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"Ich gehöre nicht nur in den Jazz"

  • Sa, 06. Juni 2015
    Rock & Pop

BZ-INTERVIEW mit Max Mutzke über seine stilistisch kunterbunte neue Platte "MAX", Flüchtlinge und seinen Lebenstraum.

Vielseitig: Max Mutzke im Studio  | Foto: David Königsmann
Vielseitig: Max Mutzke im Studio Foto: David Königsmann

Er ist schon fast ein Unikat: Der mittlerweile 34 Jahre alte Max Mutzke, der mit Partnerin und den vier gemeinsamen Kindern in Waldshut-Tiengen lebt, war 2004 Stefan-Raab-Castingshowgewinner und ESC-Teilnehmer. Und blieb anschließend einfach gut im Geschäft. Das neue Album "MAX" ist schon das sechste und bis jetzt wohl auch das kunterbunteste. Weder stilistisch noch sprachlich lässt sich Mutzke festnageln, die einzige Konstante zwischen funkig-fetzigen ("Magisch") und traurigen ("Hier bin ich Sohn") Stücken ist seine Stimme. Warum er an diesem Album trotzdem zwischendurch verzweifelte, hat er Steffen Rüth erzählt.

BZ: Ihr Album heißt "MAX". Wozu die Großbuchstaben?
Mutzke: Ich wollte bewusst einen plakativen Titel nehmen, der deutlich macht, um wen es hier geht.
BZ: Wer würde daran zweifeln wollen?
Mutzke: Ich. Zwischendurch bin ich fast wahnsinnig geworden mit dem Album, weil es einfach keine klare Linie hatte.
BZ: Die hatten doch die wenigsten Ihrer bisherigen Platten. Sie haben doch immer schon ein buntes Kuddelmuddel aus Pop, Soul und Jazz gespielt.
Mutzke: Aber dieses Mal war es besonders extrem. Ich habe einige Jahre lang an diesem Album geschrieben, war total offen, was meine Einflüsse und Inspirationen anging. Ich hatte schon vor "Durch Einander", meinem Jazz-Album 2012, mit diesen Songs hier angefangen, war dann sehr lange und sehr erfolgreich auf Tour, schrieb weiter und machte mich auf die Suche nach einem Produzenten, der mir diese krasse Vielfalt in eine Form gießt.
BZ: Und das war nicht so einfach?
Mutzke: Alle sagten sowas wie "Super Max, geile Songs, aber ich kann da keinen roten Faden reinbringen." Irgendwann kam ich auf Andreas Herbig, der sonst nur mit den Superstars arbeitet wie Udo Lindenberg oder Ich + Ich. Es hat immer geheißen "Mensch, der Andreas ist geil, aber zu teuer". Naja, war er auch, aber er war der einzige, der sich auf dieses Abenteuer eingelassen hat. Trotzdem hat auch er meine Demos erst mal etwas entkernt und neu zusammengesetzt.
BZ: Ihr Jazz-Album, auf dem bekannte Gäste wie Klaus Doldinger, Thomas D. oder Götz Alsmann mitwirkten, kam sehr gut an. Warum haben Sie nicht als Jazz-Sänger weitergemacht?
Mutzke: Der Ausflug in den Jazz war grandios. Wir haben 150 Konzerte gespielt, standen bei den großen Jazzfestivals auf der Hauptbühne, haben mit mehreren Rundfunkorchestern gespielt. Wenn jemand wie Jamie Cullum vom Jazz in den Pop wechselt, wird er bejubelt. Wenn normalerweise jemand vom Pop in den Jazz wechselt, wird er meist abgelehnt. Der Gedanke war trotzdem immer da, auf gar keinen Fall weiter in die Jazzrichtung zu gehen. Ich habe mich unheimlich über den Zuspruch gefreut, selbst die berüchtigte Jazzpolizei war zufrieden. Keiner hat gesagt: "Ist doch nur eine Marketingidee". Im Gegenteil. Viele meinten: "Jetzt ist er endlich da, wo er hingehört".
BZ: Aber?
Mutzke: Ich gehöre nicht nur in den Jazz, für mich ist das alles nicht schwarz-weiß zu sehen. Noch stärker als im Jazz fühle ich mich im Soul und R&B verwurzelt. Es ist auch schwierig, weil der Jazzmarkt recht überschaubar ist. Wenn ich in einem Jahr auf den Festivals spiele, dann wollen die im nächsten Jahr eine Max-Pause. Trotzdem: Vielleicht mache ich das mal wieder.
BZ: "Unsere Nacht" ist ein Duett mit Rapper Eko Fresh. Worum geht es in dem Song?
Mutzke: Um die Euphorie, die man spürte, als 2010 der "Arabische Frühling" begann. Plötzlich schien es möglich, ohne Blutvergießen die Demokratie in Ländern einzuführen, die damit keine Erfahrung haben. Speziell in Syrien ist diese Bewegung dann leider zu einem der widerlichsten und brutalsten Bürgerkriege aller Zeiten umgeschlagen. Zuletzt hat mich total geschockt, was für einen Zulauf die Fremdenfeindlichkeit bei uns im Land hat.
BZ: "Hier bin ich Sohn" ist das letzte Lied des Albums und das traurigste. Wovon handelt es?
Mutzke: Vor anderthalb Jahren ist meine Mutter gestorben, an Alkoholismus. Wir konnten ihr nicht helfen, offenbar war das die einzige Weise, auf die sie das Leben ausgehalten hat. So etwas zerreißt dich als Familie, und zugleich schweißt es dich zusammen. Es war schrecklich, doch auch dieser Aspekt, diese Ohnmacht und diese Verzweiflung, das gehört zu meinem Leben nun einmal dazu.
BZ: Ihre Frau stammt aus Eritrea, einem Land, aus dem aktuell viele Menschen fliehen. Seit wann lebt sie in Deutschland?
Mutzke: Meine Frau ist in Deutschland geboren, sie spricht akzentfreies Hochdeutsch und hat in Deutschland studiert, ihre Eltern sind kurz vor ihrer Geburt hergekommen. Diese Intoleranz dem und den Fremden gegenüber, ich kann sie, zumal angesichts meiner eigenen Familie, null nachvollziehen.
BZ: Helfen Sie den Flüchtlingen?
Mutzke: Ja. Bei uns in der Gegend haben wir ein Fest organisiert, wo wir mit den Menschen zusammensaßen, um sie kennenzulernen. Da sind fast keine Frauen dabei, die allermeisten sind Männer in meinem Alter oder jünger. Ich meine, wie schlimm muss es dir gehen, wenn du Frau und Kinder zurücklässt und diese mörderische Reise auf dich nimmst? Es ist schon sehr praktisch, dass meine Schwiegereltern beide Sprachen sprechen, das erleichtert die Verständigung ungemein.
BZ: Wie geht Ihr Heimatort Waldshut-Tiengen mit den Flüchtlingen um?
Mutzke: Vorbildlich. Sie haben sogar ein neues Asylantenheim gebaut. In anderen Gemeinden stellen sie einfach Wohncontainer auf den Parkplatz vom Altersheim. Man sieht von Ort zu Ort, wie sich der Bürgermeister für die Menschen einsetzt oder eben nicht.
BZ: Was macht eigentlich Ihr Lebenstraum, mit dem Lkw eine Weltreise zu unternehmen?
Mutzke: Es geht voran. Den Traum habe ich ja wirklich, seit ich elf bin. Zurzeit baue ich mir den Lkw zum Expeditionsmobil um, dabei zerlege ich ihn praktisch in seine Einzelteile, sandstrahle und schmiere alles, am Ende ist es praktisch ein neues Fahrzeug.
BZ: Ich wusste gar nicht, dass Sie handwerklich so geschickt sind.
Mutzke: Wir Mutzkes haben alle ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen und sind recht geschickt. Bevor mein Vater Arzt wurde, wollte er Maschinenbauingenieur werden, er schlossert und schmiedet bis heute gern. Und wenn du auf dem Dorf groß wirst, wächst du automatisch ins Handwerkliche hinein. Es gibt ja immer was zu tun. Ich habe unser eigenes Häuschen in Eigenregie ausgebaut, die Wände, die Elektrik, die Küche. Und jetzt packe ich gerade bei den Schwiegereltern mit an, die mitten am Bauen sind.
BZ: Wann wollen Sie denn starten mit der Weltreise?
Mutzke: Ich brauche noch ungefähr ein Jahr, bis das Max-Mobil komplett fertig ist. Und dann wird erst mal im Schwarzwald getestet. Schroffes Gelände und verwinkelte, felsige Wege haben wir hier genug.

– Max Mutzke: Max (Sony, ab 12. Juni), Konzert: Freiburg, Jazzhaus, Di, 15. Sept, 20 Uhr, Vorverkauf beim BZ-Karten-Service (bz-ticket.de/karten oder Tel. 0761 - 496 88 88) und bei allen BZ-Geschäftsstellen.

Ressort: Rock & Pop

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Sa, 06. Juni 2015: PDF-Version herunterladen

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