Kapazität

Die Tierheime sind voll – aber nicht mit exotischen Tieren

Viele Tierheime in Deutschland kommen an ihre Kapazitätsgrenzen. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir erklärt, dass viele Menschen exotische Tiere dorthin abgeben würden. Doch so ist das nicht richtig.  

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Grüne Wasseragamen gelten nicht als anfängerfreundliche Terrarientiere.  | Foto: photocase.de/Jan Gropp
Grüne Wasseragamen gelten nicht als anfängerfreundliche Terrarientiere. Foto: photocase.de/Jan Gropp
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) sorgt sich um die Situation der Tierheime. Zu Weihnachten etwa würden Tiere verschenkt, "als seien sie eine Hose oder ein Hemd", sagte er vor zwei Tagen im BZ-Interview. Hinzu komme aber ein weiterer Faktor: "Tierheime werden auch mit Problemen konfrontiert, die man sich als Außenstehender gar nicht vorstellen kann. Manche Menschen legen sich Tiere zu, die aus meiner Sicht in privaten Haushalten nichts zu suchen haben. Warum braucht jemand etwa anspruchsvoll zu haltende exotische Tiere wie Schlangen oder ein Chamäleon zu Hause? Die Heime werden diese Tiere nicht los, sie erzeugen hohe Kosten und Aufwand", so Özdemir im Interview.

Tatsächlich sind die Tierheime derzeit am Anschlag, wie Lea Schmitz, Pressesprecherin des Deutschen Tierschutzbunds, dem die meisten Tierheime in Deutschland angehören, sagt. "Viele Menschen haben sich während der Pandemie Haustiere angeschafft, aber dann gemerkt, dass sie damit überfordert sind." Gerade zum Jahreswechsel 2021/22 seien vermehrt Tiere in die Heime abgegeben worden.

Doch das Problem seien nicht die exotischen Arten. "Besonders dramatisch ist es bei den Hunden", betont Schmitz. Viele Hunde, die in der Pandemie gekauft wurden, würden Verhaltensauffälligkeiten aufweisen, weil sie nicht richtig erzogen und gehalten worden seien. Und die könnten nur schwer weitervermittelt werden.
"Besonders dramatisch ist es bei den Hunden." Lea Schmitz, Pressesprecherin des Deutschen Tierschutzbunds
Auch kleine Heimtiere wie Kaninchen und Meerschweinchen seien vermehrt abgegeben worden. Exotische Tiere würden auch deshalb nur eine kleine Rolle spielen, weil viele Tierheime keine Kapazitäten hätten, um von diesen viele aufzunehmen. Nur in den Großstädten sei das in größerer Zahl möglich.

Flüchtlinge bringen Exoten mit

Eine der größten Einrichtungen ist die Reptilienauffangstation in München. 2500 bis 3000 abgegebene oder gefundene Tiere pflegt man dort. Deren Leiter, Markus Baur, sieht die Äußerungen des Ministers aber differenziert. "Es gab während Corona keinen Hype um Schlangen oder Echsen. Das war auf die klassischen Haustierarten begrenzt", betont Baur. "Bei den Reptilien sehen wir derzeit überhaupt keinen Anstieg." Er kenne allenfalls ein Tierheim, das diesbezüglich Probleme habe, was aber an Flüchtlingen aus der Ukraine liege, die ihre Haustiere, darunter auch Exoten, mitgebracht hätten, sich aber hier nicht um sie kümmern könnten.

Sorge mache ihm vielmehr, dass viele Reptilienhalter unter den gestiegenen Energiepreisen leiden würden.

Da die Exoten oft aus tropischen oder subtropischen Gebieten stammten, seien die Anforderungen an Temperatur und Lichtintensität entsprechend hoch – und das würde sich bei der Stromrechnung bemerkbar machen. Er befürchtet, dass mittelfristig einige Reptilienhalter ihr Hobby aus Kostengründen aufgeben müssten und die Tiere dann abgeben.

Im Tierheim Freiburg sieht man die Aussagen kritisch

Ähnlich sieht es Armin Böhler, der im Landkreis Lörrach im Kleinen das macht, womit Baur in München beschäftigt ist. Böhler ist im Reptilienverein Vipera Dinkelberg aktiv und wird von der Leitstelle der Polizei oder der Feuerwehr hinzugerufen, wenn irgendwo eine Schlange oder ein anderes exotisches Tier gefunden wird. Immer wieder würden solche Tiere ausgesetzt, sagt Böhler. Doch die Gesamtzahl sei gering. 40 Mal seien er und seine Vereinskollegen 2022 im Einsatz gewesen – aber zu 95 Prozent habe sich herausgestellt, dass es sich um einheimische Arten wie Ringelnattern gehandelt hat. "Dass die Tierheime mit Exoten überfüllt wären, kann ich aus meiner Erfahrung heraus nicht bestätigen", sagt Böhler.

Auch im Tierheim Freiburg sieht man die Aussagen des Ministers kritisch. "Wenn Herr Özedmir das tatsächlich als die große Baustelle der Tierheime sieht, dann muss ich dem widersprechen", sagt Marco Marsovszky, der Leiter der Einrichtung. Andere Tierarten seien viel mehr im Tierheim vertreten und würden deutlich mehr Zeit und Kosten in Anspruch nehmen. "Die Baustelle Nummer eins sind problematische Hunde", sagt Marsovszky und bestätigt damit die Aussagen von Lea Schmitz vom Tierschutzbund. Aber auch Katzen und Meerschweinchen würden häufig abgegeben. Reptilien würden erst danach kommen. Das Problem mit diesen sei aber, dass sie nur schwer vermittelbar seien. Derzeit leben im Freiburger Tierheim eine Kornnatter und zwei Leopardgeckos.

Vermehrt werden Schildkröten abgegeben

Was aber hinzukomme, seien Schildkröten. Die seien oft auf den Wunschzetteln von Kindern vertreten und würden dann, etwa vor dem Urlaub, manchmal ausgesetzt. 13 Landschildkröten und vier Wasserschildkröten sind derzeit im Freiburger Heim. Im Tierheim in Lahr seien es sogar um die zwei Dutzend Wasserschildkröten, sagt Martin Spirgatis, der Vorsitzende der Lahrer Tierschutzvereins. Dafür musste sogar ein eigener Teich gebaut werden. Mit anderen exotischen Tiergattungen seit man hingegen nicht überfüllt. Wobei der Begriff, so Spirgatis, weiter gefasst werden sollte. Ein türkischer Hirtenhund etwa sei durchaus exotisch und habe hohe Anforderungen an die Haltung – was aber oft unterschätzt werde. Solche Exoten seien ein viel größeres Problem für die Tierheime als Schlangen oder Skorpione.

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