"Für unsere Generation ist die EU unverzichtbar"
In Teningen sitzen Johanna Ludwig (17) und Valentin Schenk (20) im Gemeinderat. Im BZ-Interview sprechen sie über die Bedeutung von Verteidigungsfähigkeit sowie über die Bedrohung durch rechte Kräfte.
Interview von Michael Sträter
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BZ: Sie sind Mitglied der Grünen, einer Partei, die in Fragen der Verteidigung oft gespalten ist. Wie gehen Sie mit diesem Thema um?
Ich war Delegierte beim letzten Bundesparteitag der Grünen, wo über Verteidigung und Außenpolitik diskutiert wurde. Es gibt in der Partei immer noch eine pazifistische Stimmung, die man mit den Grünen verbindet. Viele Flugblätter forderten "Kein Geld für Waffen, kein Geld für Krieg". Ich bin der Meinung, dass wir nicht in den Krieg investieren, sondern in unseren Frieden und unsere Demokratie. Ohne Investitionen wären wir nicht verteidigungsfähig, und in der heutigen Zeit können wir uns nicht mehr allein auf die Nato verlassen. Trump hat mehrfach geäußert, dass er die Nato für überflüssig hält. Wenn die USA aus der Nato austreten, hätten wir ein großes Problem, insbesondere angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine. Daher müssen wir realistisch sein und sicherstellen, dass die EU und Deutschland verteidigungsfähig sind, idealerweise in Zusammenarbeit mit anderen EU-Ländern.
BZ: Wie sehen Sie die Situation, Herr Schenk?
Valentin Schenk: Ich kann mich dem nur anschließen. Es ist erschreckend, was in Europa passiert. In Deutschland wäre die AfD laut aktuellen Umfragen die stärkste Kraft, was beunruhigend ist. Deshalb sollten wir weiterhin an die EU und die Nato glauben und diese stärken. Besonders im Hinblick auf die USA und Trumps Drohungen, aus der Nato auszutreten, müssen wir uns überlegen, wie wir uns verteidigen können. Ohne die Nato wäre das schwierig, und die USA spielen dabei eine entscheidende Rolle.
BZ: Sie sind beide in den Gemeinderat von Teningen gewählt worden, Sie als Sozialdemokrat, Sie als Grüne. Bei der vergangenen Bundestagswahl haben gerade besonders viele Jugendliche rechts gewählt. Wie können Sie sich das erklären?
Johanna Ludwig: Ich erkläre mir das mit zwei Phänomenen. Erstens wollen Jugendliche oft das Gegenteil von dem tun, was die ältere Generation tut. 2019 war Fridays for Future ein Trend, und viele, die damals für den Klimaschutz auf die Straße gingen, sind heute möglicherweise in sozialen Medien aktiv und vertreten rechte Ansichten. Nach Corona hatten viele Jugendliche mit mentalen und sozialen Problemen zu kämpfen, und soziale Medien boten eine schnelle Lösung. Die AfD hat es verstanden, junge Menschen anzusprechen, während andere Parteien erst später auf Plattformen wie TikTok aktiv wurden. Die AfD bietet einfache Antworten auf komplexe Fragen, was in Krisenzeiten verlockend ist. Wenn Jugendliche sehen, dass ihre Eltern finanzielle Schwierigkeiten haben, ist es einfacher, die Schuld auf andere zu schieben, als über langfristige Lösungen nachzudenken. So entsteht ein Rechtsruck, aus dem man schwer wieder herauskommt.
BZ: Warum sind Sie nicht nach rechts gerückt?
Valentin Schenk: Ich fühle mich mit dieser Ideologie nicht verbunden. Meine Familie hat mich geprägt, und dieses Gedankengut liegt mir fern. Unsere Generation, auch die Jüngeren, die schon ab 16 wählen dürfen, wird stark von außen beeinflusst. Je älter man wird, desto mehr befasst man sich mit den Wahlprogrammen der Parteien. Viele, die die AfD wählen, haben das Programm gar nicht gelesen, sondern reagieren auf einfache Parolen. Die AfD hat clever Social Media genutzt, um junge Menschen zu erreichen. In den Kommentaren auf Tik-Tok sieht man oft blaue Herzen, was zum Trend geworden ist. Das verstärkt die Wahlbereitschaft, auch wenn die Inhalte oft auf Vorurteilen basieren.
BZ: Sie haben die Verteidigungsfähigkeit angesprochen. Jetzt ist das Thema Wehrpflicht wieder aktuell. Wie sehen Sie das?
Johanna Ludwig: Ich bin absolut gegen die Wehrpflicht. Menschen zu einem solchen Dienst zu zwingen, halte ich für falsch. Auch wenn es zunächst nur eine Ausbildung wäre, besteht immer die Möglichkeit, dass Deutschland in einen Krieg verwickelt wird und diese Menschen kämpfen müssen. Viele, die gezwungen wurden, haben psychische Probleme davongetragen. Zwang führt selten zu positiven Ergebnissen. Außerdem ist es interessant, dass vor allem ältere Politiker, die selbst nicht betroffen wären, darüber diskutieren. Die Jugend sollte in dieser Frage mitentscheiden dürfen.
Valentin Schenk: Ich sehe das ähnlich. Unsere Generation wurde durch die Corona-Pandemie bereits stark eingeschränkt. Zwang ist nie so effektiv wie Freiwilligkeit. Der Beruf des Soldaten sollte attraktiver gestaltet werden, mit besserer Vergütung und Arbeitszeiten. Die Wehrpflicht wäre zudem mit enormen Kosten verbunden, da neue Kasernen und Ausrüstungen benötigt würden. Es wäre sinnvoller, den Beruf des Soldaten attraktiver zu machen.
BZ: Es gibt Überlegungen, ein soziales Pflichtjahr einzuführen. Wie stehen Sie dazu, besonders, da es nur die Jüngeren betreffen soll? Wäre es nicht fairer, wenn diese Leistung altersunabhängig gefordert würde?
Valentin Schenk: Das ist ein interessanter Ansatz. Einerseits könnte man es als unfair empfinden, dass nur die jüngere Generation einen solchen Dienst leisten muss. Andererseits befinden sich in der älteren Bevölkerungsgruppe viele Eltern, Berufstätige – also Steuerzahler – sowie kranke Menschen. Sie stehen seit Jahrzehnten im Arbeitsleben, weshalb es nicht sinnvoll wäre, andere Generationen einzubeziehen. Stattdessen könnte man das Ehrenamt stärken und fördern. Ein verpflichtendes Jahr für alle wäre organisatorisch und finanziell kaum umsetzbar.
BZ: Wir sehen eine Trendwende im Klimaschutz. Wie sehen Sie das als Grüne?
Johanna Ludwig: Es ist erschreckend, dass das ursprüngliche Ziel von einem Grad Erwärmung immer weiter aufgeweicht wird. Die Folgen sind bereits spürbar, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Der Klimaschutz wird oft als zu teuer angesehen, aber die Kosten der Klimafolgen werden um ein Vielfaches höher sein. Die westlichen Länder tragen eine große Verantwortung für den Klimawandel. Wir müssen dringend handeln, um die Ozonschicht zu reparieren und den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Große Konzerne müssen stärker in die Pflicht genommen werden, da sie die Hauptverursacher sind.
BZ: Was können Sie auf kommunaler Ebene tun, um die Zukunft Ihrer Generation zu verbessern?
Valentin Schenk: In der Kommunalpolitik sind wir eingeschränkt, aber wir können direkt sehen, was wir bewirken. Wir nehmen Verbesserungsvorschläge auf und leiten sie weiter. Es ist wichtig, immer am Ball zu bleiben und die Demokratie zu fördern. Auf kommunaler Ebene können wir ein Zeichen setzen und andere dazu animieren, sich Gedanken zu machen.
BZ: Werden Sie als Repräsentanten der Jugend wahrgenommen?
Johanna Ludwig: Wir haben einen Jugendbeirat, der die Jugend repräsentiert, aber keine volle Entscheidungsmacht hat. Für Menschen über 30 sind wir die Repräsentanten der Jugend. Wir bringen neue Perspektiven ein, da wir anders aufgewachsen sind.
Valentin Schenk: Ich sehe uns als Repräsentanten der Jugend, auch unter Jugendlichen. Im Jugendzentrum sprechen wir oft über Politik, und ich bekomme viele Anregungen. Es ist gut, dass wir in den Gemeinderat gewählt wurden, um diese Gruppe zu vertreten.
BZ: Ist Politik ein Weg, den Sie weitergehen werden?
Valentin Schenk: Die Arbeit im Gemeinderat erfüllt mich sehr, und ich kann mir vorstellen, weiterhin politisch aktiv zu sein. Ich studiere derzeit Gesundheitsmanagement und könnte mir vorstellen, in diesem Bereich weiterzumachen. Aber auch eine politische Karriere schließe ich nicht aus.
Johanna Ludwig: Ich mache schon relativ viel in der Politik. Ich bin jetzt ein Jahr im Gemeinderat. Ich bin in meiner vierten Amtsperiode als Kreisvorsitzende der Grünen Jugend in Emmendingen. Und ich bin auch Gründerin und Vorstand des Ortsvereins Grüne Teningen. Deswegen, ich werde das auf jeden Fall weiter verfolgen in Zukunft. Und vor allem auch mich weiter politisch engagieren, natürlich jetzt hier erst mal auf Kommunalebene. Aber mein Traum wäre natürlich, irgendwann weiterzugehen auf Landes- und Bundesebene. Deswegen, ja, das Ziel ist Bundestagsabgeordnete.