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Ein Tag im Leben eines Schülers

  • Juno Bigott, Klasse 8d, Staudinger Gesamtschule (Freiburg)

  • Fr, 18. Dezember 2020
    Schülertexte

Das Aufstehen ist eine Qual, das Rumsitzen in der Schule auch – ganz schön anstrengend, so ein Schülerleben / Eine Kurzgeschichte.

Alles nervt! Schülerin kurz vor der Verzweiflung.   | Foto: nelen.ru - stock.adobe.com
Alles nervt! Schülerin kurz vor der Verzweiflung. Foto: nelen.ru - stock.adobe.com

"Ding. Ding. Ding." Ich stöhne und rolle mich zur Seite, um den Wecker böse anzustarren. Leider geht er durch meinen Blick nicht in Flammen auf. Es ist sechs Uhr dreißig. Sechs Uhr dreißig! Morgens! "Jule! Bist du wach?", ruft meine Mutter. Ich vergrabe mich in meiner Decke und antworte nicht. Noch fünf Minuten schlafen.

Das Licht geht an. Wie eine wütende Katze fauchend drücke ich mein Gesicht ins Kissen, um der plötzlichen Helligkeit zu entkommen. "Komm steh auf du Vampir, du musst in die Schule", lacht meine Mutter und streicht mir über den Kopf. Gegen das Licht anblinzelnd drehe ich mich zu ihr. "Warum muss die Schule so früh anfangen?", frage ich und bemitleide mich selbst. Murrend stehe ich auf und schlurfe ins Bad. "Guten Morgen, du siehst aus wie eine Leiche", begrüße ich mein Spiegelbild.

"Was ist denn mit dir los?", fragt Laura, als ich mit meinem Fahrrad neben ihr bremse. Die ganze Fahrt über habe ich an mein wundervolles Bett gedacht und mich deswegen bei unserem Gespräch etwas rar gemacht. "Zu wenig geschlafen", murmle ich nur und unterdrücke zum gefühlt tausendsten Mal an diesem Morgen ein Gähnen. "Was haben wir nochmal in den ersten beiden Stunden?" Laura blickt auf den Stundenplan in ihrem Logbuch. "Mathe." Ich könnte heulen. Welcher Idiot kam eigentlich auf die Idee, Mathe in die erste und zweite Stunde zu legen?!

Wie ein Zombie wanke ich meiner Freundin hinterher ins Klassenzimmer, hole meinen Ordner und setze mich an meinen Platz. Hmm... der Tisch sieht so bequem aus. Vielleicht sollte ich ganz kurz meinen Kopf ablegen…? Nur eine Minute... oder zwei. Doch schon kommt mein Mathelehrer herein und begrüßt uns. Ich blicke auf mein Material. Verdammt! Ich hab den falschen Ordner genommen. So leise es geht, schleiche ich nach hinten zu meinem Fach, um die Sachen auszutauschen. "Jule? Was soll das werden? Der Unterricht hat begonnen. Dein Material sollte längst auf dem Tisch liegen." Entnervt rolle ich die Augen und drehe mich um. "Tschuldigung, ich habe aus Versehen das falsche Zeug geholt" , sage ich und muss mich um einem freundlichen Tonfall zwingen.

Mir gehen gerade einfach alle auf die Nerven. Während der ganzen Mathestunde versuche ich meine Augen offen zu halten, um wenigstens ein bisschen Stoff aufzunehmen. Wie ferngesteuert schreibe ich stupide alles von der Tafel ab, habe aber nicht die leiseste Ahnung, von was mein Lehrer die ganze Zeit redet. Wie soll ich mich bitte gescheit auf Mathe konzentrieren, wenn ich gerade damit beschäftigt bin, nicht einzuschlafen? Endlich klingelt es zur Pause. Ich bin die Erste, die das Klassenzimmer verlässt. Mein Vesper, das ich wegen der viel zu kurzen Pause schnell herunter schlingen muss, schmeckt nach Pappe, trotzdem bin ich nicht mehr so müde, nachdem ich etwas gegessen habe.

Als Nächstes steht Französisch auf dem Plan. Ich betrete den Raum voller unmotivierter Schüler, die über irgendwelche Klassenkameraden lästern. Die ganze Stunde über muss ich Aufgabenblätter bearbeiten, um eine Sprache zu lernen, die mich nicht im Geringsten interessiert. Hätten die Leute, die unser ach so tolles Fächer-System entworfen haben, nicht mehr Wahlmöglichkeiten stellen können? Irgendwas komplett anderes, nicht immer diese Standardfächer wie Latein und Französisch. Wie wäre es mal mit Japanisch oder Koreanisch oder etwas in der Art? "Ah, s’il vous plaît!", ruft meine Lehrerin zum wiederholten Mal, um für Ruhe zu sorgen.

Geistesabwesend fange ich an, kleine Blümchen auf meinen Heftrand zu malen. Oh je, das wird wieder eine schlechte Heftnote, dabei ist das ja eigentlich Kunst. Den Rest der Stunde mache ich mich auf meinem Platz in der hintersten Tischreihe ganz klein und hoffe, dass ich nicht aufgerufen werde. Als wir dann auch noch Hausaufgaben bekommen, habe ich das Bedürfnis meine ganzen Hefte anzuzünden. Ich habe schon fast keine Zeit mehr, weil ich auf die ganzen Tests und Arbeiten lernen muss, die jetzt alle noch vor die Ferien gequetscht werden, wie soll ich da noch meine Hausaufgaben erledigen?!

In den letzten beiden Stunden haben wir Sport. Endlich mal ein Fach, das ich mag. Eine der wenigen Stunden, in denen ich einfach mal etwas mache, was auch wirklich meinen Einsatz erfordert und in der ich nicht einfach stumpf irgendwelche Aufgaben ins Heft schreibe und bearbeite. In Sport werde ich gefordert, kann mich endlich frei bewegen und herumrennen, ohne dass es den Unterricht stört. Sport in der ersten und zweiten Stunde, das wäre mal gut, danach ist man wenigstens wach.

Nach der Schule fahre ich nach Hause, esse etwas und klemme mich direkt vor die Hausaufgaben, von denen ich nur die Hälfte verstehe. Mein Kopf ist voll mit Informationen, die mir über den Tag ins Hirn gehämmert wurden. Nach dem Abendessen sitze ich schon wieder vor den Aufgaben und es ist schon spät, als ich endlich fertig werde. Natürlich bekomme ich dadurch schon wieder zu wenig Schlaf und die ganze Hölle beginnt von vorne. Super.

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 18. Dezember 2020: PDF-Version herunterladen

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