Bürokratieabbau

Die Verwaltung im Land soll schlanker werden

Träge, ineffizient und zu langsam? CDU und FDP wollen Verwaltungsebenen im Land streichen. Bei den Grünen ist man skeptisch, auch Experten üben an den jüngsten Vorstößen Kritik.  

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Mit der Abschaffung einer Verwaltungse... Normenkontrollrats Baden-Württemberg.  | Foto: dpa
Mit der Abschaffung einer Verwaltungsebene ist noch nichts gewonnen, sagt Dieter Salomon, Hauptgeschäftsführer der Industrie und Handelskammer Südlicher Oberrhein und Vorsitzender des Normenkontrollrats Baden-Württemberg. Foto: dpa

Die letzte Verwaltungsreform in Baden-Württemberg ist bereits mehr als 20 Jahre her. Damals hieß der Ministerpräsident noch Erwin Teufel (CDU). Manuel Hagel, heutiger Landesparteichef der CDU und Spitzenkandidat für die Landtagswahl im März, würde Teufel gerne im Amt beerben. Auch Hagel treiben die Verwaltungsstrukturen im Land um. Jeder dritte Verwaltungsvorgang in Baden-Württemberg werde mindestens zweimal artgleich bearbeitet, kritisierte Hagel bereits im vergangenen Jahr. Von den fünf Verwaltungsebenen – Gemeinden, Landkreise, Regionalverbände, Regierungspräsidien sowie den Landesbehörden – könnten mindestens zwei gestrichen werden. Welche das konkret sein sollen, ließ Hagel bislang offen.

"Den Vorstoß von CDU-Spitzenkandidat Manuel Hagel, die Verwaltung stark zu verschlanken, begrüße ich", sagt die Lahrer Landtagsabgeordnete und Justizministerin Marion Gentges . Ob und wie der Abbau von Verwaltungsebenen dazu beitragen könne, sei eine Frage, die man in der Breite diskutieren werde. Im Dezember werde sich die CDU auf ihrem Landesparteitag mit dem Thema befassen und konkrete Vorschläge erarbeiten.

FDP-Chef Rülke würde am liebsten die Regionalverbände streichen

Deutlicher wird FDP-Spitzenkandidat Hans-Ulrich Rülke. Auch er fordert einen deutlichen Bürokratieabbau im Land. Konkret heißt das für Rülke: "Wenn Sie zwei Ebenen abschaffen wollen, dann müssen Sie am ehesten die Regionalverbände und die Regierungspräsidien abschaffen. Ich bin schon zufrieden, wenn wir in den nächsten fünf Jahren eine Ebene wegkriegen – zum Beispiel die Regionalverbände."

Kritik von der Industrie- und Handelskammer

Der Kehler Verwaltungsexperte Jörg Röber stößt sich indes an der Art und Weise, wie die Debatte geführt wird. In der Öffentlichkeit entstünde der falsche Eindruck, wir hätten es mit einer ineffizienten Verwaltung zu tun, sagte er kürzlich im Gespräch mit der Badischen Zeitung. "Ich bin überzeugt, dass Regierungspräsidien in einem so großen Flächenland wie Baden-Württemberg notwendig und sinnvoll sind. Das zeigt auch der Blick in andere große Flächenländer wie Nordrhein-Westfalen oder Bayern." Eine koordinierende und steuernde Mittelinstanz sei nach wie vor notwendig und sinnvoll. Über die Ausgestaltung könne und müsse man diskutieren. "Aber ohne ausführlichen Diskurs verschreckt man eher die Beteiligten, anstatt einen Dialog über die beste Gesamtlösung zu ermöglichen." Kritisch äußert sich auch Dieter Salomon, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein und Vorsitzender des Normenkontrollrats Baden-Württemberg. Die Diskussion um die Abschaffung der Regionalverbände werde bereits seit 30 Jahren geführt, sagt der Grünen-Politiker. Mit der Abschaffung einer Verwaltungsebene sei jedoch noch nichts gewonnen. Es werde dadurch auch nicht automatisch etwas eingespart. "Man kann die Regionalverbände und die Regierungspräsidien schließen, doch die Aufgaben bleiben bestehen und müssten dann von den Landesministerien erledigt werden. Was sich änderte, wäre nur das Türschild – nach dem Motto: Aus Raider wird Twix."

Der ehemalige Freiburger Oberbürgermeister plädiert stattdessen dafür, die wachsenden staatlichen Aufgaben und die damit verbundenen steigenden Mitarbeiterzahlen in der Landesverwaltung in den Blick zu nehmen. "Muss der Staat all das, was er tut, wirklich machen? Um die staatlichen Aufgaben zu reduzieren, was meines Erachtens dringend nötig wäre, müsste in der Gesetzgebung ein neuer Geist Einzug halten", sagt Salomon.

Verwaltungsprozesse mit moderner Technik optimieren

"Wir müssen immer Strukturen hinterfragen. Gerade dann, wenn sie schon ewig bestehen", sagt der Lörracher SPD-Landtagsabgeordnete Jonas Hoffmann. "Regionalverbände haben größtenteils Planungsaufgaben. Kann diese Funktion auf anderer Ebene erfüllt werden? Wahrscheinlich." Man müsse im Hinblick auf Zuständigkeiten der Landkreise und Regierungspräsidien prüfen, wo größere Einheiten sinnvoll und effektiver seien, Verwaltungsprozesse optimieren und dafür moderne Technik nutzen.

Bei den Grünen im Landtag sieht man das anders. "Verwaltungsebenen zu streichen würde nur bedingt Bürokratie abbauen – sie decken oft verschiedene Gebietskulissen ab und ermöglichen damit unterschiedliche Blickwinkel", sagt die Freiburger Abgeordnete Daniela Evers. Sie plädiert stattdessen für gut gemachte Gesetze und eine "deutliche Reduktion der Überzahl von Verwaltungsvorschriften und Handlungsanweisungen unterhalb der Gesetzebene". Notwendig sei aus ihrer Sicht auch eine Änderung von Kultur und Haltung der Bürgerinnen und Bürger im Land. "Statt mit Detailversessenheit sollten mit gegenseitigem Vertrauen Ermessensspielräume genutzt und praxisnahe Lösungen gesucht werden. Den Rechtsweg einzuschlagen, dem diese Flexibilität fehlt, wäre dann bestenfalls nicht mehr die schnelle Wahl", sagt Evers.

Schlagworte: Manuel Hagel, Hans-Ulrich Rülke, Daniela Evers
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