Interview

Freiburger Schlafforscher über das Träumen: "Schlafen ist ein sehr aktiver Zustand"

Arlette Weiland

Von Arlette Weiland

Fr, 17. März 2023 um 12:21 Uhr

Stadtgespräch (fudder) Stadtgespräch

Beim Schlafen träumen wir – nicht nur am heutigen Weltschlaftag. Die eigenen Träume zu steuern, klingt unmöglich – kann aber funktionieren, sagt der Schlafforscher Dieter Riemann von der Uniklinik Freiburg.

BZ: Herr Riemann, was passiert in unserem Gehirn, wenn wir träumen?
Riemann: Zum Träumen gehört ein veränderter Zustand des Gehirns. Psychologisch spielt mein Gehirn mir sozusagen einen Film ein, den ich vor allem visuell und akustisch wahrnehme. Diese Geschichten fußen auf meinem eigenen Erfahrungsschatz. Auch gewisse logische Prüfungen entfallen, es gibt Zeitsprünge und Personen vermischen sich.

BZ: Träumen wir denn die ganze Nacht?
Riemann: Träume werden relativ eng mit REM-Schlaf verbunden, das hat man vor 70 Jahren entdeckt. Etwa vier oder fünf Mal pro Nacht ist man etwa zehn bis 30 Minuten in dieser Schlafphase. Das heißt, jeder Mensch träumt und das mehrfach pro Nacht. Wir träumen auch in den leichten und tiefen Schlafphasen, aber am meisten in den REM-Phasen, wo die Muskulatur blockiert ist. Wenn das nicht der Fall wäre, würden wir unsere Träume ausagieren.
Dieter Riemann (64) leitet das Schlaflabor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Freiburg.

BZ: Was macht diese Schlafphase noch so wichtig für das Träumen?
Riemann: Im REM-Schlaf ist das Gehirn sehr aktiv. Die Hirnströme sind fast so wie im Wachzustand: Wir haben schnelle Augenbewegungen, dafür steht auch REM (Rapid Eye Movements), eine Paralyse der Skelettmuskulatur, meine Arme und Beine bewegen sich nicht, die sind sozusagen abgekoppelt und dann habe ich gleichzeitig eine erhöhte, variable Puls- und Atemfrequenz. Gleichzeitig haben wir auch eine Aktivierung der Sexualorgane. Schlaf ist also mitnichten nur Ruhe, sondern ein sehr aktiver Zustand.

"Der luzide Träumer kann oder will unter Umständen gestalterisch Einfluss nehmen."

BZ: Die meisten Menschen erleben träumen als etwas Passives. Was beschreibt das Phänomen des luziden Träumens?
Riemann: Ein luzider Traum oder Klartraum ist ein Traum, indem ich während des Träumens das Bewusstsein erlange "ich träume". Der luzide Träumer kann oder will unter Umständen gestalterisch Einfluss nehmen.

BZ: Gibt es Erklärungen für Klarträume?
Riemann: Nein, die gibt es bisher nicht. Es gibt spontane luzide Träume, aber es ist definitiv die Minderheit, die so etwas erlebt. Die sehr lebhaften Träume, die ins Bizarre gehen oder was man als traumhaft bezeichnet, finden allgemein in den frühen Morgenstunden statt, da sind die REM-Perioden besonders lang und intensiv.

BZ: Wie kann man dann als schlafende Person erkennen, dass man in einem Klartraum ist?
Riemann: Abgrenzen kann man es dann, wenn man Dinge bewusst ausführt, die man sich vorgenommen hat. Man hat Versuche gemacht, bei denen man die Augenbewegungen im Schlaf misst und den Probanden gesagt, wenn du luzid träumst, guck dreimal nach rechts und dreimal nach links. Das sieht man in der Aufzeichnung und dann hat man die Leute geweckt und sie haben gesagt, ich war jetzt im luziden Traum.


BZ: Klarträumen klingt ein bisschen nach Superpower. Kann man das luzide Träumen erlernen?
Riemann: Man muss ein Interesse an seinem Traumleben haben. Die simpelste Technik ist die Selbstsuggestion: Ich möchte das ausprobieren. Man würde tagsüber als Vorstellung üben, was man träumen möchte, mit der Hoffnung, dass es sich im Traum überträgt.

BZ: Welche Möglichkeiten oder Vorteile bietet das Klarträumen?
Riemann: Man kann versuchen, seine Träume so angenehm wie möglich zu gestalten oder Albträume zu blockieren, das wären Optionen. Dann gibt es beispielsweise Daniel Erlacher, er ist Sportmediziner und übt das luzide Träumen vor allem mit Sportlern, sodass zum Beispiel ein Skifahrer im Traum einen Slalom durchlaufen kann. Viele Sportler müssen ja sehr komplexe Bewegungsabläufe ausführen, ob sie Skifahrer oder Turner sind und so können sie sozusagen im Schlaf üben. Das hätte dann einen Übungseffekt. Auch Michael Schredl forscht zu Klarträumen, da geht es darum, Alltagsfertigkeiten zu trainieren.

BZ: Gibt es auch Gefahren?
Riemann: Die Natur hat die Dinge so gestaltet, dass wir ziemlich viel träumen und das nicht bewusst registrieren. Es könnte sein, dass das einen Sinn hat. Zu negativen Nebeneffekten gibt es bisher keine Literatur.

BZ: Als Teil des Lernprozesses wird beschrieben, sich mehrfach nachts zu wecken. Kann das Erlernen von Klarträumen so zu Schlafstörungen führen?
Riemann: Wenn man das ein oder zwei Mal macht, hätte ich keine Sorge, aber wenn man das dauerhaft macht, hätte ich Ängste, dass man sich eine Schlafstörung antrainiert.