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Gesunde Tiere in gesundem Wald

BZ-Redaktion

Von

Sa, 12. Mai 2018

Kreis Breisgau-Hochschwarzwald

Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald: Staatswald entwickelt sich zu optimalem Lebensraum für Rehe / Rückblick auf Jagdjahr .

Erstmals nach Jahrzehnten wachsen im H... hier sind mit roten Bändern markiert.  | Foto: Landratsamt
Erstmals nach Jahrzehnten wachsen im Höllental wieder junge Eiben, die davor komplett verbissen wurden – diese hier sind mit roten Bändern markiert. Foto: Landratsamt

BREISGAU-HOCHSCHWARZWALD (BZ). Nach dem Ende des vergangenen Jagdjahres ist es für die Förster im Landkreis Zeit, Bilanz zu ziehen. Dabei fällt grundsätzlich auf: Die Jäger haben bei allen Wildarten mehr Tiere erlegt als im Vorjahr. In der staatlichen Regiejagd im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald waren es 911 Rehe. Das ist der zweithöchste Wert der vergangenen 20 Jahre, teilt das Landratsamt mit. Es habe seit 1953 nur drei Jahre gegeben, in denen die Strecke noch höher lag. Mit dieser ist die Jagdbeute gemeint.

Die Jagdstrecken einzelner Jahre sagten noch relativ wenig aus über den Gesamtbestand der Wildtiere, räumt die Behörde ein. So könne eine günstige Wetterlage immer mal zu Ausreißern führen. Die jüngste Bilanz zeige jedoch: Die Rehwildstrecken sind aktuell auf ein bisher nie erreichtes Niveau gestiegen. Dieser Wert belege auch, dass hohe Strecken in Einzeljahren den Rehbestand insgesamt nicht reduziert haben, sondern durch den Zuwachs wieder ausgeglichen wurden und damit nachhaltige hohe Rehwildstände im Staatswald vorkommen.

Die Darstellung sei auf den ersten Augenblick erstaunlich, heißt es in dem Bericht, da man davon ausgehen müsse, "dass früher die Lebensbedingungen besser waren". Es habe weniger Straßen gegeben, die Zerschneidung der Wildlebensräume sei geringer gewesen. Gleichzeitig sei die Verkehrsdichte früher deutlich schwächer gewesen.

Ebenso habe die Zahl der Erholungssuchenden und auch der Erholungsformen stark zugenommen. Für einzelne Wildtiere, wie das Auerwild seien die Waldbesucher, insbesondere Wintersportler abseits der Wege, und nächtliche Störungen ein großes Problem, betont das Landratsamt. Die Bestandszahlen des großen Vogels gingen stark zurück. Dies gelte sicher auch für alle Wildtiere, aber offensichtlich steckten insbesondere die Rehe diese Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen problemlos weg und besiedelten den Wald dichter als jemals zuvor. Hier müssten noch andere Faktoren wirken.

Forstbezirksleiter Hans-Ulrich Hayn aus Kirchzarten führt diese erstaunliche Entwicklung auf den Waldzustand zurück. So konnte sich im vergangenen Jahrzehnt eine dichte und vielfältige Bodenvegetation aus Jungbäumen und Waldpflanzen entwickeln. Darunter sind auch optimale Futterpflanzen für Rehe wie Brombeere, Hasenlattich, Weidenröschen, Himbeere, Vogelbeere und Weißtanne. Jahrzehnte davor gab es Vegetationszustände mit wenig Bodenpflanzen. Auch eine zu hohe Population beeinträchtigt die Lebensmöglichkeiten. Bis in die 1980er Jahre verhinderte eine nicht angepasste Rehwilddichte das flächige Aufwachsen dieser optimalen Futterpflanzen. Beginnend in den 1990er Jahren, aber auch seit 2010 hat sich die Bodenvegetation deutlich verbessert und ermöglich jetzt sogar einer höheren Zahl an Rehen eine prima Ernährungsgrundlage, so das Fazit für den Forstbezirk.

Neben der Nahrung seien auch die Versteckmöglichkeiten für die Rehe entscheidend. Die dichte Vegetation mache die Tiere im Sommer nahezu unsichtbar und verringere den Stress durch Erholungssuchende, aber auch durch Artgenossen. Damit habe sich auch der Gesundheitszustand der Rehe erhöht, betonen die Experten. So kämen Knopfböcke – Tiere mit verkümmertem Gehörn – aktuell nicht mehr vor, und die bessere Nahrung mit weniger Stress führt zu kräftigeren Rehen mit höheren Gewichten.

Die für die Tiere positive Entwicklung habe zwei Ursachen, heißt es weiter in dem Bericht. Zum einen wurde der Abschuss in den 1990er Jahren und auch seit 2010 erhöht. Dadurch konnte die Übernutzung der Vegetation zunächst gestoppt werden. Begleitend wurden die Wälder in der Oberschicht auch stärker aufgelichtet, so dass die Bodenvegetation rasch reagierte. Die Rehe haben nun Nahrung und Versteckmöglichkeiten auf engstem Raum. Die Bodenvegetation ist vielfältig und hat wieder verstärkt seltene Arten, die zuvor der hohen Wilddichte zum Opfer gefallen waren. Als Beispiele genannt werden die Eibenverjüngung im Höllental, die nach Jahrzehnten erstmals überhaupt wieder zu beobachten ist, und die reicheren Vorkommen des Türkenbunds, einer Wildpflanze, am Feldberg.

Kunden kaufen offenbar

mehr Wildfleisch

Der Staatswald profitiere von der reichen und vielfältigen Naturverjüngung, die aktuell in einem Ausmaß auftrete, wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr, so das Fazit. Ökologisch und ökonomisch wertvolle Baumarten wie Tanne, Buche, Douglasie oder Bergahorn wüchsen gratis im Wald und ermöglichten den Verzicht auf teure Pflanzmaßnahmen, die in dem steilen Gelände bis zu 10 000 Euro pro Hektar Kapitaleinsatz erfordern würden.

Die Jagd sei ein wichtiges Regulativ, um diesen Zustand zu bewahren, betont das Landratsamt. Als schönes Nebenprodukt falle hochwertiges Wildfleisch an. Es stamme von Tieren, die in einem natürlichen, optimalen Lebensraum aufwachsen. Die Nutzung sei nachhaltig, da der Bestand steige. Und Vermarktungsschwierigkeiten gibt es offenbar auch nicht: Immer mehr Verbraucher seien bereit, deutlich höhere Preise für Wildfleisch zu bezahlen, wird betont.

Für die Förster ist als Indikator für einen guten Lebensraum im Schwarzwald die Entwicklung der Weißtannen von herausragender Bedeutung. Die weichen Nadeln gehörten vor allem im Winter zu Lieblingsspeise der Rehe. Sei der Lebensraum intakt, gebe es für die Rehe auch genügend Weißtannennadeln zu fressen, und es blieben genügend Bäumchen übrig, um die Entwicklung zu größeren Bäumen nicht zu gefährden, aber auch um im nächsten Winter wieder als Notration für die Tiere zur Verfügung zu stehen. Auch dies sei in der Vergangenheit völlig anders gewesen: Über Jahrzehnte seien die Weißtannen so zurückgebissen worden, dass diese nie groß werden konnten und die Rehe im Winter dann auch hungerten.

Heute sei in gesunden Waldlebensräumen wie dem Staatswald eine Fütterung von Rehen auch überhaupt nicht notwendig, sondern sogar kontraproduktiv, wird betont. Das Anfüttern der Rehe führe zu Konzentrationen mit verstärktem Verbiss, zu Stress, aber auch zu der Gefahr einer Verbreitung von Krankheiten. Der natürliche, intakte Wald habe da deutliche Vorteile vor allem auch für die Rehe.

Ressort: Kreis Breisgau-Hochschwarzwald

  • Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der BZ vom Sa, 12. Mai 2018:
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