10.000. "Wir können jeden individualisieren", sagt Fritz Haasen, ebenfalls Geschäftsführer. So könnte auf einem Adventskalender neben dem Aufdruck mit Firmenlogo und Weihnachtsgruß etwa der Name des Empfängers stehen. Frohe Weihnachten, Herr Müller, wünscht Ihnen die Firma Max Mops aus Katzenstadt!

Fruchtgummis in allen Formen

Wer schon einmal eine Tüte mit ungewöhnlichen Gummibärchen geschenkt bekommen hat – die kamen wahrscheinlich aus Herbolzheim. Hier werden Fruchtgummis in allen Formen produziert. Die süße Masse besteht im Wesentlichen aus Zucker, Glukosesirup, Wasser und Gelatine. "Und rein natürlichen Farb- und Geschmacksstoffen", wie Richter betont. In den grünen Gummis ist etwa Stachelbeere und Brennnessel.

Im hinteren Teil des Werks lagern Hunderte Formen für Fruchtgummis. Kleine Flugzeuge, der Eiffelturm, Fußballmaskottchen wie Freiburgs Füchsle, der HSV-Dino oder der Kölner Geißbock. Irgendwo soll es sogar ein Konterfei von Angela Merkel geben. In der Maschine sind an einer Holzleiste Dutzende Muster. Diese werden kopfüber in Stärkepulver gepresst. Die Mulde wird dann mit der Masse gefüllt. Dann müssen die Fruchtgummis reifen, also abkühlen und aushärten. Vier Tage kann das dauern. Erst dann wird die Stärke in einer Trommel abgeklopft. Anschließend werden die süßen Teile mit Carnauberwachs poliert und portioniert verpackt. So kommt die Werbung in die Tüte. 1300 Euro kostet eine individuelle Form.

20. Geburtstag der Bärchenfabrik

Die Bärchenfabrik feiert dieses Jahr 20. Geburtstag. 1996 wurde die Firma von Pieter Schubert als Süße Werbung gegründet. 2007 wurde sie dann mit Kalfany verschmolzen und gehört seither zu 100 Prozent zum Zertus-Konzern. Die Hamburger Firma hat ihre Wurzeln im Jahr 1826 und ging aus der Zuckerraffinerie Tangermünde hervor. Dextro Energy ist eine bekannte Zertus-Marke. Angaben zum Umsatz macht der familiengeführte Konzern mit 2000 Mitarbeitern nicht.

Einen Betriebsrat gibt es in Herbolzheim nicht. "Kalfany ist nicht tarifgebunden", bestätigt die Gewerkschaft Nahrung-Genussmittel-Gaststätten (NGG) in Freiburg. Geschäftsführer Haasen sagt, man zahle eins zu eins Tariflöhne, verzichte aber auf die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband. "Das war schon immer so."

"Die Süßwarenindustrie ist ein schwieriges Feld", sagt NGG-Geschäftsführer Claus-Peter Wolf. Dort seien in der Regel viele einfache Arbeiter am Werk, vor allem Frauen. Wenn der Arbeitgeber ein wenig Widerstand gegen eine Interessenvertretung der Arbeitnehmer aufbaue, sei deren Interesse oft schnell erloschen.
Kalfany Süsse Werbung

Das Unternehmen hat zwei Werke in Südbaden. In Herbolzheim werden neben den Schoko-Adventskalendern auch Fruchtgummis hergestellt. In Müllheim werden vor allem Bonbons der Marke Pulmoll produziert. Das Unternehmen beschäftigt 250 Mitarbeiter, davon 80 in Müllheim. Zur Firma gehören auch der Fabrikverkauf am Werk sowie die Bären-Company. Unter diesem Namen gibt es 24 Shops bundesweit, die Hälfte davon wird im Franchise-System betrieben. In Freiburg ist der Laden am Münsterplatz. Zum Jahreswechsel zieht er in die Rathausgasse um.

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Ressort: Wirtschaft

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 22. November 2016: PDF-Version herunterladen

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