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In eigener Sache: Die Abwägung war im Ergebnis falsch

Der Badische Verlag hat im "Sonntag" eine Beilage der Freiburger AfD-Stadträte verteilt. Das löste bei vielen Lesern auch der Badischen Zeitung Unmut aus. Die Kritik der Leser nehmen wir ernst.  

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Der Badische Verlag bemüht sich in sei...n. Das bringt oft Zumutungen mit sich.  | Foto: Manuela Müller
Der Badische Verlag bemüht sich in seiner Arbeit, die ganze Bandbreite des politischen Spektrums widerzuspiegeln. Das bringt oft Zumutungen mit sich. Foto: Manuela Müller
In der Freiburger Ausgabe unserer kostenlosen Wochenzeitung "Der Sonntag" ist eine Beilage der AfD-Gruppe im Freiburger Gemeinderat erschienen, die bei vielen Leserinnen und Lesern auch der Badischen Zeitung großen Unmut ausgelöst hat. "Journalistisch gesehen eine Bankrotterklärung"; "unglaublich, dass sich die BZ damit abgibt" – so lauteten noch einige der moderateren Kommentare. Eine Zeitung des Badischen Verlags verbreite menschenverachtende, rassistische AfD-Propaganda und verdiene auch noch Geld damit – das ist der Hauptvorwurf. Er trifft uns schmerzlich. Keine Frage: Darüber ist zu reden.

Tatsächlich hatte es auch hausintern Bedenken gegen die Beilage gegeben. Die auf Unabhängigkeit, Überparteilichkeit und christlichen Werten beruhende freiheitlich-liberale Grundhaltung der Badischen Zeitung ist seit Jahrzehnten unser Markenzeichen. Ein journalistisch einwandfreier, aber kritisch-distanzierter Umgang mit der AfD durch die Redaktion in all unseren Produkten war uns seit jeher Verpflichtung und ist – das dürften selbst die schärfsten Kritiker einräumen – über jeden Zweifel erhaben. Soll man da zwei AfD-Kommunalpolitikern die Chance bieten, ihre Thesen zu verbreiten?

Dafür sprach, dass es sich um zwei demokratisch gewählte Stadträte handelt, die – auch wenn es vielen nicht gefällt – einen Teil der Wählerschaft im Freiburger Kommunalparlament repräsentieren. Dafür sprach auch, dass die Beilage bewusst als eine Art kommunalpolitischer Tätigkeitsbericht konzipiert war. Dass die Kritik an mangelhaft ausgestatteten Spielplätzen verknüpft wird mit dem Vorwurf, zugleich flössen Gelder für Flüchtlingshilfe in "absurde Projekte", dass ein aus AfD-Sicht "eher linksradikal-grün" dominierter Gemeinderat überhaupt zu viel Geld für die Unterbringung von Flüchtlingen ausgebe – ist das schon gerichtlich zu ahndender Rassismus und Hetze? Es ist jedenfalls in keiner Weise eine inhaltliche Position von Verlag und Redaktion.

Die juristische Überprüfung der Inhalte der Beilage ergab keine Anhaltspunkte auf strafbare Inhalte oder dezidiert falsche Tatsachenbehauptungen. Damit standen wir vor einem Dilemma: Sollten wir der AfD die Gelegenheit bieten, sich als von der vermeintlich bösen Systempresse unterdrücktes Opfer in der Märtyrerrolle zu inszenieren, oder sollten wir den Nutzern des "Sonntag" eine zweifelhafte Beilage zustellen im Wissen, dass dies Leser empört, aber in der Hoffnung, dass diese die AfD-Broschüre spontan als Werbung klassifizieren und gegebenenfalls der Papiertonne zuführen würden? Vor diesem Hintergrund fiel der Beschluss, den Beilagenauftrag – wirtschaftlich übrigens unbedeutend – regulär abzuwickeln.

Es war eine 51- zu 49-Prozent-Abwägung, und sie war im Ergebnis falsch. Was unsere Fachabteilungen zu wenig beachtet hatten, war zum einen der Umstand, dass die Beilage auf den ersten Blick kaum als AfD-Produkt erkennbar war. Viele Leserinnen und Leser nahmen das Heft daher nicht als Parteienwerbung, sondern als eigene Beilage des "Sonntag" wahr; ein solches Heft hätten wir als Verlag aber niemals publiziert. Zum anderen hat unser Haus bei Prüfung der Beilage die handelnden Personen zu wenig in den Blick genommen.

So unrichtig es wäre, der AfD als Partei insgesamt jeden demokratischen Charakter abzusprechen und sie in toto dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen (wenngleich die rechtsradikalen Strömungen und völkischen Tendenzen in der AfD zweifellos auf bedrohliche Weise zugenommen haben), so treffend ist diese Beschreibung vor allem für einen der beiden Freiburger AfD-Stadträte, den Rechtsanwalt Dubravko Mandic. Dieser gehörte nicht nur dem sogenannten "Flügel" der AfD an, der vom Verfassungsschutz beobachtet und inzwischen aufgrund seiner rechtsextremen Orientierung aufgelöst worden ist. Mandic stand auch schon wegen Nötigung und Beleidigung vor Gericht. Er positionierte sich wiederholt als Gegner von Demokratie und Meinungsfreiheit, kündigte an, Journalisten "aus ihren Redaktionsstuben (zu) vertreiben", und schreckt auch sonst vor Drohungen gegen Andersdenkende nicht zurück. An diesem Dienstag steht er wegen des Vorwurfs gefährlicher Körperverletzung in Freiburg vor Gericht. Seine eigene Partei hat versucht, ihn auszuschließen – vorerst vergebens.

Der Versuch, der gesellschaftspolitischen Vielfalt und Zerrissenheit in Freiburg auch durch das Verbreiten randständiger Positionen Rechnung zu tragen, stößt dann an Grenzen, wenn sich einzelne politische Akteure außerhalb des demokratischen Grundkonsenses stellen. Zumindest dieser Verdacht liegt bei Mandic immer wieder sehr nahe. Im Badischen Verlag werden wir deshalb unsere Richtlinien für politische Werbung überprüfen, um eine Wiederholung in Zukunft ausschließen zu können.

Klar ist: Ihre Kritik, liebe Leserinnen und Leser, nehmen wir sehr ernst. Zugleich werden wir als Verlag und Redaktion aber auch künftig darum bemüht sein, in unserer Arbeit die ganze Breite des politischen Spektrums widerzuspiegeln. Das bringt Zumutungen mit sich: die Konfrontation mit Meinungen und Positionen, die einem selbst nicht nur fremd, sondern womöglich widerwärtig sind. Das Gemeinwesen aber lebt vom Austausch und ja, auch vom Streit. Dafür unabhängig, überparteilich und oft genug auch unbequem die Informationen, Hintergründe und Einschätzungen zu liefern – mit hohen journalistischen Standards, aber eben auch grundsätzlich weiter gefassten Grenzen im Anzeigenbereich –, ist oberstes Ziel unseres Medien-Unternehmens. Wir stehen für den Ausbau und Erhalt unseres demokratischen Rechtsstaats und sind Humanität und Toleranz verpflichtet.

In diesem Sinne eine friedvolle Adventszeit und bleiben Sie gesund!

Wolfgang Poppen, Verleger
Thomas Fricker, Chefredakteur
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