Prozess
Gift im Kaffee? Sanitäterin bestreitet Mordversuch
Mutmaßliche Giftattacken auf einer Rettungswache werfen Fragen auf: War es Frust, Neugier oder beides? Die Staatsanwaltschaft wirft einer jungen Frau versuchten Mord vor. Sie hat eine andere Version.
Martin Oversohl (dpa)
Mo, 11. Aug 2025, 12:59 Uhr
Baden-Württemberg
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Quelle: Deutsche Presse-Agentur (dpa).
Die BZ-Redaktion hat diese Meldung nicht redaktionell bearbeitet.
Heilbronn /Ludwigsburg (dpa) - Hat eine angehende Rettungssanitäterin versucht, ihre Kollegen aus Frust und Neugier zu vergiften? Sie selbst bestreitet die Vorwürfe, will das Giftmischen später aber noch einräumen, wie ihr Verteidiger am Rande des Prozessauftaktes vor dem Landgericht in Heilbronn mitteilte. Am Mittwoch sei mit einer Einlassung zu rechnen. Die 24-Jährige habe nach eigener Angabe niemanden töten wollen, sagte der Anwalt.
Die Staatsanwaltschaft ist hingegen von der Schuld der jungen Deutschen überzeugt und wirft ihr mehrfachen versuchten Mord aus Heimtücke vor. Sieht die Kammer dies ähnlich, könnte die Frau unter Umständen auch zu lebenslanger Haft verurteilt werden.
Gift in Eistee und Kaffee
Laut Anklage hat die ehemalige Auszubildende zwischen Oktober 2023 und April 2024 wiederholt die Getränke der Kollegen während des Dienstes mit zuvor gestohlenen und verschreibungspflichtigen Medikamenten wie etwa Atropin versetzt. Das aus der Tollkirsche gewonnene Gift ist wasserlöslich und kann bei einer Überdosierung tödlich wirken.
Mal mischte sie das Mittel laut Anklage in eine mit Bitter Lemon und Wasser gefüllte Trinkflasche oder ein Glas Wasser, mal in Eistee, ein anderes Mal in den Kaffee eines Kollegen, wie es vor Gericht hieß. Die Kollegen hätten sich daraufhin über Herzrasen und Doppelsicht beschwert, einer der Sanitäter habe Ausfallerscheinungen während eines Einsatzes erlitten und sei selbst mit dem Rettungswagen abgeholt worden.
Giftanschläge aus Neugier?
Mehrere Männer sollen durch die klammheimlichen Giftattacken zum Teil auch lebensgefährlich verletzt worden sein. Die Sanitäter hätten aus reinem Zufall überlebt, sagte der Staatsanwalt. Das Motiv? Die Frau handelte "aus tief empfundener Wut und Verärgerung" über die scharfe Kritik an ihrer Arbeit, sagte der Anklagevertreter. Außerdem sei sie neugierig gewesen, wie sich die Mittel auf Menschen auswirkten.
Umfangreiche Ermittlungen hatten nach früheren Behördenangaben zu der jungen Frau auf der Rettungswache in Vaihingen/Enz geführt. Schon Monate vor dem Haftbefehl hatten die Vorwürfe im Raum gestanden. Die Auszubildende war nach Angaben des Ludwigsburger Kreisverbands des Deutschen Roten Kreuzes im April 2024 - einen Tag nach neurologischen Ausfällen eines Mitarbeiters - zunächst vorläufig festgenommen worden. Das DRK stellte sie sofort vom Dienst frei. Als sich die Hinweise später gegen sie verdichteten, kündigte ihr der Kreisverband fristlos.
Urteil frühestens Ende Oktober
Mit gestrecktem Rücken und gefalteten Händen, zurückhaltend und aufmerksam verfolgte die junge Frau die Verlesung der Anklage. Insgesamt sind laut Landgericht fünf Taten angeklagt. Es sind bislang zehn weitere Verhandlungstage bis Ende Oktober geplant, mehr als 30 Zeugen sind geladen.
Immer wieder Giftattacken am Arbeitsplatz
Giftattacken am Arbeitsplatz erschüttern jedes Mal erneut die Öffentlichkeit: Im hessischen Bad Nauheim etwa backte eine Krankenschwester Kekse für die Kollegen. Was wie eine nette Geste klang, verursachte bei ihren Opfern Schwindel und Bewusstlosigkeit. Die Frau hatte nach Auffassung des Landgerichts Gießen Beruhigungs- und Schlafmittel in die Naschereien gemixt - im Mai 2020 wurde sie wegen gefährlicher Körperverletzung zu drei Jahren Haft verurteilt.
In der Gemeinde Schloß Holte-Stukenbrock in Nordrhein-Westfalen vergiftete ein Mann nach Auffassung des Landgerichts Bielefeld die Pausenbrote seiner Kollegen mit Bleiverbindungen und Quecksilber. Gegen ihn wurde wegen Mordversuchs eine lebenslange Haft verhängt. 2020 verstarb ein 26-Jähriger an den Folgen der Tat.
Ein Passauer Krankenpfleger wurde 2008 zu drei Jahren und vier Monaten Haft verurteilt, weil er mindestens elfmal auf seiner Station im Klinikum Passau gefährliche Psychopharmaka in die Milch und andere Getränke der Mitarbeiter gefüllt hatte.
© dpa-infocom, dpa:250811-930-898040/2