"Es reicht"

Mit der Kippa auf dem Kopf protestieren in deutschen Großstädten Tausende gegen Angriff auf Juden.  

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Kippa-Träger bei der Kundgebung in Berlin  | Foto: dpa
Kippa-Träger bei der Kundgebung in Berlin Foto: dpa

BERLIN (dpa). Als Zeichen gegen den Antisemitismus sind in mehreren deutschen Städten Menschen mit der traditionellen jüdischen Kopfbedeckung, der Kippa, auf die Straße gegangen. Juden und Nicht-Juden versammelten sich am Mittwoch unter anderem in Berlin, Köln, Erfurt, Magdeburg und Potsdam zu Solidaritätskundgebungen.

Anlass für die Demonstrationen war die mutmaßlich judenfeindliche Attacke auf einen 21-jährigen Israeli und seinen Freund vor einer Woche in Berlin. Drei arabisch sprechende Männer hatten den Israeli beschimpft, der eine Kippa trug. Einer der Männer hatte auf den 21-Jährigen mit einem Gürtel eingeschlagen. Der mutmaßliche Täter, ein Palästinenser aus Syrien, der seit 2015 in Deutschland lebt, sitzt in Untersuchungshaft.

"Berlin trägt Kippa" – unter diesem Motto versammelten sich nach Polizeiangaben rund 2500 Menschen vor dem Jüdischen Gemeindehaus in Berlin-Charlottenburg. Dort berichtete der Präsident des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, von wachsenden Sorgen unter Deutschlands Juden. Er warnte davor, den Judenhass kleinzureden. Viele Juden fürchteten sich davor, sich öffentlich zu ihrem Glauben zu bekennen. Eltern trichterten ihren Kindern ein, außerhalb der Synagoge die Kippa abzusetzen oder ein Basecap darüber zu ziehen.

"Es reicht", betonte Schuster. Ein Weiter-so dürfe es nicht geben. "Wir haben uns in Deutschland viel zu gemütlich eingerichtet. Ein bisschen Antisemitismus, ein bisschen Rassismus, ein bisschen Islamfeindlichkeit – ist doch alles nicht so schlimm? Doch, es ist schlimm." Zuvor hatte Schuster auch ein klares Wort der Muslime gegen den Antisemitismus in den eigenen Reihen verlangt.

"Es ist fünf vor zwölf. Es wird in Berlin langsam ungemütlich. Aber noch haben wir nicht solche Verhältnisse wie in Frankreich oder Belgien", sagte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Gideon Joffe. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) erklärte: "Antisemitismus hat in unserer Stadt keinen Platz." Der CDU-Fraktionsvorsitzende in Bundestag, Volker Kauder, betonte, Deutschland akzeptiere den Antisemitismus nicht. "Diejenigen, die hier leben wollen, müssen das auch wissen."

Eine kleinere Demonstration gegen Antisemitismus in Berlin-Neukölln wurde abgebrochen, weil sich die Teilnehmer durch Passanten bedroht fühlten. Einer der Störer entriss einem Demonstranten eine Israel-Fahne. In dem Viertel leben viele arabischstämmige Menschen.

Das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA), das das Video vom Angriff auf den Israeli in Berlin ins Internet gestellt hatte, rief die Juden auf, sich gerade jetzt zu bekennen. "Wir müssen die Gefahr auf uns nehmen. Sonst geben wir den öffentlich Raum auf", sagte der Geschäftsführer Levi Salomon. Er bedauerte, dass erst jüdische Organisationen aktiv werden müssten, damit nach einem Vorfall die Öffentlichkeit reagiert. Antisemitismus müsse als gesamtgesellschaftliches Problem diskutiert werden.

Der Berliner Imam Kadir Sanci, der dem geplanten Lehr- und Gebetshaus von Muslimen, Christen und Juden "House of One" angehört, begrüßte die Solidaritätskundgebungen mit der Kippa. "Den Kopf zu bedecken ist auch Teil unserer islamischen Tradition", sagte Sanci. "Wir, das Judentum und der Islam, haben so viel gemeinsam", erklärte er.
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