Christopher-Street-Day

Firmen setzen am CSD ein Zeichen gegen Diskriminierung

Große Konzerne beteiligen sich aktiv am Christopher-Street-Day und setzen damit ein Zeichen gegen Diskriminierung – denn schwule und lesbische Mitarbeiter werden weiterhin benachteiligt.  

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Szene vom Christopher Street Day in Stuttgart 2017.  | Foto: dpa
Szene vom Christopher Street Day in Stuttgart 2017. Foto: dpa
Immer mehr große Firmen bekennen beim Christopher Street Day Farbe. Das ist nicht einfach hip, sondern dringend notwendig, sagen schwule und lesbische Mitarbeiter. Auch heute noch fürchten viele von ihnen Diskriminierung und Nachteile, wenn sie sich im Job outen.

Es herrscht nicht nur Zustimmung

Als homosexuelle Mitarbeiter von Bosch vor vier Jahren erstmals am Christopher Street Day (CSD) in Stuttgart teilnahmen, war die Reaktion im Konzern fast durchweg positiv. Fast. Bei der anschließenden Intranet-Diskussion der Belegschaft gab es auch Gegenstimmen. "Das gehört nicht zum Unternehmen!", meinten manche Kollegen. "Das passt nicht zum Image von Bosch!", fanden andere. Einer schrieb sogar: "Ihr seid nicht Teil der Schöpfung!"

An diesem Samstag werden die Mitglieder des Bosch-Netzwerks RBgay nicht nur mitlaufen, sondern beim Stuttgarter CSD mit einem eigenen Truck aufwarten. So wie beim Berliner CSD am selben Tag die Kollegen von Konzernen wie Daimler, BMW, Vodafone, Ikea oder Bayer. Und so wie in der vergangenen Woche beim Münchner CSD die Kollegen der Allianz. Zusätzlich zum eigenen Paradewagen ließ der Versicherungskonzern die Allianz-Arena in den Farben des Regenbogens leuchten, dem Symbol der Bewegung für die Gleichberechtigung von Schwulen, Lesben, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen (LGBTI).

"Ich bin stolz darauf, für einen Konzern zu arbeiten, der ein öffentliches Zeichen für LGBTI-Inklusion setzt" Franz Vojik
"Ich bin stolz darauf, für einen Konzern zu arbeiten, der ein öffentliches Zeichen für LGBTI-Inklusion setzt", sagt Franz Vojik, Sprecher von Allianz Pride, dem unternehmensweiten Netzwerk für Mitarbeiter mit unterschiedlicher sexueller Orientierung. So sieht es auch Mathias Reimann, Sprecher des LGBTI-Netzwerks von Bosch: "Im Alltag tun sich immer noch viele Kollegen schwer. Sie haben oft das Gefühl, ihre sexuelle Identität verheimlichen zu müssen."

Die Frage "Was hast du am Wochenende gemacht?" bekomme da eine völlig neue Dimension, sagt Reimann. "Soll ich erzählen: Ich war mit meinem Mann unterwegs? Viele wagen das nicht." Deshalb sei es notwendig, den schwul-lesbischen Alltag sichtbar zu machen. Das hat auch die Firma erkannt. "RBgay trägt zu unserer offenen Unternehmenskultur bei, in der Mitarbeiter authentisch sein können und wertgeschätzt werden – egal welche sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität sie haben", erklärt Bosch-Personalchef Christoph Kübel.

Ein Drittel wagt es nicht, vor Kollegen offen zu sprechen

Je selbstverständlicher Beschäftigte auch am Arbeitsplatz mit ihrer sexuellen Identität umgehen können, desto höher sind Arbeitszufriedenheit und Verbundenheit mit dem Unternehmen. Das ist das Ergebnis der Studie "Out im Office?!" der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aus dem Jahr 2017. Demnach gehen homosexuelle Beschäftigte zwar heute offener mit dem Thema um als noch vor zehn Jahren. Aber immer noch wagt es ein Drittel von ihnen nicht, gegenüber Kollegen darüber zu sprechen. Und drei von vier Befragten gaben an, Diskriminierung am Arbeitsplatz erlebt zu haben.

Ob ein Paradewagen beim CSD da Abhilfe schaffen kann? Ein Stück weit schon, glaubt man bei der Münchner Stiftung "PrOut At Work", die sich für die Belange von LGBTI-Mitarbeitern einsetzt. Zu den Stiftern gehören unter anderem die Telekom, die Commerzbank, SAP und die Deutsche Post. "Die tatsächliche Gleichstellung der Menschen erfordert ja nicht nur ein Umdenken auf rechtlicher Ebene, sondern vor allem auch auf gesellschaftlicher", sagt Stiftungsvorstand Albert Kehrer. "Dabei ist der Einfluss von großen Unternehmen mit ihrer starken Präsenz und Wirtschaftsmacht als Advokaten ein klarer Schlüsselfaktor."

In manchen Abteilungen gibt es noch immer Vorbehalte

Gerade wenn sich vermeintlich konservative Firmen solidarisch mit der LGBTI-Community zeigten, sei das ein Signal an die Gesellschaft, meint Kehrer. Das empfinden auch viele in der Gemeinde so: "Wenn ich da einen Bosch-Wagen bei der CSD-Parade sehe, dann würde ich schon denken: Cooles Unternehmen, dort könnte man arbeiten", erklärt eine Managerin, die sich bei ihrem Arbeitgeber EY längst als lesbisch geoutet und dadurch nach eigener Aussage nie Probleme erfahren hat – aber trotzdem ihren Namen nicht nennen will. In Zeiten des akuten Fachkräftemangels sei das Engagement ohnehin logisch, glaubt sie: "Unternehmen können es sich gar nicht mehr leisten, auf diese Gruppe zu verzichten – im Gegenteil, sie müssen sie locken."

Reimann leitet bei Bosch eine 300 Mitarbeiter starke Truppe in der Entwicklung. Er hat in seiner Karriere nie aufgrund seiner sexuellen Orientierung Probleme gehabt. Aber er weiß auch: "Es kommt darauf an, was für ein Typ man ist – und wo im Unternehmen man arbeitet." So erfahre man im LGBTI-Netzwerk von Bosch, dass homosexuelle Kollegen es in der Produktion, wo der Ton rauer ist, schwerer haben als etwa in der Forschung. An manchen ausländischen Bosch-Standorten wäre es sogar völlig undenkbar, sich zu outen. "Etwa in Indien, dort würde den Betreffenden eine lebenslange Haftstrafe drohen", sagt Reimann.

"Aber jetzt wird wenigstens schon mal in der Belegschaft darüber diskutiert." Mathias Reimann

Den Anspruch, die indische Rechtslage zu ändern, hat der Bosch-Mann nicht. Aber in Ungarn ist dem Netzwerk bereits ein Erfolg gelungen. Dort wurde ein schwuler Kollege übel beschimpft. Nachdem Personalchef Kübel sich am Standort für das Thema Diversity und damit auch für die LGBTI-Kollegen einsetzte, unterzeichnete Bosch-Ungarn die "Charta der Vielfalt" des Unternehmens. "Sicher, es gibt in Ungarn trotzdem immer noch viele Ressentiments", meint Reimann.
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