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Diese Oper rockt so richtig

  • Margarete Jacob

  • Fr, 30. November 2001
    Zisch

     

JUZ IN DER OPER (2): Die Zauberflöte - seit 200 Jahren ein hitverdächtiger Dauerbrenner.

Noch nie in der Oper gewesen? Dann wird es Zeit. Der Star heißt Mozart. Und "Die Zauberflöte" ist seine letzte und wohl berühmteste Oper. Klassische Musik ist nicht der Renner? Das Stadttheater beweist das Gegenteil. Gäbe es so was wie Opern-Charts, wäre "Die Zauberflöte" seit Jahren ganz oben mit dabei. Ohne Absturzgefahr.

Für Opern-Einsteiger ist "Die Zauberflöte" bestens geeignet. Denn Mozart war der Hitschreiber seiner Zeit. Musiksender gab es in der Klassik noch nicht, und Radio ebenso wenig. Da wären seine Kompositionen als Ohrwürmer gelaufen. Dafür sind damals wie heute die Ränge im Opernhaus voll, wenn Mozart lädt, auch an diesem Abend. Und mit den ersten Tönen ist klar: Diese Oper rockt. Bunte Figuren hüpfen und springen über die Bühne, mal schnell, mal langsam, schmettern dabei zumeist lustige, beschwingte Lieder und Arien.

Erster Akt. Die Bühne ist ein Süßwarenladen. Weiße Regale im Hintergrund, ein riesiges Marmeladenglas unerreichbar weit oben in den Höhen der Regalfächer. Ein Bonbonglas, riesengroß, gefüllt mit Lakritzschnecken und Zuckerstangen schmückt die Szene. Links eine Bonbonschaufel, auch die überdimensional groß - was kann das anderes sein als ein Paradies für Leckermäuler! Der Opernchor ist locker dazwischen drapiert - in Kostümen, so zuckersüß, dass jeder von den Sängern auch ein Bonbon sein könnte. Die Männer in weißen Hemden, viel zu lang, mit schwarzen Kniestrümpfen, erinnern an Eiskonfekt und Pinguine am Südpol. Einzig die gelben Papierkronen zeigen, dass es sich um menschliche Wesen handelt. Die Partnerinnen sind passend in weite weiße Tücher und bunte Buffo- Masken ge

hüllt. Und die Hauptfiguren dieser Oper, Pamina und Tamino, sehen ganz besonders bunt und zuckersüß aus. Sie sind das junge, schöne Paar, das massenhaft Gefahren und Prüfungen überstehen muss, bis es am Ende glücklich vereint eine rauschende Hochzeit in farbenfrohen Kleidern feiern darf.

Der Weg ist das Ziel, und deshalb muss Tamino auf der Wanderung zum Glück rauschende Flüsse überqueren, mit seinem äußerst geschwätzigen Freund Papageno viel zu lange Zeit schweigen und andere Abenteuer bestehen. Nur so kann er dem Vater der Angebeteten, Sarastro, seine Reife und Würde beweisen. Und während die Oper rockt, die Königin der Nacht, Paminas Mutter, von der Rache der Hölle in den höchsten Sopran-Tönen schrillt, wird das Bühnengeschehen immer mehr zum Comic. Nicht nur der vielfarbige Bonbonladen hinterlässt diesen Eindruck: auch die Akteure, die in ihren bunten Kostümen. Da ist Pamina im roten Tüllrock. Und weil Rot auch den Mann gut kleidet, trägt auch Tamino rote Filzhosen. Papageno, der mit der Flöte, trägt in guter bayerischer Tradition Krachlederne samt Hosenträgern.

Natürlich müssen die Guten und die Bösen sich bekämpfen, bis zum Schluss das Gute, das Licht und der Tag siegen können. Die Bühne ist dabei so farbenfroh und heiter ist wie ein Mickymaus-Heftchen, und ebenso viel Action spielt sich darauf ab: Das ist ein Springen und Hüpfen, Jubeln und Schluchzen. Der Wechsel von himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt spiegelt sich auch in der Musik wieder. Nachdem Paminas Mutter, die Königin der Nacht, in kaltes Licht getaucht, in höchsten Tönen ihre Rachegelüste gegen ihren Ex-Mann Sarastro besingt, taucht der auf und beruhigt mit bedächtigem Gesang die erhitzen Gemüter. Der Unterschied zu Mickymaus: statt in Sprechblasen teilen sich die Figuren singend mit. Langweile? Keine Spur. Die kommt auf den Rängen gar nicht auf. Das Bühnengeschehen fesselt, beschwingt und heiter, wie das Leben so spielt. Und wann bekommt man schon mal ein kunterbuntes Comic in einem Bonbonladen plus klassische Musik im Doppelpack? Eben.

Natürlich turnen auf der Bühne auch Bösewichte rum. Zum Beispiel die "Botschafterinnen" der Königin der Nacht: die drei Jungfrauen. Die wirken in ihrem silbern-spacigen Outfit allerdings so albern, dass man ihnen ihre Gefährlichkeit kaum abnehmen kann. Oder Monostatos, der auch ein bisschen von dem Zuckerguss und der Liebe und der Weisheit um ihn herum spüren will, und sich auf sehr aufdringlich an die Heldin in Tüllrock ran schmeißt.

"Komplizierte Sachverhalte werden einfach mit der Bonbonschaufel aus dem Weg geräumt."

Ein böses Spiel, das er treibt, aber was kann man in einem Comic schon ernst nehmen? Nichts, wenn der Lustmolch einen zu kleinen lackledernen Anzug trägt, und deshalb mehr Lacher als Furcht auslöst. Wirklich gefährlich kann auch die Schlange aus Plastik nicht scheinen, die Tamino gleich am Anfang bedroht. Aber dem jungen Kerl kann ja sowieso gar nichts passieren: er trägt die verzauberte Flöte bei sich, die ihn vor allen Gefahren schützt.

Und fast die ganze Zeit singt der Opernchor von den Regalen herunter: Die Puppen tanzen auf den Schränken und unterstützen die Solo-Sänger tatkräftig. Zum Beispiel Pamina. Die singt hell und klar, und nimmt mit jeder Arie, die sie jubelt, mehr für sich ein. Oft scheint diese Comic-Inszenierung wie mit rosaroten Zuckerguss übergossen - ganz im Gegensatz zur Musik, die nicht nur pinkfarbig ist. Mag sein, dass Mozart von seiner letzten Oper mehr erwartet hätte als die Verbindung von ganz schön viel Kitsch und seinen wunderschönen, eingängigen Melodien. Komplizierte Sachverhalte? Die werden mit einer Bonbonschaufel aus dem Weg geräumt. Die Helden erscheinen oft witzig, oft kindlich. Egal: als sich der bunte Vorhang zum Ende der Vorstellung senkt, tobt der Bär auf den Rängen! Applaus für Mozart, den Hitschreiber. Und mit rosa Zuckerguss klingt's noch mal so schön!



Zauberflöte für Fans und Einsteiger: am Samstag, 1. Dezember, und am Mittwoch, 26. Dezember, Beginn jeweils um 19 Uhr

Ressort: Zisch

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 30. November 2001: PDF-Version herunterladen

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