Kaiser Wilhelms Ferner Osten

Fachwerk aus Porzellan und Bier in Tüten: Die Olympiastadt Qingdao entdeckt ihr deutsches Erbe / Von Winfried Schumacher
Ein bisschen Größenwahn gehörte seinerzeit zum Metier. Von seinen Gemächern blickte der Gouverneur einst durch eine prunkvolle Säulenreihe in die Ferne, ganz wie der Märchenkönig Ludwig II. vom Söller des Thronsaals von Neuschwanstein. Sein protziger Amtssitz bot Oskar von Truppel eine großzügige Aussicht über die deutsche Musterkolonie Tsingtau. Stände der Gouverneur heute an derselben Stelle wie vor 100 Jahren, er würde seinen Augen nicht trauen. Hinter den altehrwürdigen Villen seiner säuberlich geplanten Stadt wuchern nun Wolkenkratzer in den bleichen Himmel. Und auf dem Kleinen Fischhügel gegenüber überragt eine chinesische Pagode den Turm der lutherischen Christuskirche –- undenkbar in Zeiten als sich Kaiser Wilhelm II. ein "deutsches Hongkong" am Gelben Meer erträumte.
Mit der kampflosen Besetzung der Kiautschou-Bucht im November 1897 begann das deutsche Kaiserreich sein chinesisches Kolonialabenteuer. Willkommener Anlass für die Besetzung Tsingtaus bot die Ermordung zweier deutscher Missionare durch Mitglieder der chinesischen "Gesellschaft der Großen Messer". Noch bevor es ihnen die Engländer mit Hongkong gleich taten, pachteten die Deutschen am 6. März 1898 die Bucht von Kiaoutschou von der chinesischen ...
Mit der kampflosen Besetzung der Kiautschou-Bucht im November 1897 begann das deutsche Kaiserreich sein chinesisches Kolonialabenteuer. Willkommener Anlass für die Besetzung Tsingtaus bot die Ermordung zweier deutscher Missionare durch Mitglieder der chinesischen "Gesellschaft der Großen Messer". Noch bevor es ihnen die Engländer mit Hongkong gleich taten, pachteten die Deutschen am 6. März 1898 die Bucht von Kiaoutschou von der chinesischen ...