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Haarig

Freiburger Einzelhandel: Pelz, Kunstpelz - oder gar kein Pelz?

Ursula Thomas-Stein
  • Di, 09. Dezember 2014, 07:54 Uhr
    Freiburg

Was die Pelzgegner empört, ist wieder angesagt: Echtpelzbesätze an Jacken, Mänteln und Mützen. Designerpelzmäntel sind ebenfalls in. Wie stehen hiesige Modegeschäfte zur strittigen Frage?

Sieht aus wie Pelz, ist aber keiner: K...t eine Jacke mit Kunstpelzbesatz vor.   | Foto: Schneider
Sieht aus wie Pelz, ist aber keiner: Karen Ralls, Inhaberin des Modegeschäfts Yum Yum, führt eine Jacke mit Kunstpelzbesatz vor. Foto: Schneider
Pelzmützen und Pelzmäntel finden sich zum Beispiel in den Auslagen der Boutique "Lisa" im Quartier Unterlinden oder beim Modehaus Kaiser an der Kaiser-Joseph-Straße. Dazu äußern wollen sich die Geschäftsführer nicht. Im Onlineshop von Breuninger bringt das Stichwort Pelze 209 Produkttreffer. Auch in anderen Kaufhäusern und Geschäften sind Echtpelze präsent.

Es geht aber auch anders. Marken wie Benetton, Esprit oder S. Oliver machen es mit ihren pelzfreien Kollektionen vor – da haben die Mützen einen Bommel aus Wolle oder Webpelz, einem Pelzimitat aus Baumwoll- und synthetischem Polyacrylgarn. Auch in Geschäften wie C & A, Zero oder Yum Yum gibt es aus Prinzip nur Imitate. Carolin Bischof von der Marketingabteilung der deutschen Modemarke S. Oliver in Rottendorf erklärt: "Wir kaufen und verkaufen schon lange keine Pelzwaren, da hier Tiere nur zur modischen Nutzung gezüchtet werden. Diese Grundeinstellung haben wir Anfang 2013 durch unsere Mitgliedschaft bei dem Fur-Free-Retailers-Zusammenschluss bekräftigt, der in Deutschland von der Tierschutzorganisation Vier Pfoten betreut wird."

Nerze haben in der freien Natur große Reviere

Webpelze? Karl Wilhelm Arzt, der in der Schiffstraße 12 ein Fachgeschäft für Pelz- und Lederwaren führt, hält nichts von diesem synthetischen Pelzersatz: "Das sind alles künstliche Produkte aus Erdöl. Ein echter Pelz ist doch ein Bioerzeugnis." Doch genau da liegt der Hase im Pfeffer: Denn oft wird über Pelze gesprochen, als ob sie ein isoliertes Produkt wären und nicht zu einem Lebewesen gehörten – einem Nerz zum Beispiel. Der lebt in freier Wildbahn am Wasser, taucht gerne und hat ein Revier von 26 bis 32 Hektar. In der Pelzfarm wird er hingegen in einem Drahtkäfig im Format 85 mal 30 mal 45 Zentimeter gehalten, bemängeln Kritiker.

Über die Branche kursierten viele übertriebene Gruselgeschichten, sagt indes Kürschnermeister Arzt: "Wenn die Tiere auf den Farmen nicht gut gehalten werden, haben sie auch kein schönes Fell, und somit käme der Züchter nicht auf seine Kosten", argumentiert er. Der Händler wird seinen eigenen Laden, den er im Jahr 1983 aufgemacht hat, allerdings Ende Januar 2015 schließen. Der Grund: "Mietsteigerung, Internetkonkurrenz und nicht zuletzt der kriminelle Tierschutz." Zwei Mal sei ihm letztes Jahr die Schaufensterscheibe eingeschlagen worden. Danach zahle keine Versicherung mehr.

In Deutschland gibt es noch acht Pelztierfarmen

Der Pelzumsatz in Deutschland lag 2013 bei knapp 1,1 Milliarden Euro, teilt das Deutsche Pelzinstitut mit. Nach Angaben des Deutschen Tierschutzbundes gibt es hierzulande noch acht Pelztierfarmen mit etwa 100 000 Nerzen, in Baden-Württemberg gibt es keine mehr. Dafür sollen es europaweit insgesamt 7200 Farmen sein und in Asien ebenfalls viele tausend. Aus China, wo Füchse, Nerze, Kaninchen und Marderhunde laut Berichten von Tierschützern massenweise in winzigen Käfigen dahinvegetieren und zum Schluss erschlagen werden, kommen sehr billige Felle nach Europa – oft seien diese schlussendlich sogar günstiger als Pelzimitat.

Tierschützer kritisieren auch die Zustände auf deutschen Pelztierfarmen, wo Nerze in apfelsinenkistengroßen Käfigboxen tierschutzwidrig gehalten würden. Denn seit Dezember 2011 muss jedem Nerz eigentlich eine Fläche von mindestens einem Quadratmeter zur Verfügung stehen. Doch Züchter würden die Umsetzung dieser Regelung durch Klagen hinauszögern, sagen Pelzgegner. Frank Schmidt vom Tierrechtsverein Peta erklärt: "Es gibt keinen artgerechten Pelz. Für jedes Stückchen Pelz wird ein Tier unnötig getötet". Das Peta-Approved-Vegan-Logo bezeichne Bekleidung ohne tierische Materialien jeglicher Art, also rein vegane Produkte.

Auf diese Schiene setzt das 2006 gegründete Freiburger Modegeschäft "Zündstoff" – ursprünglich nur ein Onlineshop, seit 2012 aber auch stationär in der Moltkestraße 31 vertreten. "Unser Konzept ist es, fair produzierte, ökologisch korrekte und modische Kleidung anzubieten", sagt Matthias Rau, einer der beiden Gründer. Dazu gehöre auch die bewusste Entscheidung gegen Pelz. Der Anteil an veganer Bekleidung, also solcher, die komplett ohne tierische Bestandteile auskommt, liege bei etwa 75 Prozent, versichert Rau.
Pelzettiketten

Seit Anfang November ist bei Pelzbesatz oder Daunen die EU-Kennzeichnung "Enthält nicht-textile Bestandteile tierischen Ursprungs" verpflichtend. Die Deklaration des Tieres und der Herkunft ist indes nicht vorgeschrieben. Oft werden zudem von Modelabels Fantasienamen verwendet. Wie einzelne Pelzarten umschrieben werden, zeigt folgende Liste, die von Peta Deutschland stammt.

Bisamratte: Bisam, Delta Rat, River Mink, Hudson Seal, Rice Cake Seal
Eichhörnchen: Feh, Telentka, Teleutka, Sobalsky, Blacktail
Fuchs: Birkfuchs, Brandfuchs, Kohlfuchs, Kreuzfuchs, Platinfuchs
Hamster: Zobelkanin
Hund: Asian Wolf, Asian Jacka, Bio-Wolf, Corsac Fox, Goupee
Kaninchen: Kanin, Baby Beaver, Chinchilette, Erminette, Sealkanin
Karakul-Lamm: Persianer, Breitschwanz, Afghan Karakul, Buhkara Karakul
Katze: Lipi, Lyrenkatze, Cypernkatze, Genotte, Goyangi (Koreanisch für Katze)
Marderhund: Tanuki, Raccoon Dog, Asian Raccoon, Seefuchs, Finnraccoon
Nerz: Mink, Kojah, Sami
Nutria: Otternutria, Nutria Seal
Robbe: Blueback, Lakoda, Sealskin, Neufundländer, Grönländer
Streifenhörnchen: Barunduk
Waschbär: Schupp, Marmota, Raccoon

Eine Liste von Modegeschäften und Marken, die pelzfrei sind (abgesehen von Nebenprodukten der Fleischindustrie wie etwa Lamm- und Kaninchenfellen) gibt es unter http://www.furfreeretailer.com

Ressort: Freiburg

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 09. Dezember 2014: PDF-Version herunterladen

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