Südbadens schönste Fahrradtouren (20)
Ein Weinradweg soll Radfahrer begeistern
Breite Wege, eine klare Beschilderung, wenig Verkehr, tolle Ausblicke – all dies zeichnet einen guten Fernradweg aus. Wie wird die Qualität solcher Angebote getestet? Zum Interview
Petra Kistler
Di, 23. Mai 2017, 11:57 Uhr
Südwest
Thema: Fahrradtouren
Heymann: Ich habe ein wunderschönes blaues Tourenrad, ein Centurion Speed-drive, mit dem ich perfekt die Radwege abfahren kann.
Hotz: Ich fahre mit meinen privaten Rädern: einem Mountainbike und, wenn es so richtig Höhenmeter intensiv wird, einem Elektro-Mountainbike.
BZ: Wie viele Kilometer fahren Sie im Dienst der Schwarzwaldradler?
Hotz: Alleine der Freiburger Stadtwald hat 200 Kilometer, diese Strecke bin ich schon zweimal abgefahren, um alles zu prüfen. Dazu kommen noch jede Menge Kilometer privat. 2000 bis 3000 Kilometer im Jahr kommen schon zusammen.
Heymann: Für die Qualitätsbeauftragung des 240 Kilometer langen Südschwarzwald-Radwegs und des 280 Kilometer langen Schwarzwald-Panorama-Radwegs kommen alleine jedes Jahr mehr als 500 Kilometer zusammen. Beide Strecken müssen einmal im Jahr abgefahren werden.
BZ: Was macht eine Qualitätsbeauftragte für Fahrradwege?
Heymann: In Baden-Württemberg gibt es die Landesradfernwege, die nach und nach zertifiziert werden. Im Schwarzwald haben wir bereits zwei zertifizierte Fahrradwege: den Südschwarzwald-Radweg und den Schwarzwald-Panorama-Radweg, die vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub, dem ADFC, mit vier und drei Sternen ausgezeichnet wurden. Ich begleite den Zertifizierungsprozess und überprüfe, ob der Zustand der Wege und die Beschilderung in Ordnung sind.
BZ: Was zeichnet einen guten Radfernweg aus?
Heymann: Der ADFC klassifiziert die Breite des Radweges, die Sicherheit, aber auch die Beschilderung, die Infrastruktur links und rechts des Radweges und das Marketing. Die Oberfläche des Weges sollte asphaltiert und breit genug sein, damit sich auch zwei Fahrradfahrer mit dicken Satteltaschen begegnen können. Für den Radgenuss ist natürlich der Blick nach rechts und links entscheidend. Zudem braucht es Einkehrmöglichkeit und gute Hotels, wenn man von Tagesetappe zu Tagesetappe fährt.
Hotz: Und möglichst wenig Verkehrslärm. Wir haben tolle Radwege entlang der Bundesstraße, die sind für Pendler ideal, aber sie sind nicht für touristische Zwecke geeignet. Tourenradfahrer möchten möglichst wenig Höhenmeter und eine schöne Kulisse. Wobei sich die Höhenmeter durch den Siegeszug der E-Bikes relativieren. Beim Schwarzwald-Panorama-Radweg, der von Pforzheim bis Waldshut-Tiengen führt, haben wir bewusst auf den vierten Stern verzichtet, weil uns das Panorama und die typische Schwarzwaldlandschaft wichtiger waren als asphaltierte Strecken.
BZ: Wie finden Sie einen neuen Radfernweg?
Hotz: Wir gehen auf Messen, wir sprechen mit vielen Radlern, kommen so auf neue Ideen. Die Radler kennen alle unsere Flussradwege, sie sind den Rheinradweg gefahren, sie waren an der Kinzig, an der Nagold, sie sind den Südschwarzwald-Radweg durch den Naturpark gefahren. Weil viele Radler etwas Neues unternehmen wollen, haben wir überlegt, wir nehmen ein wichtiges Thema auf: den Wein. Es gibt die badische Weinstraße für Autos, es gibt Weinwanderwege, aber es gibt noch keinen badischen Weinradweg. Das ist unser nächstes großes Projekt.
Heymann: Wir haben mit den Leuten vor Ort gesprochen, den Verantwortlichen in den elf Land- und Stadtkreisen. Das Feedback war so positiv, dass wir jetzt eine Strecke von rund 430 Kilometern planen, von Grenzach-Wyhlen an der Schweizer Grenze bis hoch an die hessische Landesgrenze. So erhalten wir eine Strecke, die durch alle badischen Weinbaugebiete führt.
Hotz: Wir wollen das Thema Wein darstellen, das man mit dem Fahrrad erleben kann. Deshalb schauen wir nicht nach den ADFC-Kriterien, die eine relativ logische Streckenführung verlangen. Unsere Weinbauregionen entziehen sich dieser Logik. Ein Beispiel: Das wunderschöne Glottertal möchte ich den Weinradelnden nicht vorenthalten, laut ADFC ist dies aber ein unnötiger Umweg. Pässe sammeln in den Alpen hat auch nichts mit logischer Streckenführung zu tun, aber die Leute machen es. Das Thema Wein wird für viele Leute eine Motivation sein, das Weinland zu erfahren, und da muss man halt die Ecken, die die Landschaft macht, mitfahren.
BZ: Wie plant man solch eine neue Strecke?
Hotz: Die erste Frage lautet: Über wessen Land verläuft die Strecke? Die Eigentümer müssen alle gefragt werden. Dann wird über den Daumen gepeilt, was das Projekt kosten würde. Wir wollen keine neuen Radwege bauen, sondern wir wollen auf bereits beschilderten Radwegen bleiben, damit wir keine neuen großen Schilder aufhängen müssen, sondern mit einer kleinen Beschilderung auskommen. Dafür müssen Fördermittel und Finanziers gefunden werden. Dann wird ein Dienstleister gesucht, der mit den Verantwortlichen aus der Region die Details einer schlüssigen Strecke plant. Schilder müssen bestellt und aufgehängt werden. Von der Planung bis zur Umsetzung vergehen locker zwei Jahre.
Heymann: 2018 soll der Weinradweg eröffnet werden.
BZ: Weshalb nehmen Sie nicht den Fernwanderweg Wiiwegli als Strecke?
Hotz: Das dürfen wir nicht. Im baden-württembergischen Landeswaldgesetz ist die sogenannte Zwei-Meter-Regel verankert: Wege unter zwei Meter Breite sind für Fahrräder und Mountainbikes gesperrt. Zudem geht das Wiiwegli bergauf, bergab, das würde die Radler ärgern. Und wir hätten Interessenskonflikte mit den Wanderern. Zwischen der Weinstraße und dem Weinwanderweg haben wir Wege, die für Radler geeignet und landschaftlich sehr schön sind.
BZ: Die Schwarzwald Tourismus hat in ihrem Tourenportal mehr als 700 Fahrradtouren. Wie behalten Sie den Überblick?
Hotz: Das ist nicht einfach. Mit den Wandertouren haben wir mehr als 3000 Touren im Portal, die können wir gar nicht alle selbst überprüfen. Unser Tourenportal wird von unseren Partnern, das sind mehr als 300 Gemeinden im Schwarzwald, gepflegt. Sie stellen die Touren nach unseren Kriterien ein. Wir schaffen es aber nicht, jede einzelne Tour zu überprüfen.
BZ: Wissen Sie, wer im Schwarzwald auf zwei Rädern unterwegs ist?
Hotz: Vor dem Aufkommen der E-Bikes hatten wir im "hohen" Schwarzwald vor allem Rennradler und Mountainbiker. Mit Hilfe des Elektromotors erobern jetzt auch Tourenradler die Höhen. Ich sehe auch zunehmend E-Mountainbikes im Wald. Deshalb glaube ich, dass die Nutzung des höheren Schwarzwalds auf zwei Rädern deutlich am Wachsen ist. Die Zahl der Rennradfahrer und normalen Mountainbiker ist relativ konstant.
BZ: Was fehlt im Schwarzwald?
Hotz: Schmale Wege für sportliche Mountainbiker, die legal befahren werden dürfen. Ob in Sasbachwalden, in Baiersbronn oder hier in Freiburg, überall dort, wo wir solche Wege anbieten, sind sie total erfolgreich. Deshalb glaube ich, dass wir dort einen Nachholbedarf. Ein genereller touristischer Trend ist es, aus dem großen Wegenetz die Höhepunkte für die verschiedenen Zielgruppen herauszuarbeiten: Das ist eine Panoramatour, das ist eine kulinarische Genießertour, das ist eine fahrtechnisch anspruchsvolle Tour. Das ist heute der Job von Touristikern.
Carolin Heymann Und Sascha Hotz
Die beiden Qualitätsbeauftragten der Schwarzwald Tourismus GmbH fahren auch in ihrer Freizeit gern und viel Rad. Carolin Heymann (27), von Haus aus Geographin, radelt am liebsten der Nase nach – und nach Feierabend die Dreisam rauf und runter.
Sascha Hotz (51) hat erst Geographie und Sport studiert – und später das Studienfach Tourismus draufgesattelt. Er fährt zurzeit am liebsten für Mountainbiker gebaute Strecken wie den Canadian Trail oder Badish Moon Rising in Freiburg. "Da merkt man, dass sich die Leute etwas überlegt haben. Und wenn man drei so Anlieger nacheinander fährt, hat es ein bisschen etwas mit Achterbahn im Wald zu tun."