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Hetze im Netz

Identität im Internet gestohlen – Kirchzartener sucht seit einem halben Jahr nach dem Täter

Sebastian Wolfrum
  • Mi, 01. Februar 2017, 17:08 Uhr
    Kirchzarten

     

Vor einem halben Jahr hat Bernd Engesser Anzeige gegen Unbekannt gestellt. Mit seinem Namen wurde im Internet Hetze verbreitet. Der Mann aus Kirchzarten will herausfinden, wer dahintersteckt. Warum gibt es bis heute keine Antworten?

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Facebook hat – mindestens – zwei Seiten. Neben sozialen Kontakten findet hier auch Hetze statt. Foto: dpa
Die Ausblicke könnten unterschiedlicher nicht sein. Sieht Bernd Engesser aus dem Fenster seines Hauses bei Kirchzarten, hat er das malerische Dreisamtal vor Augen. Doch an dem Fenster steht ein schmaler Schreibtisch, darauf ein Bildschirm – und was Engesser dort sieht, bringt ihn in Rage. Er surft inzwischen regelmäßig durch das Soziale Netzwerk Facebook. Nicht, weil er dort Kontakte pflegt oder Ablenkung im Internet sucht.

Er ist dort, weil er vermeiden will, dass sein Name wieder in den Dreck gezogen wird. Denn genau das ist geschehen. Im August 2016 hatte jemand ein Profil mit dem Namen und dem Bild von Bernd Engesser angelegt und dort gepöbelt und gehetzt (Hintergrund). Der echte Engesser ist ein politisch aktiver Mensch, nennt sich links und liberal, er engagiert sich in der Flüchtlingshilfe, äußert im Netz offen seine Meinung. Sein gefälschtes Alter Ego pöbelte gegen Geflüchtete, schimpfte gegen Andersdenkende, rief zum Shitstorm auf.

Wer steckt hinter der Attacke?

Das ist fast genau ein halbes Jahr her. Engesser hatte sich damals zunächst darum bemüht, das falsche Profil abzuschalten. Das ging verhältnismäßig schnell. Seitdem ist er daran herauszufinden, wer hinter der Attacke auf seinen Namen steht. Und hier hakt es aus seiner Sicht gewaltig.

Engesser hat sich an Facebook gewendet, um etwa zu erfahren, mit welcher E-Mail-Adresse oder welcher IP-Adresse das Konto angelegt wurde. Er hat keine Auskunft bekommen. "Mich erschreckt die Reaktion von Facebook. Die blocken nur ab. Geschützt wird der, der Kriminelles tut", sagt er. Zwar bekommt er Antwort, wie er gegen das sogenannte Impersonating vorgehen kann, also den Identitätsklau auf der Plattform. Doch das sind nicht mehr als vorformulierte Schreiben, in denen sein Name eingesetzt wird. "Warum wird hier geblockt? Ich muss mich legitimieren, der andere nicht", sagt der Anlageberater sichtlich genervt.

Weitere Suche nach Fake-Profil

Wenn er jetzt auf Facebook unterwegs ist, sucht er nicht nur seinen Namen, sondern auch den seiner Frau. Die ist dort nämlich nicht angemeldet. In Deutschland hat Facebook etwa 30 Millionen Nutzer. "Je mehr ich mich damit beschäftige: 50 Millionen Menschen sind damit in derselben Gefahr wie ich", sagt er. Bevor ihm in Netz seine Identität gestohlen wurde, war auch er nicht in dem Sozialen Netzwerk angemeldet.

Wenn man als Journalist in der Frage bei Facebook anfragt, erhält man relativ schnell eine Antwort. Eine PR-Agentur, die die Öffentlichkeitsarbeit für das amerikanische Unternehmen in Deutschland übernimmt, ruft zurück. Die Konversation ist offen – doch am Ende heißt es: Das ist bitte als Hintergrundgespräch zu behandeln.

Statements per E-Mail

Für offizielle Statements seien Pressemitteilungen zu zitieren, die per Mail nachgereicht werden. Kurz darauf werden Texte zu dem Thema Impersonating gesendet, gemeinsam mit solchen zu Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden, Engagement gegen Hassrede und Umgang mit Fake News.

"Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat im August 2016 ausdrücklich erklärt, dass die Zusammenarbeit von Facebook mit deutschen Strafermittlungsbehörden sehr gut sei. Jede Anfrage, die wir von Behörden erhalten, wird von uns geprüft", heißt es. Zu Einzelfällen könne keine Auskunft gegeben werden, heißt es.

Internationale Spurensuche

Ob die Staatsanwaltschaft Freiburg schon bei Facebook angefragt hat, kann die Behörde derzeit nicht mitteilen. Das liegt daran, dass die Akte mit Engessers Fall zurzeit bei der Polizei liegt. Die Staatsanwaltschaft hat die Polizei mit Ermittlungen beauftragt. Die Kriminalinspektion 5 beim Polizeipräsidium Freiburg ist zuständig für Cybercrime und Digitale Spuren. Sie soll etwa ermitteln, welche technischen Möglichkeiten es für eine Verfolgung gibt. Ergebnisse liegen der Staatsanwaltschaft aber noch nicht vor. Ein Anfangsverdacht für eine Straftat bestehe, sagt Michael Mächtel, Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Nach Mächtels Erfahrung sind Fälle, die über Staatsgrenzen hinweg gehen, oft langwierig und schwierig. Im Zuge der Ermittlungen muss dann bei Justizbehörden im Ausland ein Auskunftsgesuch gestellt werden. Unterschiedliche Rechtssysteme, manchmal auch -auffassungen und Sprachen treffen aufeinander. Besonders bei Fällen der Internetkriminalität ist die Zusammenarbeit mit Behörden anderer Länder notwendig. Wenn ein Nutzer etwa seine Daten über ausländische Server leitet, muss dort ermittelt werden. "Wenn dass dann über Rumänien oder Russland läuft, ist es schnell zu Ende mit der Rechtshilfe", sagt Mächtel.

Eine politisch motivierte Tat?

Bernd Engesser verschränkt die Arme vor der Brust. Er weiß, dass seine Suche keine leichte ist. Er sorgt sich, dass die Daten bei Facebook gelöscht werden, bevor es zu einer Anfrage der Behörden kommt. Aber er will sich von den Hürden nicht abschrecken lassen. Auch, weil es ihm um mehr geht, als um seinen Ruf. Er glaubt an eine politisch motivierte Tat. Engesser zeigt sich offen links und liberal und sein Name wird für rechte Hetze missbraucht – "das ist kein Zufall", sagt er.

Engesser blickt auf, weg vom Bildschirm, hin zu den Ausläufern des Schwarzwalds. In einer Zeit von Fake News, verzerrten Filterblasen, erstarkenden rechtspopulistischen und antidemokratischen Bewegungen will Engesser nicht einfach kleinbeigeben. "Wer Interesse hat, in diesem Land zu leben, muss sich wehren gegen die lautstarke Minderheit. Ich kämpfe jetzt wieder."

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Ressort: Kirchzarten

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 02. Februar 2017: PDF-Version herunterladen

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